Russland: Hohe Panzer-Verluste im Ukraine-Krieg – Putins Lager leeren sich

RMAG news

Russland hat seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine mehr Panzer verloren, als es damals einsatzbereit hatte. Und auch die Lager leeren sich in rasantem Tempo. Anfang Mai ließ Wladimir Putin in Moskau seine Kriegstrophäen zur Schau stellen: Anlässlich des “Tags des Sieges” am 9. Mai präsentierte der Kreml den Bürgern Moskaus im Park Pobedy mehr als 30 in der Ukraine erbeutete Panzer aus westlicher Produktion. Viele Schaulustige begutachteten an diesen Tagen die Kampf- und Schützenpanzer aus Deutschland, den USA, Großbritannien , Frankreich und Australien . Es sollte eine Botschaft des Triumphs an die Bevölkerung sein – und womöglich ein Ablenkungsmanöver. Denn sollte die Regierung in Kiew Ähnliches planen, würden die Straßen und Parks der ukrainischen Hauptstadt vor zerstörten und erbeuteten russischen Panzern wohl bersten. Das zumindest legt eine Auswertung der “Süddeutschen Zeitung” über russische Verluste an Kriegsmaterial in der Ukraine nahe. Russland soll demnach seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 mehr Kampfpanzer auf dem Schlachtfeld verloren haben, als vor der Invasion einsatzbereit waren. Und auch die Lager in Russland leeren sich nun offenbar in rasanter Geschwindigkeit, wie die Analyse der Zeitung zeigt. Laut der Datenbank Oryx belaufen sich die russischen Verluste bei Kampfpanzern bisher auf insgesamt 3.197 Fahrzeuge. 2.167 davon wurden zerstört, 158 beschädigt, 354 zurückgelassen und 518 von der ukrainischen Armee erbeutet. Hinter Oryx steht ein niederländisches Projekt von Osint-Spezialisten (Open Source Intelligence, Anm. d. Red.), die für ihre Analysen Bildmaterial aus der Ukraine auswerten. Längst nicht alle Verluste sind mit Fotos dokumentiert, die wahre Zahl an verlorenen Kampfpanzer dürfte also noch deutlich höher liegen. Russland setzt auf Uralt-Panzer Im Monat verliert Russland also rund 100 Kampfpanzer. Laut “Forbes” baut die russische Rüstungsindustrie monatlich derzeit jedoch lediglich 50 neue Fahrzeuge. Um die klaffende Lücke zu schließen, bedient sich Russland daher seiner Reserven. Seit Monaten kursieren Fotos von teilweise gut 70 Jahre alten sowjetischen T-55-Panzern, die in der Ukraine eingesetzt werden. Auch auf T-62 aus den 1960er-Jahren und T-72- sowie T-80-Kampfpanzer aus den 70er- und 80er-Jahren greift Russlands Armee zurück. Experte zur Zukunft des Panzers: “Diese Gefahr ist längst Realität” Laut der britischen Denkfabrik International Institute for Strategic Studies (IISS) hat Russland bisher gut 1.200 Kampfpanzer aus Altbeständen für den Einsatz in der Ukraine hergerichtet. Dazu kommen demnach rund 2.500 Schützenpanzer aus der Reserve. Das Kriegsgerät hat dann zwar nicht annähernd die Qualität moderner Systeme, Russland setzt in seinem brutalen Angriffskrieg jedoch ohnehin mehr auf Masse als auf Klasse. Unerschöpflich sind jedoch auch die russischen Lagerbestände nicht. Der Betreiber des X-Accounts @HighMarsed, der Satellitenbilder russischer Militärstützpunkte auswertet, schätzt, dass Russland noch rund 3.650 Kampfpanzer verschiedener Modelle auf Lager hat. Wohlgemerkt sind nicht alle dieser Fahrzeuge in einem Zustand, der es wirtschaftlich erscheinen lässt, sie wieder herzurichten. Ein beträchtlicher Teil der Fahrzeuge dürfte nur noch als Quelle für Ersatzteile dienen. Putin hat noch einige Panzer auf Lager Im Gespräch mit der “Süddeutschen Zeitung” setzt der IISS-Forscher Michael Gjerstad die Zahl gelagerter Panzer noch niedriger an: “Ich schätze, Russland hat immer noch rund 3.200 Tanks (Panzer, Anm. d. Red.) auf Lager, aber die überwiegende Mehrheit von ihnen ist in einem üblen Zustand und erfordert erhebliche Instandsetzung.” Aktuelle Entwicklungen zum Krieg in der Ukraine lesen Sie im Newsblog. Angesichts der erheblichen Verluste erwarten Experten mittelfristig erhebliche Materialprobleme aufseiten der russischen Armee. Schon Ende Mai erklärte der Militärexperte Gustav Gressel im Gespräch mit t-online, dass Russland voraussichtlich ab etwa 2026 ein akutes Materialproblem bekommen werde. Den ganzen Artikel können Sie hier nachlesen. Der “Süddeutschen Zeitung” bestätigte Gressel diese Einschätzung abermals. Auch das IISS kommt zu der Einschätzung, dass Russland seine derzeitigen Offensivanstrengungen in der Ukraine so wohl noch maximal drei Jahre durchhalten kann. Gressel weist angesichts der Berichte über Verluste bei Kampfpanzern jedoch auf einen zusätzlichen Umstand hin, der Russland womöglich noch stärker treffen könnte: die hohen Verluste bei gepanzerten Truppentransportern. Bei diesen unterstützenden Fahrzeugen sei die Geschwindigkeit der Verluste am höchsten, erklärt Gressel auf X. Besonders an der Charkiw-Front sei bereits ein Mangel erkennbar. Das hatte zuletzt auch ein ukrainischer Soldat berichtet. Russland schicke seine Infanterie zunehmend ohne Schutz durch gepanzerte Fahrzeuge ins Gefecht. Hier können Sie seine Schilderungen von dem Frontabschnitt nachlesen. “So wird es nicht passieren” Für die Ukraine bedeuten die Berichte über hohe russische Materialverluste aber nicht gleich Entwarnung. Experten schätzen einhellig ein, dass die ukrainische Armee von den westlichen Unterstützern weiterhin in hohem Maße mit Waffen und Munition ausgerüstet werden müsse, um den Druck auf die russischen Truppen aufrechterhalten zu können. Der IISS-Experte Sascha Bruchmann erklärte im Gespräch mit dem ukrainischen Portal “Kyiv Independent”: “Es ist schwierig zu schreiben: ‘Ja, in zwei Jahren wird Russland den Krieg verlieren, weil ihnen die Panzer ausgegangen sind’, denn so wird es nicht passieren.” Kampfpanzer werden vor allem bei Offensivaktionen eingesetzt. Selbst wenn Russland also weiter viele Panzer verlieren sollte, bedeutet das nicht unbedingt, dass es für die Ukraine erheblich leichter wird, die bereits besetzten Gebiete zurückzuerobern. Denn bisher hat Russland gezeigt, dass es in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine keine Kosten scheut – weder bei den Zehntausenden toten Soldaten noch beim Kriegsmaterial. Schon jetzt gibt Putin rund ein Drittel des Staatshaushalts für sein Militär aus.

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