Ständig schwere Unfälle: Hier bringen sich Radler auch selbst in Lebensgefahr

Ständig schwere Unfälle: Hier bringen sich Radler auch selbst in Lebensgefahr

Sie ist rund 25 Kilometer lang und bei Rennradfahrern beliebt, an schönen Tagen fahren hier Hunderte. Doch auf der Strecke zwischen Spadenland und Altengamme kommt es immer wieder zu schweren Unfällen mit Schwerverletzten und sogar einem Toten. Zuletzt verunglückte am Sonntag ein Rennradfahrer. Was ist da los? Die MOPO ging auf Spurensuche, traf besorgte Radfahrer, die sich mit technischen Tricks helfen, und verärgerte Anwohner. Die Polizei warnt sogar schon mit einem speziellen Motto.

Rennradfahrer nutzen die schnurgeraden, wenig befahrenen Strecken an den Elbdeichen zum Training. Oft haben die Fahrer den Blick nach unten gerichtet – um dem Wind wenig Widerstand zu bieten, aber auch, um die aufgrund der sportlichen Sitzposition belastete Nackenmuskulatur zu entlasten. Wenn dann ein Hindernis zu spät bemerkt wird, kann das bei hohem Tempo schlimme oder sogar fatale Folgen haben. Am häufigsten verunglücken hier Radfahrer, gleich darauf folgen schwere Motorradunfälle.

Rennradsportler übersehen parkende Autos und krachen in das Heck

Drei Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit: Ende Juli fuhr eine Rennradfahrerin am Zollenspieker Hauptdeich (Kirchwerder) in einen am Fahrbahnrand geparkten Pkw und krachte in das Heck des Autos. Sie kam mit schweren Verletzungen in eine Klinik. Ähnlich erging es einem Radsportler am 15. September, der am Hower Hauptdeich (Kirchwerder) in einen geparkten Wagen fuhr und ebenfalls schwer verletzt wurde. Auch am vergangenen Sonntag kam es in der Nähe zu einem Unfall. Am Neuengammer Hauptdeich in Neuengamme krachte ein 51-jähriger Radsportler in das Heck eines geparkten Skodas und verletzte sich dabei schwer.

Die Polizei kennt die Problematik. Zwischen 2019 und 2023 gab es auf der Strecke insgesamt 121 Verkehrsunfälle. Darunter waren auch Unfälle, bei denen Radsportler in das Heck von geparkten Autos gekracht waren. 79 Personen verunglückten zum Teil schwer, ein Mann (30) starb. Ende Mai hatte führte die Polizei auch deshalb eine Verkehrssicherheitsaktion am Fähranleger Zollenspieker (Kirchwerder) durch. Unter dem Motto „Kopf hoch“ wurden Radsportler auf die Gefahren aufmerksam gemacht.

Die Heckscheibe zersplitterte: Der Radfahrer krachte in den Skoda, erlitt dabei schwere Verletzungen.
Christoph Leimig

Die Heckscheibe zersplitterte: Der Radfahrer krachte in den Skoda, erlitt dabei schwere Verletzungen.

Doch Radfahrer werden auch von anderen Verkehrsteilnehmern gefährdet. Die MOPO sprach mit Rennradfahrern am Elbdeich. Hauptunfallursache sei, dass häufig nicht genügend Rücksicht aufeinander genommen wird, sagen Jan und Hendrik. Damit meinen sie Auto- und Radfahrer gleichermaßen. „Es kam auch schon vor, dass Radfahrer von hinten weggerammt wurden, weil der Autofahrer deren Geschwindigkeit unterschätzte und der Überholweg immer länger wurde, bis ein Auto im Gegenverkehr auftaucht“, sagen sie. Beide wünschen sich Schilder, auf denen mehr Rücksicht miteinander gefordert wird.

Jan (l.) und Hendrik haben einen Sensor angebracht, der sie auf einem Display warnt, wenn sich Autos von hinten nähern.
RUEGA

Jan (l.) und Hendrik haben einen Sensor angebracht, der sie auf einem Display warnt, wenn sich Autos von hinten nähern.

Er und sein Freund haben Sensoren an der Sattelstange angebaut. Diese geben eine Warnung auf das Display am Lenker ab, wenn sich ein Fahrzeug von hinten nähert. „Immer dann bin ich besonders sensibilisiert“, sagt Jan.

Rennradfahrer Carsten (27), der mit drei Kumpels in Richtung Altengamme unterwegs ist, sieht das Hauptproblem bei den Autofahrern. „Sie rasen mit viel zu wenig Abstand an einem vorbei, überholen auch bei Gegenverkehr.“ Er fordert, dass Autofahrer ihr Tempo drosseln und so lange hinter dem Pulk herfahren, bis ein ungefährdetes Überholen möglich ist.

Radsportler fahren in großen Gruppen und nebeneinander

Und was sagen Autofahrer zu der Situation? Ein besonderes Ärgernis sei es, wenn die Radsportler in großen Pulks und nebeneinander fahren. „Da bedeutet jeder Überholvorgang ein hohes Risiko, besonders weil die Radler auch gern mal ausscheren, um sich gegenseitig zu überholen“, sagt Autofahrerin Birgit Sch. (61). Sie wohnt am Deich und ist mit dem Problem fast wöchentlich konfrontiert, wie sie sagt.

Autofahrer können häufig nicht abschätzen, wie lang der Pulk von Radfahrern ist, wenn sie zum Überholen ansetzen.
RUEGA

Autofahrer können häufig nicht abschätzen, wie lang der Pulk von Radfahrern ist, wenn sie zum Überholen ansetzen.

Ähnlich problematisch sieht es auch Autofahrer Harry (59). Er wohnt in Curslack und beobachtet, dass die Radfahrer mitten auf der Straße fahren. „Dabei wurde 2020 im Zuge der Deichsanierung zwischen Spadenland und Ochsenwerder extra ein breiter Weg gebaut, den Radfahrer und Fußgänger nutzen sollen.“

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Doch dieser Weg ist für Radfahrer nicht praktikabel, sagt Dirk Lau vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). „Wenn Radfahrende diesen Gehweg nutzen, müssen sie ihre Geschwindigkeit dem Fußverkehr anpassen, wenn es zu Begegnungen kommt. Das ist für Rennradfahrer:innen alles andere als praktikabel, aber auch für normale Radfahrende kommt es dabei oft zu gefährlichen Situationen. Denn natürlich ist dieser gebaute Weg viel zu schmal“, sagt er.

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Welche Tipps hat Lau? „Wie immer, wenn man Rad fährt, sollte man dies vorausschauend machen und ohne sich oder andere zu gefährden. Das heißt, genügend Abstand zu anderen Verkehrsteilnehmer:innen und auch zu geparkten Autos lassen. Viele gefährliche Situationen entstehen durch überhöhte Geschwindigkeiten der Autofahrer und deren Nichtbeachten des Sicherheitsabstands beim Überholen“, sagt er. Um Auffahrunfälle wie den am Sonntag vermeiden zu können, hält der ADFC-Sprecher ein generelles Parkverbot für Autofahrende auf dieser Strecke für notwendig.

Trotz eindeutiger Beschilderung nutzen die Radfahrer die Straße.
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Trotz eindeutiger Beschilderung nutzen die Radfahrer häufig die Straße.

Niclas (36) und seine Frau kommen der MOPO auf eben diesem kombinierten Rad- und Fußweg auf Rennrädern entgegen. „Uns ist es hier sicherer. Die Strecke ist bei Auto- und Motorradfahrern auch eine beliebte Rennstrecke. Da hat man als Radler im Ernstfall immer schlechte Karten“, sagt er.

Ständig schwere Unfälle: Hier bringen sich Radler auch selbst in Lebensgefahr wurde gefunden bei mopo.de

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