Ziel verpasst, Bosse-Zoff, Jatta und Vuskovic: Das ist die Boldt-Bilanz beim HSV

Ziel verpasst, Bosse-Zoff, Jatta und Vuskovic: Das ist die Boldt-Bilanz beim HSV

Am großen Ziel versuchte er sich vergeblich, genau daran scheiterte Jonas Boldt beim HSV. Nach 1824 Tagen als Vorstand des Vereins wurde der 42-Jährige am vergangenen Dienstag freigestellt. Eine lange Schaffenszeit, in der der Verein zu neuem Zusammenhalt fand und finanziell gesundete, in der er aber auch stets seine sportlichen Vorgaben verpasste und jeder Mitarbeiter, der mit Boldt überkreuz lag, früher oder später seinen Hut nehmen musste. Die MOPO fasst die wichtigsten Momente des Ex-HSV-Bosses chronologisch zusammen.

24. Mai 2019: Der HSV-Aufsichtsrat bestellt Boldt als neuen Sportvorstand. Der 37-Jährige beerbt Ralf Becker, der das Ziel, die direkte Rückkehr in die Bundesliga, verpasste.

August 2019: Der HSV wird von der Causa Jatta überrollt. Springer-Medien werfen dem Gambier vor, unter falscher Identität zu spielen. Boldt wechselt in die Abteilung Attacke, verteidigt seinen Profi und heimst dafür gewaltigen Zuspruch der HSV-Fangemeinde ein.

Boldt stand Bakery Jatta stets zur Seite. Der Gambier bei Instagram: „Danke für alles!“
picture alliance/dpa/Andreas Arnold

Boldt stand Bakery Jatta stets zur Seite. Der Gambier bei Instagram: „Danke für alles!“

Ende März 2020: Boldt und Finanzvorstand Frank Wettstein überwerfen sich mit Vorstands-Boss Bernd Hoffmann und erklären vor dem Aufsichtsrat, dass sie keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit sehen. Am 28. März wird Hoffmann freigestellt.

28. Juni 2020: Nach zahlreichen späten Gegentoren in den Vorwochen verspielt der HSV durch das 1:5 am letzten Spieltag gegen Sandhausen auch die Chance auf die Relegation. Boldts erster verpasster Aufstieg.

Jonas Boldt baute unter Thioune den HSV-Kader radikal um

6. Juli 2020: Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel präsentieren Daniel Thioune als neuen Trainer. Zudem baut der Sportvorstand den Kader radikal um, peilt mit viel Erfahrung den Sprung ins Oberhaus an. Die Routiniers Simon Terodde, Klaus Gjasula und Toni Leistner kommen, etwas später noch Keeper Sven Ulreich.

31. Juli 2020: Boldt bewegt Vereins-Legende Horst Hrubesch dazu, den Posten des Nachwuchs-Direktors anzutreten – und erntet dafür viel Anerkennung.

3. November 2020: Der Aufsichtsrat ist mit Boldts Arbeit zufrieden, verlängert dessen Vertrag vorzeitig bis Ende 2023.

Emotional: Mit dem DFB und den Schiris verstand sich Boldt nicht immer gut.
imago/Oliver Ruhnke

Emotional: Mit dem DFB und den Schiris verstand sich Boldt nicht immer gut.

3. Mai 2021: Boldt traut Thioune nicht mehr zu, den strauchelnden HSV zum Aufstieg zu führen, und entlässt ihn. Hrubesch übernimmt für die letzten drei Spiele. Dennoch: Der HSV verpasst zum zweiten Mal unter Boldt den Sprung nach oben.

Sommer 2021: Alle im Vorsommer geholten Säulenspieler verlassen den HSV wieder, der Versuch ist gescheitert. Boldt verpflichtet Tim Walter als Trainer, holt zudem spielstarke Akteure wie Ludovit Reis oder László Bénes.

Statt Wettstein wird Wüstefeld neuer HSV-Vorstand neben Boldt

Dezember 2021: Boldt und sein Vorstands-Kollege Wettstein harmonieren nicht mehr miteinander. Die Gräben werden immer tiefer, Wettstein wird am 18. Dezember vom Aufsichtsrat freigestellt.

Anfang Januar 2022: Boldt erhält einen neuen Kollegen im Vorstand: Thomas Wüstefeld, zuvor Aufsichtsrat, nimmt die Wettstein-Rolle ein. Und verfolgt sehr schnell den klaren Plan, die Geschäftsstelle stark auszudünnen, um Kosten zu senken.

Frühjahr 2022: Die verunsicherte Belegschaft erfreut sich großer Rückendeckung von Boldt, der sich gegen Wüstefelds Pläne ausspricht. Schon jetzt ist klar: Im Vorstand kämpft jeder seinen eigenen Kampf.

Starke Einheit: Boss Boldt hielt (zu) lange an Trainer Tim Walter fest, am Ende feuerte er ihn doch.
imago/Oliver Ruhnke

Starke Einheit: Boss Boldt hielt (zu) lange an Trainer Tim Walter fest, am Ende feuerte er ihn doch.

10. April 2022: Nach dem 0:1 in Kiel hat der HSV nur noch theoretische Aufstiegschancen. Boldt stellt sich dennoch demonstrativ hinter Trainer Walter.

Mai 2022: Die Gräben zwischen Boldt und Wüstefeld sind längst als unüberbrückbar bekannt. Dazu wird der Finanzvorstand mehr und mehr von beruflichen Eskapaden eingeholt.

Zoff zwischen HSV-Boss Boldt und Mutzel eskaliert

Juni 2022: Nach der knappen Pleite in der Relegation gegen Hertha (1:0/0:2) eskaliert der Streit zwischen Boldt und Mutzel. Der Vorstand wirft seinem Sportdirektor illoyales Gebaren vor und kanzelt ihn öffentlich ab. Mutzel wird degradiert, darf nur noch Transfers abwickeln, die für den anstehenden Sommer ohnehin geplant waren, und soll sich fortan von der Mannschaft fernhalten.

26. Juli 2022: Mutzel, der vor dem Arbeitsgericht gegen seine fristlose Kündigung vorgeht, gewinnt den Prozess gegen den HSV. Für Boldt eine empfindliche Niederlage. Mutzels Vertrag wird im Januar 2023 in gegenseitigem Einverständnis aufgelöst.

29. September 2022: Nach Monaten unliebsamer Schlagzeilen, undurchsichtiger Finanz-Geschäfte und heftiger Kämpfe mit Boldt tritt Wüstefeld als Finanzvorstand zurück.

November 2022: Mario Vuskovic wird wegen des Verdachts auf EPO-Doping die Spielerlaubnis entzogen. Boldt setzt sich vehement für seinen Spieler ein und bleibt dieser Linie stets treu.

Doping-Prozess: Der Vorstand begleitete Mario Vuskovic stets vor Gericht.
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Doping-Prozess: Der Vorstand begleitete Mario Vuskovic stets vor Gericht.

Dezember 2022: Der Sportvorstand erhält einen neuen, bis Mitte 2025 laufenden Vertrag.

Frühjahr 2023: Vuskovic wird nach seinem Doping-Prozess vorm DFB-Sportgericht bis November 2024 gesperrt. Boldt wütet, spricht von „verschwommenen Dopingbildern aus Kreischa“, wo das zuständige Labor beheimatet ist.

28. Mai 2023: Als der HSV mit 1:0 in Sandhausen gewinnt, ist er aufgestiegen – aber nur wenige Minuten lang, bis Heidenheim das Spiel in Regensburg noch dreht. Boldt, nach Abpfiff kreidebleich, hofft: „Es wird schwer, aber wir haben die Chance in der Relegation gegen Stuttgart.“

Boldt demonstriert eine Einheit mit den HSV-Fans

Sommer 2023: Trotz der klaren Pleiten gegen den VfB (0:3, 1:3) präsentiert sich der HSV im Zusammenspiel mit seinen Fans als totale Einheit. Boldt gibt sich stolz, der Aufsichtsrat rechnet ihm diese Entwicklung ebenfalls hoch an. Trotz seines vierten verpassten Aufstieges bleibt Boldt – und hält an Walter fest.

22. Dezember 2023: Trotz wechselhafter Resultate will Boldt mit Walter in die Rückrunde gehen. Im Aufsichtsrat regt sich Widerstand. Im Januar kommt es daraufhin zu einer geheimen Abstimmung zu Boldts Zukunft. Diese soll mit 4:2-Stimmen pro Boldt ausfallen.

17. Januar 2024: HSV-Präsident Marcell Jansen, der im Aufsichtsrat als schärfster Boldt-Kritiker gilt, tritt aus dem Gremium zurück.

12. Februar 2024: Wenige Tage nach dem 3:4 gegen Hannover trennt sich Boldt von Walter. Zunächst übernimmt Assistenzcoach Merlin Polzin, dessen Premiere in Rostock (2:2) misslingt.

Auch mit Steffen Baumgart als Trainer wurde der Aufstieg verpasst.
WITTERS

Auch mit Steffen Baumgart als Trainer wurde der Aufstieg verpasst.

20. Februar 2024: Boldt stellt Steffen Baumgart als Walters Nachfolger vor.

8. März 2024: Nach dem 0:2 in Düsseldorf, Baumgarts zweiter Niederlage im dritten Spiel, stößt es Teilen des Aufsichtsrates übel auf, dass sich Boldt abermals nicht öffentlich und schützend vor Trainer und Mannschaft stellt.

März/April 2024: Boldt, dem einige Räte eine zu späte Trennung von Walter vorwerfen, kämpft in mehreren Interviews um seinen Job und stellt fest: „Ich bin auch in Zukunft der Richtige.“

Fünfter Nicht-Aufstieg: HSV-Rückhalt für Boldt bröckelt

3. Mai 2024: Das 1:0 im Stadtderby gegen St. Pauli wird emotional gefeiert. Boldt hebt erneut den Zusammenhalt hervor, der beim HSV unter ihm entstanden ist. Eine Woche später verspielt der HSV in Paderborn (0:1) erneut den Aufstieg, für Boldt ist es das fünfte Mal.

Anfang/Mitte Mai 2024: Der Aufsichtsrat tauscht sich mit mehreren Kandidaten für eine Boldt-Nachfolge aus.

Ende: Michael Papenfuß ​​​​​​​teilte Boldt das Aus als Sportvorstand persönlich mit.
imago/Oliver Ruhnke

Ende: Michael Papenfuß ​​​​​​​teilte Boldt das Aus als Sportvorstand persönlich mit.

19. Mai 2024: Nach dem abschließenden 4:1 gegen Nürnberg macht Boldt deutlich, dass er auf eine schnelle Entscheidung der Räte hofft. Er ist optimistisch.

21. Mai 2024: Boldt wird entlassen. Stefan Kuntz ist neuer Sportvorstand des HSV.

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