Streit um Flüchtlinge in Hamburg: Anwohner sorgen für Überraschung

Streit um Flüchtlinge in Hamburg: Anwohner sorgen für Überraschung

Proteste im feinen Flottbek: 144 Plätze für Flüchtlinge sollen auf dem Besucherparkplatz des Botanischen Gartens unterkommen. Bei einer Info-Veranstaltung der Stadt kochen die Emotionen am Donnerstagabend im Elbvorort hoch. Die „Bürgerinitiative Hamburg für adäquate Flüchtlingsunterkünfte“ will die Flüchtlinge an diesem Standort nicht haben. Jetzt kämpft eine zweite Initiative für die Unterbringung – und die wird immer lauter.

Mit bemalten Fähnchen und selbstgebastelten „Flottbek ist bunt“-Plakaten stehen schon vor der Veranstaltung etwa 50 Flottbeker an der Aula das Gymnasiums Christianeum. „Wir wollen zeigen, dass Flottbek mehr ist als nur schicke Villen. Hier ist eine gute Nachbarschaft, die alle willkommen heißt“, sagt Marie Meyer (29), Sprecherin der neuen Initiative „Flottbek ist bunt.“

„Öffnen Sie Ihr Herz”: Emotionale Reden für Flüchtlinge in Flottbek

Rund 150 Zuhörer finden sich an diesem Abend in der Aula ein. Ihnen Gegenüber sitzen zehn Vertreter der Stadt auf dem Podium, darunter Bezirkschefin Stefanie von Berg (Grüne) und Petra Lotzkat, Staatsrätin der Sozialbehörde.

Die Initiative „Flottbek ist bunt” demonstriert vor dem Gymansium Christianeum für die Flüchtlingsunterkunft.
Marius Röer

Die Initiative „Flottbek ist bunt” demonstriert vor dem Gymansium Christianeum für die Flüchtlingsunterkunft.

Was geplant ist: Der Baustart ist im dritten Quartal 2024 angesetzt. Sechs Wohneinheiten mit jeweils zwei Geschossen entstehen. Die ersten Geflüchteten sollen im zweiten Quartal 2025 in die Einrichtung an der Ohnhorststraße einziehen, vor allem Familien. Der Betrieb ist auf fünf Jahre ausgelegt, so wurde es mit dem Grundbesitzer des Geländes, der Universität Hamburg, vereinbart. Danach könnte neu verhandelt werden. Zehn Millionen Euro zahlt die Stadt für den Bau und die Unterhaltung der Unterkunft.

Marie Meyer, Sprecherin der Initiative „Flottbek ist bunt”.
Marius Röer

Marie Meyer, Sprecherin der Initiative „Flottbek ist bunt”.

Dann die große Überraschung. Gleich mehrere Anwesende setzen sich in den Fragerunden für die Unterkunft ein, erzählen von ihren eigenen positiven Erfahrungen mit Geflüchteten, kaum jemand hat etwas zu meckern. „Ich bitte Sie, öffnen Sie Ihr Herz”, sagt eine Frau, die extra aus dem Nachbarstadtteil Lurup gekommen ist. Begeisterter Applaus ist die Antwort. Ein Anwohner fragt: „Können alle mal aufstehen, die für die Unterkunft sind?“ Fast der gesamte Saals springt auf, viele wedeln mit Fähnchen.

„Kämpfen um jeden Platz”: Jetzt müssen auch die schicken Stadtteile ran

Die Bedenken der „Bürgerinitiative Hamburg für adäquate Flüchtlingsunterkünfte“, die vorher Stimmung gegen die Unterkunft an dieser Stelle gemacht hatte, versuchte die Stadt auszuräumen. Unter anderem hatten sie kritisiert, dass es fußläufig keine Supermärkte gebe und ältere Besucher des Gartens nun einen weiteren Weg vom Parkhaus haben.

So könnten die Unterkünfte von außen aussehen.
Marius Röer

So könnte die Unterkunft von außen aussehen.

Tatsächlich gibt es im Umkreis von zwei Kilometern mehrere Supermärkte und da nicht der gesamte Parkplatz für die Unterkunft genutzt werden soll, können weiterhin einige Parkplätze erhalten bleiben.

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Eine Karte zeigt deutlich, dass Stadtteile wie Blankenese, Groß Flottbek und Nienstedten bisher noch keine einzige Flüchtlingsunterkunft haben. „Wir kämpfen um jeden Platz. Wenn es möglich ist, würde ich jede Fläche nehmen”, sagt Staatsrätin Lotzkat. 97 bis 98 Prozent der öffentlichen Unterkünfte in Hamburg sind ausgelastet.

Sahar Hesselbarth von der „Bürgerinitiative Hamburg für adäquate Flüchtlingsunterkünfte“.
Marius Röer

Sahar Hesselbarth von der „Bürgerinitiative Hamburg für adäquate Flüchtlingsunterkünfte“.

Hat der Abend die Kritiker überzeugt? „Wir sind weiter gegen die Unterkunft an diesem Ort”, sagt Sahar Hesselbarth (45), Sprecherin der „Bürgerinitiative Hamburg für adäquate Flüchtlingsunterkünfte“. Sie finde es schade, dass die Initiativen an diesem Abend gespalten auseinandergehen. „Ich liebe Flüchtlinge, aber so eine perfekte Unterkunft, wie sie heute vorgestellt wurde, gibt es nicht in der Realität.“ Die Initiative will jetzt einen Verein gründen und hofft, ein Bürger-/ oder auf Landesebene ein Volksbegehren starten zu können.

Auch die Initiative „Flottbek ist bunt” will sich weiter vernetzen. Am Freitag veranstalten sie ab 16 Uhr ein nachbarschaftliches Picknick auf der Fläche vor dem Botanischen Garten.

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