Travis im Docks: Herbe Kritik an Taylor Swift – und Tränen auf der Bühne

RMAG news

Für viele wird der Konzertsommer 2024 in erster Linie mit Großveranstaltungen von Taylor Swift, Adele oder Coldplay in Erinnerung bleiben. Die schottische Band Travis betrachtet das mit Sorge und richtet bei ihrem Konzert am Donnerstag im Docks eindringliche Worte an das Publikum. Ansonsten war ihre langersehnte Bühnenrückkehr ein Fest der Harmonie und guten Laune. Und es hat an dem Abend nicht mal mehr geregnet…

Zur Musik der TV-Serie „Cheers“ kommen Travis am Donnerstag auf die Bühne. Der Titel „Where Everybody Knows Your Name“ passt bestens, zumindest für Sänger Fran Healy ist es auch irgendwie ein nach Hause kommen. Viele Jahre hat er mit seiner deutschen Frau in Berlin gelebt, bis sie sich trennten und er nach Los Angeles aufbrach.

Acht Jahre ist es her, dass Travis das letzte Mal auf Deutschland-Tour waren. Vergessen hat man sie und ihren melancholischen Britpop nicht: Das Docks ist fast ausverkauft.

Travis live in Hamburg: Docks nicht ausverkauft

Wegen ihres wattierten Gitarrensounds wurden die Schotten in den 2000ern von der Musikpresse gerne mit Bands wie Coldplay in die Kategorie „Weichspüler“ einsortiert. Jetzt, wo die Welt von Krisen erschüttert ist, ist der warme Klang ihrer Lieder wie eine innige Umarmung. Kindness ist die neue Coolness!

Ein Gefühl der Vertrautheit stellt sich schon ab dem ersten Song „Bus“ ein, obwohl es vom neuen Album „L.A. Times“ stammt. Die Band, die seit ihrer Gründung 1990 in Originalbesetzung spielt, sieht aus wie immer und klingt sogar noch besser.

Hamburg-Konzert: Travis klingen besser denn je

Aber Healy hat sich verändert, innerlich wie äußerlich. Nach rein optischen Kriterien fristete er im Popzirkus bisher ein relativ unscheinbares Dasein. Daran hat er gearbeitet: Feuerrote Haare und eine schwarze markante Brille zieren nun sein Antlitz. Die Bühne mutet derweil spartanisch-bescheiden an, nicht mal einen Bandlogo-Vorhang gönnen sich Travis.

„How are you all, wie geht’s?“, begrüßt Healy nach dem federleichten Song „Driftwood“ das Publikum und bleibt damit in Sachen Deutschkenntnisse hinter seinen Möglichkeiten. Travis spielen „Love Will Come Through“ von 2003 – schön.

Travis: Große Acts wie Taylor Swift saugen Geld von kleinen Bands ab

Dann gibt Healy ein eindringliches Statement ab. „Bevor wir weitermachen, möchte ich gerne etwas ansprechen. Es ist eine Sache, Musik herunterzuladen oder sie zu streamen – danke dafür. Aber das Wichtigste überhaupt ist, ein Ticket für eine Show zu kaufen. Speziell für diese Größe von Shows und kleinere Shows“, verkündet er. „Wir leben in einer Zeit von Taylor Swift und diesen massiven, gigantischen Shows. Sie saugen all das Geld von den kleineren ab. Das ist vergleichbar mit Amazon oder Walmart.“

Die kleineren Shows würden darunter leiden. Indem man ein Ticket kaufe, halte man auch diese Musik am Leben. „Das hier ist eine komplett andere Erfahrung, dies ist ein Gig. Das andere ist etwas anderes. Ein bisschen wie früher David Copperfield oder so. Also vielen Dank, dass ihr heute Abend gekommen seid.“

Travis live im Docks: Britpop-Nostalgie

Großen zustimmenden Jubel erntet Healy für diese aufrichtigen Worte über die Kulturkrise. Die Stimmung drückt das nicht, alle Hände gehen in die Luft, und „Alive“ wird zur kollektiven Singalong-Nummer.

Viele Leute würden annehmen, ihr Erfolgsalbum „The Man Who“ von 1999 sei ihr Debüt gewesen, meint Healy. „Aber das stimmt nicht.“ Weshalb Travis drei Songs von ihrem ersten Album „Good Feeling“ zum Besten geben, darunter auch den Titelsong, „für alle, die uns über die komplette Zeit gefolgt sind.“

Travis: Erste Deutschland-Tour seit acht Jahren

Ein bisschen Salonmusik am Piano, ein paar lautere Gitarrenklänge. So langsam wird es schwitzig in der Halle an diesem warmen Sommerabend. Healy teilt seinen Ventilator mit der ersten Reihe. „Ich drehe den einfach alle 15 Minuten um, okay?“, sagt er.

Ihr Lied „Writing To Reach You“, das ob des 90er-Gitarrensounds eh schon Nostalgie aus Britpopzeiten verströmt, pimpen Travis auf mit „Wonderwall“ von Oasis, um dann wieder zum eigenen Song zurückzukehren. „Ich gebe zu, den Refrain hab ich gestohlen“, witzelt Healy danach.

Travis bauen „Wonderwall“ von Oasis in eigenen Song ein

Vor ihrem Mitsing-Hit „(The Gras Is Always Greener On The Other) Side“ richtig er ein paar Worte über die derzeitigen Kriege an die Zuschauer, die vermutlich trösten sollen. Inhaltlich klingt das ungefähr so: Alles vergeht, so war es immer in der Geschichte, es dauert nur sehr lange.

Das könnte Sie auch interessieren: Justin Timberlake in Hamburg: Mr. „SexyBack“ ist zurück – aber sowas von!

Dann rühren Travis gar zu Tränen. „Jeder von uns hat vermutlich eine Person in ihrem Leben, die einen mehr liebt als jede andere. Das können die Eltern sein, Oma oder Opa. Egal, ob sie noch leben oder nicht: Holt sie für den nächsten Song im Kopf zu euch, bringt sie hier in diesen Raum.“ Travis spielen „Closer“ und so manchem kullert dabei das Wasser aus den Augen.

Als Zugaben gibt es „Flowers In The Window“, eine Coverversion von „Somewhere In My Heart“ von Aztec Camera und den Travis-Klassiker „Why Does It Always Rain On Me?“. Ein Abend wie Balsam für die Seele.

Travis im Docks: Herbe Kritik an Taylor Swift – und Tränen auf der Bühne wurde gefunden bei mopo.de

Please follow and like us:
Pin Share