Von der Natur verschlungen: Das sind Hamburgs verlassene Fußballplätze

Von der Natur verschlungen: Das sind Hamburgs verlassene Fußballplätze

Lost Places, also verlorene Orte, ziehen seit jeher Menschen in ihren Bann. Das ist mit verlassenen Sportplätzen oder gar Stadien nicht anders. In Hamburg müssen Fans dieser Lost Grounds heutzutage aber schon sehr genau schauen, wo sich die Natur den Fußballplatz zurückholt. Die MOPO war in Hamburg und Umgebung unterwegs und hat die wenigen Lost Grounds besucht – mit durchaus bewegenden Momenten.

Die Pforte am Stadioneingang ist einen Spalt weit geöffnet, verrostet. Sie knatscht. Dahinter führt eine steile Treppe ein paar Meter hinauf, von Moos überzogen, an einem alten Kassenhäuschen aus hellem Backstein, das von Graffiti geziert ist, vorbei. Aus jeder Ecke sprießen Pflanzen. Kleine Bäume sind hier jetzt heimisch, wo einst bis zu 3000 Zuschauer die Treppen hinaufstiegen.

Sportplatz Sachsenwald in Wentdorf ist nur noch Natur

Die Anlage der Sportschule Sachsenwald in Wentorf, ein paar Kilometer östlich von Hamburg, war einst ein beliebtes Ziel für Trainingslager von Fußballmannschaften, auch Spitzensportler kamen hierher. 2007 wurde die Sportschule geschlossen, zehn Jahre später verkauft. Auch die TSG Bergedorf war hier bis 2009 beheimatet, ehe sie ins Billtalstadion umzog. Jetzt ist der Ort verlassen. Das Hauptgebäude wirkt so mitten im Wald wie die Szenerie eines Horrorfilms.


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Ein Platz ist von einer gleichmäßigen, knapp einem halben Meter hohen Grasdecke überzogen. Die Tore stehen noch an ihrem angestammten Ort. Dass hier nicht nur Fußball gespielt wurde, darauf deuten eine verwilderte Sprunggrube mit Sand und eine Betonfläche für Kugelstoßer hin. Anders als die anderen Felder wurde der Platz mit Laufbahn etwas länger genutzt. Das Gymnasium Wentorf ließ hier Sportunterricht stattfinden. Die nun ebenfalls zugewachsene Laufbahn, die von Pflanzen überzogene Steintraverse und die verrosteten Geländer entlang des Platzes zeigen aber: Die Natur holt sich diesen Ort zurück.

Viel weiter fortgeschritten ist der Renaturalisierung der Nebenplätze. Auf dem kleinsten Platz etwas oberhalb der anderen beiden wächst bereits ein kleiner Wald. Auch hier stehen Tore und Fangzäune noch, aber der Platz ist aufgrund der natürlichen Aufforstung nur noch zu erahnen.

TSG Bergedorf nutzte einst das Gelände in Wentdorf

Fußball-Romantiker kommen vor allem beim kleinen Stadion auf ihre Kosten. Ein paar Treppen hinab geht es durch ein verrottetes Tor. Nebenan hört man die Geräusche von Tennisspielern, die im totalen Kontrast zum verwilderten alten Fußballrasen auf ihren gepflegten Sandplätzen gegen Filzbälle schlagen.

Der Platz bietet noch eine alte Zuschauerbank aus Plastik, die sich das gesamte Feld entlang zieht. Hinter der ersten Reihe türmen sich mehrere Stufen Steintraverse auf. Bei der Hälfte des Platzes, vermutlich auf Höhe der früheren Mittellinie, steht ein kleines Holzhäuschen, in dem vor einiger Zeit mal der Stadionsprecher die Ansagen machte. Alte Lautsprecher sind zu sehen, sogar eine Glasscheibe ist noch im Fensterrahmen. Den Weg hinein bahnt man sich durch zwei große Äste eines Baumes.

Wentorf: Auf dem alten Gelände der TSG Bergedorf deutet die Kabine des Stadionsprechers auf lebhaftere Fußball-Zeiten hin.
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Wentorf: Auf dem alten Gelände der TSG Bergedorf deutet die Kabine des Stadionsprechers auf lebhaftere Fußball-Zeiten hin.

Beim Blick aus dem Häuschen heraus laufen Bilder vor dem geistigen Auge. Im Ohr ertönt die Stimme des Stadionsprechers, vor den Augen kämpfen zwei Teams um einen Ball. Es wird gepöbelt. Der Schiedsrichter pfeift. So könnte es gewesen sein.

Einmal blinzeln, zweimal. Und dann ist da wieder das hohe Gras, mehr als einen Meter über dem weichen Boden. Kleine Bäume und andere Gehölze haben sich hier nun längst Platz verschafft. Irgendwie ein magischer Ort, der, ohne sie genau zu kennen, eine bewegende Geschichte erzählt.

Lost Ground in Hamburg-Farmsen gehörte dem Post SV

Dem steht der nächste in nichts nach. Hamburg-Farmsen. Und auch hier liegt ein großes Gelände brach, auf dem einst Fußball gespielt wurde. Der Post SV war hier in der Straße Neusurenland beheimatet, ehe er 2013 Insolvenz anmelden musste. Ursprünglich sollten hier bis zu 600 neue Genossenschaftswohnungen entstehen. Doch der Boden unter den ehemaligen Sportplätzen (war bis in die 1960er eine alte Tongrube) ist verseucht. Eine Sanierung ist zu teuer. Gut möglich, dass sogar bald wieder der Ball rollt.

Neusurenland: Die beiden Rasenplätze in Farmsen hat sich die Natur zurückgeholt. Hier spielte einst der Post SV um Punkte.
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Neusurenland: Die beiden Rasenplätze in Farmsen hat sich die Natur zurückgeholt. Hier spielte einst der Post SV um Punkte.

Zwei Rasenplätze lagen hier einst dicht an dicht, ein Grandplatz an deren Rückfront. Jetzt sind die Tore, eine von Gebüsch umschlungene Werbebande und die Geländer zwischen den Feldern die letzten Relikte einer anderen Zeit.

Neusurenland: Die Tore sind hier in der Natur kaum noch erkennbar.
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Neusurenland: Die Tore sind hier in der Natur kaum noch erkennbar.

Auffällig: Hier hängen noch Netze in den Toren, nicht in ihrer Gänze, aber erkennbar. Durch ein Tor schlängelt sich ein Baum. Ein anderes Tor ist nur noch in seiner Kontur zu erahnen. Es wurde bereits vom üppigen Grün verschlungen. Der Platz war bekannt für sein seltenes Gefälle. Hier bremste der Ball gerne mal, wenn er gen Eckfahne rollte, weil diese schlicht etwas höher lag als der restliche Platz.

SC Sperber will seinen Lost Ground wieder benutzen

Ein Phänomen, was Fußballer auch vom dritten Lost Ground der MOPO-Tour kennen. Auch beim SC Sperber war nicht jeder Teil des Rasens auf einem Niveau. Im Vergleich zu den vorigen Stationen ist der Sportplatz am Heubergredder in Hamburg-Alsterdorf aber noch gar nicht so „lost“. Hier soll nämlich demnächst gebaut werden und eine moderne Kunstrasen-Sportanlage entstehen.

Alsterdorf: Das Stadion des SC Sperber am Heubergredder bekommt einen neuen Kunstrasen, die Tribüne soll bleiben.
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Alsterdorf: Das Stadion des SC Sperber am Heubergredder bekommt einen neuen Kunstrasen, die Tribüne soll bleiben.

Dass die Natur nicht lange wartet, bis sie sich ausbreitet, ist aber auch erkennbar. 2021 fand hier das letzte Spiel statt. Die urige Tribüne scheint noch gut in Schuss, auch wenn sich Gebüsch, Gräser und Moos langsam den Weg durch die Sitzreihen bahnen. Auch das Gras hat eine Höhe erreicht, dass hier Tiere ungestört leben könnten. Wer sich das Lost-Ground-Flair mitten in der Stadt nicht entgehen lassen will, muss sich aber beeilen. Der Baustart soll noch dieses Jahr erfolgen.

Dass die Natur nicht nur verlassene Rasenplätze verschlingen kann, zeigt sich an der vierten Station der Lost-Grounds-Tour. Im ruhigen Teil Bramfelds wurde ein alter Grandplatz sich selbst überlassen. Am Stühm-Süd heißt die Sportanlage und wurde vor wenigen Jahren unter anderem noch vom TSC Wellingsbüttel genutzt. Noch in diesem Jahr soll das Grundstück vergeben werden und über 100 Wohneinheiten entstehen.

Platz in Hamburg-Bramfeld erst seit Kurzem verlassen

Durch ein altes Drehkreuz geht es auf die Anlage. Auf der rechten Seite steht noch das Kabinenhäuschen, von Graffiti überzogen. HSV- und St. Pauli-Fans haben sich hier auf dem alten Mauerwerk mehrfach verewigt.

Bramfeld: Am Stühm-Süd liegt ein verlassener Grandplatz mit Kabinentrakt. Hier sollen Wohnungen entstehen.
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Bramfeld: Am Stühm-Süd liegt ein verlassener Grandplatz mit Kabinentrakt. Hier sollen Wohnungen entstehen.

Hinter dem Häuschen mit Platzwartraum und Toiletten ragt der erste Flutlichtmast aus Holz hervor. Dieses Fußballfeld scheint noch nicht so lange verlassen zu sein. Zwar ist die gesamte Fläche von Gräsern und Wildblumen überzogen, aber noch nicht in dem Ausmaß wie die Sportplätze in Wentorf und Farmsen. Pfosten und Latte der beiden Tore sind noch verhältnismäßig weiß, der Wuchs der Gräser auf Kniehöhe. Eines der beiden Tore scheint derweil eine Art Treffpunkt zu sein, zumindest deuten Müll und eine Kiste, zwischen der und der Latte ein Sonnensegel angebracht wurde, daraufhin.

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Aber: Irgendwann wird auch dieser Fußballplatz vollends vergessen sein und Wohnhäuser das Bild prägen. So wie unter anderem auch im Stadion Marienthal in der Oktaviostraße. Bis vor wenigen Jahren der bekannteste Lost Ground der Stadt – heute renaturalisiert, bebaut und als Gartenfläche genutzt. Nostalgie entsteht hier nur noch durch Erinnerungen.

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