Zoff um Hamburgs Antisemitismus-Beauftragten: Wer wird Nachfolger von Stefan Hensel?

Zoff um Hamburgs Antisemitismus-Beauftragten: Wer wird Nachfolger von Stefan Hensel?

Eine antisemitische Attacke an der Uni, judenfeindliche Parolen – Hamburgs Antisemitismusbeauftragter Stefan Hensel hat aktuell viel zu tun. Ende Juni läuft seine Amtszeit aus. Doch der 44-Jährige, der zugleich auch Beauftragter jüdischen Lebens ist, würde gerne weitermachen. Und genau darum gibt es jetzt Zoff.

Im Januar hatte die für die Besetzung des Postens zuständige Senatorin Katharina Fegebank (Grüne) einen Brief an die beiden jüdischen Gemeinden geschrieben. Darin forderte sie die Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Hamburg sowie der Liberalen Jüdischen Gemeinde, Israelitischer Tempelverband, auf, ihr bis Ende des Monats einen Vorschlag zu unterbreiten.

Hamburg: Liberale Jüdische Gemeinde lehnt Wiederwahl von Stefan Hensel ab

Pikant: Für den Job des Antisemitismusbeauftragten gibt es kein geordnetes Wahlverfahren. Die ehrenamtliche Position wird vom Runden Tisch gegen Antisemitismus für drei Jahre vergeben. Dabei wird den beiden jüdischen Gemeinden ein Vorschlagsrecht eingeräumt. Nur: Die Gemeinden sind sich nicht grün.

2021 hatte man sich auf Stefan Hensel, damals Landesvorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, geeinigt. Für den liberalen Israelitischen Tempelverband kommt das nicht nochmal in Frage.

Eike Steinig ist 2. Vorsitzender der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Hamburg.
Patrick Sun

Eike Steinig ist 2. Vorsitzender der Liberalen Jüdischen Gemeinde in Hamburg.

„Eine Wiederwahl von Herrn Hensel ist für unsere Gemeinde ausgeschlossen“, erklärt Eike Steinig, zweiter Vorsitzender des Tempelverbands, gegenüber der MOPO. Genau das haben er und die Vorsitzende Galina Jarkova bereits im April in einem Brief an den Bürgermeister, Senat und die Bürgerschaft geschrieben.

Darin heißt es, Stefan Hensel habe bei seiner Wahl 2021 „wichtige Informationen vorenthalten“. So habe Hensel verschwiegen, dass er zum Judentum konvertiert sei und, „dass er religionspolitisch nicht neutral ist, sondern sich der Jüdischen Gemeinde in Hamburg zugehörig fühlt“.

Liberale Juden werfen dem Antisemitismusbeauftragten „Befangenheit“ vor

Aus Sicht der Liberalen ist Hensel deshalb nicht für die Position geeignet. Im Gegenteil: Jarkova und Steinig werfen dem Antisemitismusbeauftragten „Befangenheit“ vor. So fühlen sich die Liberalen beispielsweise nicht von Hensel in ihrem Anliegen der Rückerstattung der ehemaligen Synagoge Poolstraße in der Neustadt unterstützt.

Stattdessen betreibe Hensel „Lobbyarbeit“, so heißt es im Brief, für die Jüdische Gemeinde, die sich selbst als „Einheitsgemeinde“ bezeichnet und ihren Plan für den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge. Deren Vorsitzender Philipp Stricharz hatte in der Vergangenheit mehrfach betont, dass es in Hamburg gar keine zwei jüdischen Gemeinden gebe. Nach der Shoah sei die Jüdische Gemeinde Hamburg als „Einheitsgemeinde“ gegründet worden, die jegliche religiösen Strömungen unter einem Dach vereine.

Die Liberalen fühlen sich deshalb missachtet – von der Jüdischen Gemeinde und von Stefan Hensel. „Der Mann hat uns immer ignoriert. Er ist unhaltbar“, schimpft Eike Steinig.

Hamburger Antisemitismusbeauftragter Stefan Hensel: Nachfolge unklar

Die Liberalen schlagen vor, die Aufgaben des Antisemitismusbeauftragten und des Beauftragten Jüdischen Lebens voneinander zu trennen. So wie es in anderen Bundesländern auch der Fall ist und wo der Antisemitismusbeauftragte häufig nichtjüdisch ist. Die Aufgabe der Koordination jüdischen Lebens in Hamburg wiederum soll nach Vorstellung der Liberalen von einem Zweier-Gremium erfüllt werden, in dem beide Gemeinden repräsentiert sind.

Stefan Hensel lehnt das ab. „Die Aufgaben sind miteinander verwoben. Wir müssen das jüdische Leben sichtbarer machen. Aufklärung hilft gegen Antisemitismus.“ Er habe sich drei Jahre lang mit Hingabe dieser Aufgabe gewidmet, so Hensel zur MOPO. Und auch wenn der Job eigentlich ein Vollzeitjob sei, hab er sich nach reiflicher Überlegung dazu entschlossen, weitermachen zu wollen. „Die Welt besser zu machen, ist eine ehrenhafte Tätigkeit“, so Hensel.

Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde: „Juden sollen sich in Hamburg sicher fühlen“

Auch Philipp Stricharz, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, ist für Kontinuität. „Juden sollen sich in Hamburg so sicher fühlen wie jeder andere auch. Herr Hensel genießt in der Gemeinde viel Vertrauen, wir fühlen uns von ihm inhaltlich gut betreut“, so Stricharz zur MOPO. Den Vorwurf der „Befangenheit“ lässt Stricharz nicht gelten: „Herr Hensel ist kein Sprachrohr der Jüdischen Gemeinde. Seine Statements stimmt er nicht mit uns ab.“

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Für den Senat ist der Konflikt ein Problem. Dass es sechs Wochen vor Ablauf der Amtszeit Hensels immer noch keine Entscheidung für die Nachfolge gibt, zeigt, dass hinter den Kulissen Ratlosigkeit herrscht. Die Wissenschaftsbehörde teilte nur knapp mit, dass das Verfahren noch laufe. „Sollte es bis zum 30.6. noch nicht abgeschlossen sein, führt der Amtsinhaber seine Tätigkeiten gemäß Dienstvertrag bis zum Ende des Verfahrens kommissarisch weiter“, so eine Sprecherin.

Klar ist: Um eine solche Hängepartie künftig zu vermeiden, braucht Hamburg dringend ein Gesetz zur Berufung des Antisemitismusbeauftragten. Die Bürgerschaft ist jetzt am Zug.

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