The Smile im Stadtpark: Entrückt tanzen mit Thom Yorke

The Smile im Stadtpark: Entrückt tanzen mit Thom Yorke

Es ist ja kein richtiges Stadtpark-Konzert, wenn man nicht bange gen Himmel blickt und fragt: Wird es schütten oder ist der Wettergott auch offen für experimentellere Musik? So wie die durchweg entspannt wirkenden Menschen, die am Samstagabend mit Regenjacken und -capes im grünen Rund darauf warten, was die Hälfte von Radiohead – Thom Yorke und Johnny Greenwood plus Jazz-Drummer Tom Skinner – live bietet mit ihrem Seitenprojekt The Smile und ja, sicher auch um die Chance zu nutzen, zwei der herausragendsten Musiker der letzten drei Jahrzehnte einmal außerhalb eines Stadions spielen zu sehen.

Um 20.20 Uhr kommen sie auf die Bühne, ganz unprätentiös, Yorke in schwarz mit Lederjacke und weiter Stoffhose, Greenwood, von Weitem kaum älter als 25 Jahre alt, eingemuckelt in einen grauen Hoodie, nur seine Trademark-Haarsträhne lugt hervor, ein bisschen schaut er aus wie 2-D, das gezeichnete Alter Ego von Damon Albarn von The Gorillaz.

Thom Yorke und Johnny Greenwood im Stadtpark: Die Musik ist allein der Star

„Wall of Eyes“, das Titelstück des neuen Albums, eröffnet einen Abend, der auf alle eingeübten Rockmusik-Rituale verzichtet und einen gerade deswegen packt: Kein „Hello, Hamburg, what’s up?“-Gelaber, keine brave Reihum-Vorstellung der Tourmusiker, keine Aufforderung zum Klatschen, die Musik ist allein der Star. Wobei: Irgendwann fängt Thom Yorke doch an, mit dem Publikum zu interagieren, ganz subtil. Er bewegt seine Handflächen zu den stolpernden Schläge des Drummers, wie ein Schmetterling, der aufgeregt ins Licht flattert: weniger, stärker, jetzt wieder sachte – so dirigiert der 55-Jährige behutsam den Applaus.

Mit Thom Yorke (M.) und Gitarrist Jonny Greenwood (r.) stehen 50 Prozent der Radiohead-Besetzung im Stadtpark auf der Bühne.
Fabian Lippke

Mit Thom Yorke (M.) und Gitarrist Jonny Greenwood (r.) stehen 50 Prozent der Radiohead-Besetzung im Stadtpark auf der Bühne.

Roadies reichen ihm ständig neue Gitarren herein, es gibt Pianos, Keyboards, es gibt eine Klarinette, ein Saxofon und einen Geigenbogen, mit dem Johnny Greenwood seine Gitarre bearbeitet. „Look at all the pretty lights“, singt Yorke, während hinter ihm rote und lilafarbene Lichter funkeln, eine Kamera fokussiert jedes Bandmitglied, nur Greenwood lässt sich nicht ins Gesicht filmen. Der durchschnittliche 20-Jährige wird das Jazz-Gejammer, die detailverliebten Frickeleien, das musikalische Mäandern nicht verstehen, die deutlich ältere Crowd im Stadtpark tut es. Und schaut Thom Yorke zu, wie er anfängt zu tanzen und dabei sehr befreit wirkt. Zum Glück brüllt niemand „Karma Police!“ herein.

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Vielleicht, so schreibt ein Fan auf der Instaseite von The Smile, muss man sich langsam mit dem Gedanken anfreunden, dass Radiohead gerade nicht das Erste ist, was Thom Yorke und Johnny Greenwood einfällt, wenn man sie nach neuer Musik fragt. Und dass dieser Gedanke gar nicht mal so beängstigend sein muss. „We don’t know what tomorrow brings“ singt Yorke im Stadtpark in die Dämmerung hinein. Eigentlich doch ein Glück.

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