„So etwas haben wir noch nicht gehabt“: Grote warnt vor zunehmendem Rechtsextremismus

„So etwas haben wir noch nicht gehabt“: Grote warnt vor zunehmendem Rechtsextremismus

Innensenator Andy Grote (SPD) hat bei der Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichtes am Montag vor Rechtsextremismus gewarnt. Von diesem gehe nach wie vor die größte Gefahr aus, und zwar nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in Hamburg. Aber auch den Islamismus haben die Verfassungsschützer im Visier.

Bevor Andy Grote über den Verfassungsschutzbericht 2023 informierte, gedachte er dem am Wochenende in Mannheim tödlich verletzten Polizisten. Der Vorfall habe besonders große Betroffenheit ausgelöst, in seinen neun Jahren als Innensenator habe er noch nie eine derart große Anteilnahme innerhalb der Sicherheitsbehörden verspürt. „Der 29-Jährige hat sein Leben gelassen, weil er andere geschützt hat“, so Grote. Er bat alle Anwesenden um eine Schweigeminute.

Extremisten profitieren von Angst und Unzufriedenheit

Anschließend bedankte sich Grote bei den „oft im Verborgenen arbeitenden Kollegen“ des Verfassungsschutzes, die dazu beitragen, „unsere demokratische Ordnung zu schützen“. Diese sei derzeit von verschiedenen Seiten bedroht. Dies hänge mit den Krisenentwicklungen der vergangenen Jahre, wie der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg sowie dem aktuellen Konflikt im Gazastreifen zusammen. „Extremisten nutzen dies aus“, so Grote, „sie profitieren von Angst und Unzufriedenheit.“

Die größte Gefahr gehe laut Grote vom Rechtsextremismus aus, dessen Anhängerzahl über die vergangenen Jahre in Hamburg zwar stets konstant blieb (um die 400), dafür aber immer radikaler und auch gewaltbereiter bei den Erhebungen des Verfassungsschutzes in Erscheinung tritt: Die Zahl von rechtsextremistischen Straftaten stieg von 484 (2022) auf 716. Darunter waren 55 Gewaltdelikte (2022: 56). Die Palette der Taten von rechts reicht dabei von Verwenden verbotener Nazi-Symbolik bis zu Beleidigungen und gezielten Körperverletzungen. Mehr als 80 Prozent aller Taten von rechts seien Äußerungs- und Propagandadelikte. Häufig seien es Fälle aus dem Randständigen-Milieu, bei denen die Täter alkoholisiert seien und Sicherheitskräfte provozieren wollten. 

Grote: „Die größte Gefahr geht vom Rechtsextremismus aus“

Beunruhigend: Viele, die sich zu rechten Ideologien bekennen, hatten vorher nicht einmal strukturelle Verbindungen zu Organisationen oder Parteien, die als rechts gelten. Und gerade junge Menschen unter 30 Jahren schließen sich immer häufiger derartigen Ideologien an, so Verfassungsschutz-Leiter Torsten Voß. „Sie tun ihre Meinungen im Echo kund, oft im Internet, verbreiten sie dann aus eigener Überzeugung.“

Grote sieht auch die Gefahr, dass sich rechtsextreme Ideologien und der Rechtsextremismus weiterhin in der Politik verbreiten. Beispielhaft hierfür stehe die AfD, die von Gerichten teilweise als verfassungsfeindlich eingestuft wurde und als sogenannter rechtsextremistischer Verdachtsfall gilt, ohne dabei politischen Einfluss zu verlieren, wie beispielsweise in Thüringen.

„Machen uns Gedanken, wie wir unsere Demokratie besser schützen können“

Grote sieht im Rechtsextremismus die größte Bedrohung für die Demokratie: „Antidemokratische Gruppen und Personen sind in demokratischen Ämtern. Es besteht tatsächlich das Potenzial, unsere demokratische Struktur beseitigen zu wollen.“ Die Demokratie insgesamt sei durch den Einfluss rechtsextremer Politiker und Gruppen gefährdet. „Und das vor allem durch die AfD“, betonte Grote. So eine Situation habe man so noch nie gehabt. „Wir machen uns daher Gedanken, wie wir unsere Demokratie noch besser schützen können.“

Ebenfalls im Fokus der Verfassungsschützer: der Islamismus, zu dem sich in Hamburg nach Angaben der Behörde 1840 Menschen bekennen – davon werden 1520 als gewaltbereit eingestuft. Im vergangenen Jahr waren es insgesamt 1755 mutmaßliche Islamisten, im Jahr 2014 nur 955. In diesem Bereich wurde laut Grote in den vergangenen Jahren personell am stärksten aufgestockt.

Demonstranten auf einer Veranstaltung von „Muslim Interaktiv“.
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Demonstranten auf einer Veranstaltung von „Muslim Interaktiv“.

Die Beamten verzeichneten zudem eine deutliche Zunahme politisch motivierter Straftaten im Zusammenhang mit dem Islamismus. Dazu gehören beispielsweise verbotene Propaganda im Rahmen des Israel-Palästina-Konflikts. Hier stieg die Zahl von 22 auf 62.

Größere Rollen spielen dabei die Gruppen „Muslim Interaktiv“ (MI) und das Islamische Zentrum Hamburg (IZH), die weiter unter strenger Beobachtung stehen. Das IZH wurde vom Verwaltungsgericht als extremistisch und als eine vom Iran gesteuerte Einrichtung eingestuft; ein Verbot stehe laut Grote bevor.

Zu MI zählt der Hamburger Verfassungsschutz rund 20 Personen, die zum engen Kreis gehören sollen, dazu kommen 100 Sympathisanten und eine unbekannte Anzahl weiterer Anhänger. Sie nutzen oft das „Opfer-Narrativ“ für ihre Zwecke, so Verfassungsschutz-Chef Torsten Voß. Im Sinne von: „Du wirst als junger Muslim in Deutschland diskriminiert und nicht akzeptiert, bei uns aber findest du Anschluss.“

Torsten Voß ist Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes.
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Torsten Voß ist Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes.

„Man muss aber deutlich zwischen dem Islam und Islamismus unterscheiden“, betont Voß. Der Islam als Religion sei ganz ausdrücklich geschützt und werde nicht beobachtet. Das Wort Islamismus bezeichne dagegen eine Ideologie, die den Islam für ihre teils radikalen Zwecke missbraucht.

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Insgesamt hat der Verfassungsschutz im Jahr 2023 rund 82.000 Personen überprüft. Dabei ging es unter anderem um Fragen des Waffenrechts und des Asyls. Beim Linksextremismus nahm die Anhängerschaft leicht ab. Die Beamten beobachten jedoch eine Veränderung der internen Struktur und einen Konflikt zwischen pro-palästinensischen und pro-israelischen Gruppierungen innerhalb der linken Szene. Die Zahl der Sachbeschädigungen aus dem linksextremen Umfeld nahm jedoch zu.

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