Wer hat überzeugt? Wer fällt ab? Wer soll kommen? So steht der HSV vor dem Start da

Wer hat überzeugt? Wer fällt ab? Wer soll kommen? So steht der HSV vor dem Start da

Durchatmen. Die HSV-Profis, die Österreich als Gewinner oder Verlierer verließen, dürfen, ja müssen nun neue Kraft sammeln. Und Steffen Baumgart kann seine Stimme schonen. Der Trainer hat sich in den Bergen anders präsentiert als in seinen ersten HSV-Monaten, und die einstudierten Inhalte dienen als deutliche Hinweise darauf, wie er künftig spielen lassen will. Der HSV scheint sieben Tage vor dem Saisonstart eine neue Stärke und Hoffnungsträger zu haben, war nach der Abreise definitiv weiter als bei Ankunft – aber wie weit wirklich?

Am Mittwochvormittag, als die neunte und allerletzte Einheit auf dem Trainingsgelände der TSU Bramberg schon fast eine Stunde alt war, schien der Moment gekommen. Das erste, stinknormale Abschlussspiel mit zwei Teams auf zwei Tore! Denkste. Wieder ging es um den Spielaufbau in einer Dreierkette. Wieder ums aggressive Anlaufen mit zwei Mittelstürmern in vorderster Front, ums Erkennen des sogenannten „Pressing-Auslösers“ – also des Moments, in dem die Gegenspieler nach einem bestimmten Querpass überfallartig angerannt werden.

HSV setzt auf Dreierketten-Aufbau und hohes Pressing

Es war kaum mitzuzählen, wie oft Baumgart Übungen wie diese im Salzburger Land unterbrach – weil sie fast jeden Tag in fast identischer Form durchgeführt wurden. Und das ganz bewusst. Einerseits hoch und intensiv zu pressen und andererseits variabel aufzubauen, versuchte Baumgart seinen HSV-Profis schon in der Vorsaison einzuimpfen. Jetzt nutzte er die Zeit, um seine Vorstellungen in den Köpfen der Spieler zu manifestieren.

„Bei unserem Aufbauspiel sind wir relativ weit“, sagte Sebastian Schonlau schon zur Halbzeit des Camps. Schienenspieler auf den Außen, einrückende Rechtsverteidiger und/oder zwei Sechser bei Ballbesitz – so lautet die Kurzform. Klingt komplex. Spricht jedoch für Flexibilität, die den HSV nach vorne bringt. Fortschritt.

Wie anders wird das HSV-Spiel noch mit Glatzel und Selke?

Es gibt aber auch Tritte auf der Stelle. „Wir wissen auch im Anlaufen, was wir vorhaben – aber wir müssen es noch mehr reinkriegen“, räumte Schonlau ein. Und was erschwerend hinzu kommt: Robert Glatzel und Davie Selke, die beim Pressing entscheidende Rollen einnehmen werden, vermutlich oft als Duo, haben noch keinmal miteinander gespielt. Der HSV hatte vor dem 0:0 gegen Aris Limassol am Abreistag zwar 26 Tore in den ersten fünf Tests der Vorbereitung geschossen, was positiv ist, weil es die Abhängigkeit von den Stürmern reduzieren könnte.

Adam Karabec, hier im Test gegen Aris Limassol um Steve Yago (l.), überzeugt mit feinem linken Fuß.
WITTERS

Adam Karabec, hier im Test gegen Aris Limassol um Steve Yago (l.), überzeugt mit feinem linken Fuß.

Am Donnerstag aber, als Glatzel und Selke beide erneut nicht im Testspiel-Kader standen, ging dem HSV gegen den Klub aus Zypern die Gefährlichkeit nach vorne hin wie schon gegen Cardiff City (0:3) spürbar ab. „Es ist nicht ideal, dass die beiden fehlen“, gab Schonlau zu. Und rein offensive Spielzüge wurden in Bramberg zuvor kaum trainiert – womöglich, weil Glatzel und Selke, die beiden Zielspieler auch bei Flanken, noch nicht fit waren. Den schon angepassten Stil auch noch auf die zwei Torjäger zuzuschneiden, wird Aufgabe für die nächsten Wochen sein.

Die Standards könnten beim HSV zur neuen Stärke werden

Bereits positiv ist die Ausbeute nach Ecken; der HSV scheint dank der Einfälle von Assistent Merlin Polzin sogar eine neue Stärke bei Standards gefunden zu haben, was auch am detaillierten Einstudieren liegt. Neben Miro Muheim hat der HSV in Adam Karabaec einen exzellenten Freistoß-Schützen dazubekommen, der Tscheche überzeugt mit feinem linken Füßchen. Und bei Daniel Elfadli kann man meinen, er spiele schon seit drei Jahren in diesem Team, so sehr war er in den Tests ein Dreh- und Angelpunkt.

Dennis Hadzikadunic agiert neben Abwehrchef Schonlau bislang sehr stabil, Jean-Luc Dompé ist trotz Erschöpfung am Ende des Camps sowieso ein Gewinner der Vorbereitung. Zudem haben die Talente Luis Seifert, Bilal Yalcinkaya und Fabio Baldé mit Trainingseifer und auffälligen Test-Leistungen auf sich aufmerksam gemacht. Immanuel Pherai weiß, dass seine Performance in seinem ersten HSV-Jahr zu oft nur unterdurchschnittlich war. Diese Erkenntnis macht Hoffnung, dass er allmählich in die XL-Fußstapfen von László Bénes treten könnte. Bei Bakery Jatta, Ransford Königsdörffer und András Németh war in den zehn Österreich-Tagen – im Vergleich zu den Eindrücken aus der Rückrunde – wenig Weiterentwicklung auszumachen. Und auch Jonas David zählte zu den blasseren Profis.

Mikelbrencis als Gewinner – kriegt Öztunali eine Chance?

Ob einer der anderen Wackel-Kandidaten noch mal Fuß fasst, ist derweil noch offen. Sportvorstand Stefan Kuntz und Sportdirektor Claus Costa haben sich das Trainingslager noch gegeben, um Eindrücke zu sammeln – und um jetzt zeitnah zu entscheiden, wer gehen soll. William Mikelbrencis wusste in den Einheiten tatsächlich zu gefallen, dieses Bild gab es jedoch schon vergangenes Jahr im Österreich-Camp – bevor der Franzose es nicht bestätigen konnte. Moritz Heyer gehörte, in den Testspielen im Mittelfeld aufgeboten, ebenfalls zu den Positiverscheinungen; im Pflichtspiel-Betrieb wurden dem Allrounder in der Vergangenheit indes oft die Grenzen aufgezeigt. 

WochenMOPO vom 26. Juli 2024
MOPO

Die WochenMOPO – jeden Freitag neu und überall, wo es Zeitungen gibt!
Diese Woche u.a. mit diesen Themen:
– Hamburgs Olympiatraum war so gut wie tot – nun lebt er wieder auf
– Das IZH in der Blauen Moschee wurde von Innenministerin Nancy Faeser verboten. Was wird nun aus dem Gebäude?
– Der Sommerdom startet – und die MOPO verlost wie immer Gutscheine an Leser:innen
– 20 Seiten Sport: Trainingslager-Bilanz des HSV, Interview mit Ex-St. Pauli-Trainer Fabian Hürzeler, Medaillen-Prognose für Olympia
– 24 Seiten Plan7: Sightseeing – Hamburg-Tipps, die nicht jeder kennt und mehr

An ebendiese stößt auch Levin Öztunali weiter. Fehlender Einsatz oder Wille sind ihm nicht vorzuwerfen, auch Kommandos entfuhren dem sonst eher stillen 28-Jährigen in Österreich regelmäßig. Statt an Toren beteiligt zu sein, haftet ihm aber noch immer der Status eines Glücklosen an. Und Zweifel daran, ob sich das mit dem Liga-Start ändert, sind angebracht. Apropos Auftakt: Womöglich wird in Köln sogar der sich mit einem Abschied befassende Daniel Heuer Fernandes im Kasten stehen, weil Matheo Raab im Camp erst krank war, dann aufs Steißbein stürzte und deshalb keinen Testkick bestreiten konnte. Von Stabilität im Tor scheint der HSV jedenfalls noch etwas entfernt.

Offene Fragen auf der Rechtsverteidiger-Position des HSV

Und wer wird rechts hinten verteidigen? Der 20-jährige Nicolas Oliveira ist ein Startelf- und der 26-jährige Schweizer Silvan Hefti von Genua CFC parallel ein Transfer-Kandidat – allerdings nur einer von mehreren. Klar ist aber, dass Baumgart noch einen neuen Rechtsverteidiger bekommen wird. „Ich bin mit dem, was da ist, zufrieden, und arbeite gerne damit“, gibt sich der Coach entspannt. Das passt zu seiner Gemütslage in Österreich. Baumgart pfiff seine Profis auch mal zusammen, wenn ihm das Aufwärmen zu lasch war.

Inzwischen jedoch wissen die Spieler die Tonalität einzuordnen. Und nach außen hin präsentierte sich der 52-Jährige etwas lockerer. Das freilich kann in Köln wieder anders aussehen. Noch aber hat Baumgart sieben Tage, um Details einüben zu lassen, um sich, seine Stimme und den HSV vorzubereiten auf den brisanten Start. Und, um durchzuatmen.

Wer hat überzeugt? Wer fällt ab? Wer soll kommen? So steht der HSV vor dem Start da wurde gefunden bei mopo.de

Please follow and like us:
Pin Share