In Fahrradstraßen genießen Räder Vorrang, das sagt ja schon der Name. Auch in Hamburg gibt es rund 50 Stück. Trotzdem hängt dort oft das zusätzliche Schild: Pkw und Motorräder frei. Handelt es sich dann nicht einfach um eine ganz normale Straße? Nicht ganz: Für Radfahrer wie für Autofahrer gelten hier besondere Regeln. Doch vielerorts stößt die Einrichtung von Radstraßen auch auf Widerstand, eine Stadt im Norden schafft einige der Radlerrouten sogar wieder ab. Und geschummelt wurde von Behördenseite bei dem Verkehrskonzept auch häufig – zumindest in der Vergangenheit. Denn jetzt soll alles besser werden.
Auf der Kirchenstraße in Altona-Altstadt läuft seit ein paar Monaten alles anders: Die wichtige Verbindungsstraße nördlich des Hafens wurde im April zu einer Fahrradstraße umgebaut. Das zeigen nicht nur die riesigen roten Markierungen auf dem Boden, sondern auch ein frisch aufgestelltes Schild. Darunter ist allerdings auf einem Zusatzschild zu lesen: Autos und Motorräder frei.
Das müssen Autofahrer über Fahrradstraßen wissen
Für diese Verkehrsmittel gilt in Fahrradstraßen eine Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde. Radfahrer dürfen wiederum ausdrücklich nebeneinander fahren, auch wenn die Autofahrer dadurch hinten anstehen. Beim Überholen ist, wie sonst auch innerorts, ein Mindestabstand von 1,50 Metern zu beachten.
Seit 1997 erlaubt die Straßenverkehrsordnung den Städten, Fahrradstraßen anzuordnen. Die ersten gab es in Hamburg Ende der 90er Jahre im Universitätsviertel, inzwischen sind es um die 50. Die meisten von ihnen können Autofahrer allerdings nach wie vor befahren. Möglich machen das die Zusatzschilder „Kfz frei“ oder „Anlieger frei“. Zu letzteren zählen alle diejenigen, die ein „Anliegen“ haben, also zum Beispiel jemanden dort besuchen wollen.
IMAGO/Steinsiek.ch
Viele Fahrradstraßen können weiterhin von Autos und Motorrädern befahren werden.
„Das kann man praktisch aber nicht kontrollieren“, sagt Jannik Lohaus. Der wissenschaftliche Mitarbeiter forscht zu Mobilität am Institut für Urbanistik (Difu) in Berlin. „Das ist ein bisschen wie ein zahnloser Tiger. Das Ziel einer Fahrradstraße sollte schon sein, den Kfz-Durchgangsverkehr zu minimieren.“
Hannover: Mann klagt gegen eine Fahrradstraße
Dass sich Autofahrer in einer Fahrradstraße den Radfahrern unterordnen müssen, kommt allerdings nicht bei allen gut an. Vor einigen Jahren klagte ein Mann in Hannover, weil eine Fahrradstraße dort aus seiner Sicht viel zu eng war. Doch der Schuss ging für ihn nach hinten los: Das Verwaltungsgericht gab ihm zwar Recht, aber die Fahrradstraße sollte deswegen nicht verschwinden – sondern eben breiter werden. Daraufhin prüfte die Stadt alle anderen circa 20 Fahrradstraßen in der niedersächsischen Hauptstadt und kam zu dem Ergebnis: Da sind ja noch ganz viele andere viel zu eng.
„Die empfohlene Fahrbahnbreite für eine Fahrradstraße ist vier Meter“, sagt Lohaus. „Die Straße darf aber auch nicht zu breit sein, weil Autofahrer sonst eher dazu verleitet werden, die Radfahrer knapp zu überholen. Bei vier Metern ist völlig klar, dass sie nicht vorbeikommen.“
Auch in Hamburg gibt es noch veraltete Fahrradstraßen
Auch in der Hamburger Verkehrsbehörde ist man sich bewusst, dass es noch einige Fahrradstraßen in der Hansestadt gibt, die nicht den heutigen Standards entsprechen. Dazu zählen unter anderem die Straße Rutschbahn in Rotherbaum oder die Nebenfahrbahn der Adenauerallee in St. Georg.
Florian Quandt
Auf der Fahrradstraße Rutschbahn sind hauptsächlich parkende Autos zu erkennen.
„Ein Klassiker ist auch der Harvestehuder Weg“, sagt Dirk Lau vom Hamburger Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club. „Da wurden minimal Schilder aufgestellt und dann war das ’ne Fahrradstraße. Baulich wurde nichts verändert. Nach dem Schema ist die Stadt jahrelang vorgegangen.“
Diesen Eindruck bestätigt auch Lohaus: „In Deutschland war es ein häufig gemachter Fehler, dass man ein Schild mit Fahrradstraße aufgehängt hat und dann der Meinung war, man hätte was für den Radverkehr getan.“ Inzwischen sei der Qualitätsanspruch der Verkehrsbehörde deutlich gestiegen, sagt Lau. Das könne man vor allem bei den neu eröffneten Fahrradstraßen, wie der Kirchenstraße oder der Thadenstraße sehen.
Thadenstraße in Hamburg-Altona ist seit Mai 2022 eine Fahrradstraße
Die Thadenstraße, eine wichtige Verbindung zwischen Altona und St. Pauli, gibt seit Mai 2022 Radfahrern die Vorfahrt. Dafür sind unter anderem auch Parkflächen weggefallen, Autos können seitdem nur noch auf einer Seite der Fahrbahn parken.
Patrick Sun
Die Thadenstraße wurde im Mai 2022 in eine Fahrradstraße umgewandelt. Dafür fielen auf der einen Straßenseite Parkplätze weg.
Eine Maßnahme, die man sich in Hannover wiederum nicht traute: In der Brehmstraße schlug die Verwaltung vor, Parkplätze auf einer Seite zu streichen, damit die Fahrradstraße die empfohlene Breite erreichte. Das lehnte der Bezirksrat mit Stimmen der SPD, CDU und FDP allerdings ab, deshalb wurden die sechs betroffenen Fahrradstraßen im Juni schließlich ganz abgeschafft. Dabei war die Brehmstraße eine der ersten Fahrradstraßen überhaupt in Deutschland.
Die Verteilung im öffentlichen Raum sei immer eine Abwägung, sagte der SPD-Politiker Ole Moszczynski dem „Spiegel“. Man müsse alle Verkehrsteilnehmer im Blick haben. „Hier sind wir zu dem Schluss gekommen, dass eine etwas breitere Fahrbahn keinen so großen Mehrwert für Radfahrer gebracht hätte, aber einen großen Nachteil für die Autofahrer.“ Belit Onay, grüner Oberbürgermeister von Hannover, sieht all das wiederum als Rückschritt. „Es ist bedauerlich, dass im Stadtbezirk Südstadt-Bult der Trend zu einer nachhaltigen Verkehrswende rückwärts läuft.“
Ganz schön eng: Hamburgs Problem mit den Fahrradstraßen wurde gefunden bei mopo.de
