Protest nach Schließung der Blauen Moschee: „Uns wurde dieser Ort einfach genommen“

Protest nach Schließung der Blauen Moschee: „Uns wurde dieser Ort einfach genommen“

Die Blaue Moschee an der Außenalster ist dicht. Seit der Razzia am Mittwochmorgen und dem Verbot des IZH ist sie geschlossen. Zum Freitagsgebet fanden sich etwa 150 Menschen vor der Moschee ein. Ein Ausdruck des Protests. Aber auch ein Zeichen der Verzweiflung. Denn es ist die einzige schiitische Moschee in Hamburg. Was bedeutet dieser Verlust für die schiitische Minderheit?

Bahn für Bahn verschwindet der nasse Asphalt vor der Blauen Moschee unter Malervlies und Planen. Die ersten Männer legen gegen 13.30 Uhr ihre mitgebrachten Gebetsteppiche vor der Moschee aus. Am Straßenrand stapeln sich Schuhe von Männern, Frauen und Kindern. Sie versammeln sich zum Freitagsgebet – normalerweise in der Moschee. Heute nehmen sie davor Platz. Ein letzter Jogger schafft es noch noch über die Straße. In Schlangenlinien vorbei an den Menschen, die sich zum Gebet bereit machen. Dann riegelt die Polizei den Abschnitt mit Absperrband ab.

Immer mehr Menschen versammeln sich vor dem Gebäude

Auf der anderen Straßenseite der Schönen Aussicht steht eine junge Frau mit dunklem Kopftuch. Vorsichtig beobachtet sie, wie sich nach und nach immer mehr Menschen vor dem Gebäude versammeln. Viele kennen sich seit Jahren. „Seit ich zwei Jahre alt bin, komme ich jede Woche. Ich bin hier aufgewachsen“, erklärt sie ruhig und doch bestimmt. „Uns wurde dieser Ort einfach weggenommen“, meint sie noch.

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Dann setzt sie sich in die letzte Reihe zu den anderen Frauen. Diese Ordnung wird auch auf der Straße beibehalten. Immer wieder werden Leute angewiesen, sich umzusetzen. Der islamische Prediger steht rechts vor der Moschee und spricht in ein Mikrofon. Neben ihm steht ein Mann und hält den Lautsprecher in die Höhe. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass es sich eigentlich um eine kleine Karaoke-Maschine handelt. Alles ist provisorisch, aber irgendwie funktioniert es doch.

Die Gebetsteppiche wurden auf Planen, Vliesen und Decken ausgelegt.
Marius Röer

Die Gebetsteppiche wurden auf Planen, Vliesen und Decken ausgelegt.

Der Prediger begrüßt alle Anwesenden. Spricht von Herausforderungen und davon, was es heißt, sie zu überwinden. Hinter ihm ragt die eindrucksvolle blaue Moschee hervor.

Die Imam-Ali-Moschee wurde vor 80 Jahren erbaut. Finanziert haben sie iranische Kaufleute. Die Großväter und Urgroßväter derer, die sich heute hier versammeln und derer, die sich in den vergangenen Jahren nicht mehr hierher getraut haben. Regimekritiker, die die Führung des IZH – den verlängerten Arm Teherans, wie sie auch genannt wurde – fürchten mussten.

Nicht das iranische Regime soll erhalten werden, sondern ein Glaubensort

Heute stehen zwischen den Betenden und der Moschee rund ein Dutzend Polizisten und ein rot-weißer Eisenzaun. Wie es mit dem denkmalgeschützten Gebäude weitergeht, ist ungewiss.

„Wir wollen nicht das iranische Mullah-Regime erhalten, sondern einen Glaubensort. Einen Ort, an dem auch die iranische Kultur Platz findet und an dem sich alle IranerInnen wohlfühlen können“, erklärt Maryam Blumenthal, Vorsitzende der Grünen in Hamburg der MOPO telefonisch. Die Politikerin hat selbst iranische Wurzeln. Die Moschee soll wieder ein Ort werden, der für alle zugänglich ist.

Der Bereich um die Blaue Moschee wurde am Freitag von der Polizei abgesperrt.
Marius Röer

Der Bereich um die Blaue Moschee wurde am Freitag von der Polizei abgesperrt.

Nach der Ansprache folgt das eigentliche Gebet. 150 Menschen antworten im Chor. Etwa eine Dreiviertelstunde später ist alles vorbei. Der Erste steht auf und zieht seine Schuhe an. Innerhalb weniger Minuten sind alle wieder auf den Beinen.

Die Blaue Moschee ist für viele ein Stück Heimat

Ein Mann in orangefarbener Warnweste wartet noch länger vor der Moschee. Ihm gegenüber steht ein Polizist in schwerer Schutzkleidung. Auch er kommt schon sein Leben lang hierher. „Dieser Ort ist auch ein Stück Heimat für mich. Natürlich tut es weh, ihn jetzt so zu sehen. Abgesperrt mit Polizei überall“, sagt er. „Wir werden wahrscheinlich jeden Freitag auf der Straße beten. So lange, bis wir wieder reinkommen.“

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Gegen 14.15 Uhr ist die Straße fast komplett geräumt. Ein paar kleine Grüppchen unterhalten sich am Straßenrand und mischen sich wieder mit Spaziergängern und Joggern. Ein leises Rascheln ist zu hören, als die Planen und Malervliese wieder ordentlich zusammengerollt und verstaut werden. Sie werden wohl noch häufiger zum Einsatz kommen.

Protest nach Schließung der Blauen Moschee: „Uns wurde dieser Ort einfach genommen“ wurde gefunden bei mopo.de

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