„Kaltschnäuzig abserviert“: Bahn vertreibt Obsthändler – und vermietet Fläche neu

„Kaltschnäuzig abserviert“: Bahn vertreibt Obsthändler – und vermietet Fläche neu

Es war ein herber Schlag für Familie Demirtas: Nach 10 Jahren musste sie ihren etablierten Obst- und Gemüsestand im Bahnhof Altona schließen, trotz juristischer Versuche, das Aus noch abzuwenden, und trotz der Unterstützung von Politiker:innen des Stadtteils. Jetzt gibt die Deutsche Bahn die Fläche wieder zur Vermietung frei. Mit einer merkwürdigen Begründung.

Fast fünf Jahre nach der unfreiwilligen Schließung des Obst- und Gemüsestandes am Bahnhof Altona, wird die Fläche wieder angeboten. Das „Abendblatt“ hatte zunächst darüber berichtet.

„Wir bieten hiermit am Bahnhof Hamburg-Altona eine Standfläche zur Kurzzeitvermietung an“, heißt es in der Anzeige der Deutschen Bahn auf „Immobilienscout24“. Für 2.500 Euro monatlich ist die 20qm große Fläche zu mieten. Der frühere Besitzer ist schließlich weg – allerdings nicht freiwillig.


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„Wegen einer Bank das Leben eines Menschen ruiniert“

Im März 2019 wurde Mehmet Ali Demirtas seine Standfläche in der Empfangshalle des Bahnhofs gekündigt. Knapp 130.000 Menschen sind hier täglich unterwegs. Eine enorme Zahl möglicher Kund:innen. Doch nicht nur für den Inhaber war die Nachricht ein herber Schlag, viele seiner Sympathisant:innen zeigten sich entsetzt. Denn der Obst-und Gemüsestand war für viele Einheimische ein fester Bestandteil ihres Stadtteils.

Mehr als 5100 Unterschriften kamen zusammen, um sich gegen das Vorgehen der Deutschen Bahn zu wehren. Der Bezirksabgeordnete Mithat Çapar (SPD) erinnert sich. Er habe damals in engem Austausch mit dem Standbesitzer gestanden und ihn dazu bewegt die Unterschriften zu sammeln. „Tausende Unterschriften haben wir gesammelt und der Deutschen Bahn gegeben. Hat sie nicht interessiert“, erzählt der Politiker der MOPO. „Wegen einer Bank! Wegen einer Bank habt ihr das Leben eines Menschen ruiniert.“

Damals hieß es von der Deutschen Bahn, dass die Fläche als Sichtachse gebraucht werde. Zusätzlich zu dem Stand von Familie Demirtas standen noch Sitzbänke auf der Fläche. In der Begründung der Kündigung des Obst- und Gemüsestandes bezog sich die Deutsche Bahn auf die Beeinträchtigung der Laufwege und der Sichtachse auf den Fooodcourt.

Sowohl Çapar als auch die Deutsche Bahn berichten, dass der Stand von Demirtas deutlich kleiner war als die jetzt zu vermietende Fläche. Wie das Flächenverhältnis von Stand und Bänken war, ist unklar. Dennoch: Demirtas musste zuerst weichen. Die Bänke zwei Jahre später.

Nichts lief mehr glatt: Wie es mit dem Familienunternehmen weiterging

Auf Nachfrage der MOPO teilte eine Bahnsprecherin mit, dass die Bauarbeiten der Bänke coronabedingt verschoben worden seien. „Nun ist es wieder möglich, den Bereich ohne Sitzbänke als Aktionsfläche zu nutzen“, die Laufwege der Passanten und Fahrgäste seien nicht mehr eingeschränkt. Warum nicht einfach nur die Bänke verschwinden konnten, ist unklar.

Nach der Schließung des Standes, so erzählt Çapar, habe Mehmet Ali Demirtas versucht, ein Restaurant gegenüber von Ikea in Altona aufzumachen. Doch aus dem Neuanfang wurde leider nichts. „Er hat zu mir gesagt, dass nach der Sache (Kündigung durch die DB) nichts mehr glatt gelaufen sei, dass er keinen geraden Weg mehr finden konnte.“

Deutsche Bahn: Kündigung war „alternativlos“

Die Deutsche Bahn teilt der MOPO auf Rückfrage mit, dass man die Enttäuschung und den Ärger des damaligen Mieters verstehen könne, die Kündigung aber zu dem Zeitpunkt „alternativlos“ war. „Wir haben alternative Standorte innerhalb und außerhalb des Bahnhofs geprüft, jedoch standen keine weiteren Mietflächen zur Verfügung.“

Çapar zeigt sich enttäuscht über die Reaktionen der Deutschen Bahn: „Wir haben vieles gemacht, und die haben uns mit einer Kaltschnäuzigkeit und Dreistigkeit abserviert.“ (esk)

„Kaltschnäuzig abserviert“: Bahn vertreibt Obsthändler – und vermietet Fläche neu wurde gefunden bei mopo.de

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