Traumhafte Miete: Diese Kiez-Siedlung ist eine Oase zwischen Dealern und Touris

Traumhafte Miete: Diese Kiez-Siedlung ist eine Oase zwischen Dealern und Touris

Ein Leben zwischen Fischmarkt-Touristen und Kiez-Dealern: Edeltraut Schwarzkopf (79) wohnt schon ein halbes Jahrhundert in einer kleinen ruhigen Oase inmitten des Trubels. Das in den 70er Jahren als modernes Vorzeigemodell gebaute SAGA-Quartier Hexenberg nördlich der Landungsbrücken feiert 50. Geburtstag. Eine Geschichte von traumhaften Mieten, Sofa-Gesprächen mit dem Innensenator und dem Samba-Zug nach Sylt.

Wenn die 79-Jährige auf ihrem Balkon in der Trommelstraße am Elbhang steht, blickt sie direkt über den Fischmarkt hinweg auf den Hafen und die Kräne der HHLA. Rechts und links ragen die Türme von St. Trinitatis und der St.-Pauli-Kirche aus dem Häusermeer. Schwarzkopf hat eine Wohnung, von der andere nur träumen. Mitten auf dem Kiez, aber trotzdem ruhig und zu einer traumhaften Miete.

Miete am Hexenberg auf dem Kiez: Heute 713 Euro warm

„Im Jahr, als die Häuser am Hexenberg bezogen wurden, da haben wir Silvester unten einfach die Haustür abgeschlossen, dafür waren alle Wohnungstüren offen und die neuen Nachbarn haben gemeinsam so richtig gefeiert.“ Edeltraut Schwarzkopf erinnert sich so gern an die Zeit ab 1974 in diesem Vorzeige-Quartier der SAGA.

Edeltraut Schwarzkopf sitzt auf ihrem Sofa und guckt alte Unterlagen an.
Bettina Blumenthal

Edeltraut Schwarzkopf sitzt auf ihrem Sofa und guckt alte Unterlagen an.

Davor hatte sie mit Mann und Sohn ein paar Straßen weiter gewohnt, „da hatten wir noch Ofenheizung und mussten ständig Asche runterbringen und abends nach der Arbeit erst mal Holz holen und einheizen, damit es warm wird“, erzählt sie. „Und an den Fenstern wuchsen die Eisblumen, weil sie so undicht waren.“

St. Pauli und Altona: Noch Holzheizung und Eis am Fenster

Und dann auf einmal bekamen sie den Zuschlag für eine der modernsten Wohnanlagen, die die SAGA zu der Zeit gebaut hat. „Plötzlich hatten wir Deckenlicht, Zentralheizung, ein Bad und auch noch Telefon.“ Ganz zu schweigen von den mehrfach verglasten Fenstern, „nie wieder Eisblumen“. 450 SAGA-Wohnungen in mehreren Gebäuden entstanden zwischen 1971-74 am Hexenberg westlich der Straße Pepermölenbek.

Das Wohnquartier Hexenberg der SAGA mit einer Drohne fotografiert. Hinter den Häusern ist der Hafen zu sehen.
Thorsten Ahlf

Das Wohnquartier Hexenberg der SAGA mit einer Drohne fotografiert. Hinter den Häusern ist der Hafen zu sehen.

Dass sie eine davon ergattern konnte, darüber freut sich Schwarzkopf noch heute. „320 Mark und 25 Pfennig Miete haben wir damals bezahlt.“ Für 70 Quadratmeter im dritten Stock mit Südbalkon am Elbhang! Weil sie und ihr Mann damals schon zu viel für eine Sozialwohnung verdienten, mussten sie monatlich 200 Mark sogenannte Fehlbelegungsabgabe drauflegen. Mittlerweile ist der Hexenberg aus der Mietpreisbindung gefallen. Weil sie einen so alten Mietvertrag hat, wohnt Schwarzkopf aber noch heute für eine traumhaft günstige Miete, sie liegt bei 713 Euro warm.

Hexenberg: SAGA ließ Wohnungen für 20 Millionen sanieren

Dass die Wohnungen mittlerweile 50 Jahre alt sind, das sieht man den Gebäuden nicht an. Schöne Häuser, tadellose Balkone und ein sehr gepflegter Innenhof. Denn die SAGA hat die ganze Anlage 2017 für 20 Millionen Euro umfassend saniert und die Fassaden gedämmt. „Früher wurde das hier augenzwinkernd ,Chinesen-Viertel‘ genannt, weil die Gebäude alle gelb waren“, sagt sie. Nach der Sanierung sind die Klinker hell und modern.

Doch die Zeiten waren nicht nur schön am Hexenberg, „von dem übrigens niemand weiß, warum der so heißt“, in den 90er Jahren änderte sich plötzlich das Klima. Im Quartier und in den Häusern. „Plötzlich zogen hier Menschen ein, die sich um nichts geschert haben, die Anlage verkam immer mehr.“ Im Innenhof häufte sich der Müll und von ihrem Balkon aus konnte Schwarzkopf beobachten, wie die Dealer vom Kiez ihre Drogen in den runden Blumenkübeln im Innenhof des Wohnblocks versteckten.

So sahen die Gebäude am Hexenberg aus, bevor abgerissen und neu gebaut wurde.
SAGA

So sahen die Gebäude am Hexenberg aus, bevor abgerissen und neu gebaut wurde.

Und dann die ganzen Kiez-Touristen auf einmal, die abends einfielen oder morgens zum Fischmarkt wollten. „Die parkten hier alles zu, warfen ihren Müll aus den Autos und liefen mitten in der Nacht grölend und mit lauter Musik durch die Straßen.“ Und wenn jemand mal musste, wurde in die Rabatten uriniert und gekotet. Das ließ sich die echte Hamburger Deern, die 1944 in St. Georg zur Welt gekommen ist, nicht mit sich machen. Sie gründete mit Nachbarn eine Mieterinitiative und hat das Quartier „gerockt“, als es abzurutschen drohte. Sie kaufte sich sogar einen Baseballschläger, nur für den Notfall.

Hier sind die Gebäude des Hexenberg im Bau, etwa um 1973 herum.
Saga Copy

Hier sind die Gebäude des Hexenberg im Bau, etwa um 1973 herum.

Wenn Edeltraut Schwarzkopf es sich heute in ihrer Dreizimmer-Wohnung auf dem Sofa gemütlich macht, erzählt sie auch gern, wer da alles Platz genommen hat, als sie ihr Viertel in den 90ern retten musste. Senatoren, Bundestagsabgeordnete und spätere Bundeskanzler. Als erstes sprang ihr Ties Rabe zur Seite, späterer Bildungssenator und damals noch Journalist in Altona. Er schrieb die ersten Artikel über die Misere am Hexenberg.

Und danach nahm in ihrem Wohnzimmer immer wieder Innensenator Hartmut Wrocklage Platz, um bei Kaffee und Kuchen zu beraten, wie man dem Viertel helfen könne. Seitdem hat der Hexenberg eine Durchfahrtsschranke, die von den Beamten der Davidwache jeden Sonntag runtergelassen wird, damit die Anwohner Ruhe vor den Fischmarkt-Touristen haben. Auch Olaf Scholz und Ole von Beust saßen später noch auf ihrem Sofa, Edeltraut hatte sie alle.

Im Samba-Wagen nach Sylt: Schwarzkopfs Erinnerung

Denn sie und ihre Mitstreiter kämpften dann auch um Räume für die Jugendlichen aus dem Quartier. Und auch das schafften sie, am Pinnasberg 39 öffnete der Jugendtreff für rund 35 Jungen und Mädchen. „Finanziert haben wir das durch jährliche Hoffeste. Da war richtig was los.“ Und stolz ist sie noch immer darauf, dass sie auch die Jungs aller 17 vertretenen Nationen dazu gebracht hat, dort die Toiletten und Treppenhäuser in Eigenregie zu reinigen.

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Heute lässt Schwarzkopf es ruhiger angehen, die Gesundheit spielt nicht mehr so mit. Sie ist auf einen Rollator angewiesen, ohne Fahrstuhl hätte sie ausziehen müssen. Früher war sie so fix auf den Beinen, eine ihrer schönsten Berufserinnerungen bei der Deutschen Bahn – wo sie jahrzentelang in verschiedenen Bereichen gearbeitet hat – sind die ersten Jahre im Service hinterm Tresen, wenn der Samba-Wagen nach Sylt fuhr. „Morgens saßen die Leute blass und müde im Zug, abends dann krebsrot zurück und dann legte der DJ auf und es wurde gefeiert.“

Richtig lassen kann Edeltraut Schwarzkopf das Kümmern aber noch immer nicht. Wenn heute mal was im Umfeld schief läuft, dann ruft sie das PK 21 (Mörkenstraße, bekannt aus „Notruf Hafenkante“) an, „da kennt man mich und dann kümmern die sich und dann läuft das.“

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