Geldbote greift in Hamburg immer wieder zu – und muss trotzdem nicht in Haft

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Diebstahl in neun Fällen: Ein 31-jähriger Mann stahl als Mitarbeiter eines Hamburger Transportunternehmens rund 20.000 Euro. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt. Dafür, dass der Mann nicht ins Gefängnis muss, sah das Gericht mehrere, ganz unterschiedliche Gründe.

Gleich zu Beginn des Prozesses am Mittwoch im Amtsgericht St. Georg lässt der Angeklagte Ousmane D. seine Erklärung verlesen. Darin heißt es: Ja, er habe rund 20.000 Euro von seinem Arbeitgeber, einem Geldtransportunternehmen, gestohlen. Dies habe er getan, da seine Schwester, die in Guinea lebt, schwer krank sei. Ihre einzige Hoffnung auf ein normales Leben sei eine kostspielige Operation gewesen. Deshalb habe er das Geld gestohlen – für sich selbst habe er keinen Euro verwendet. Der Diebstahl sei der größte Fehler seines Lebens gewesen.

Angeklagter arbeitete als „Notenverteiler“

Der 31-jährige Ousmane D., der seit 2009 in Deutschland lebt, kommt ursprünglich aus Guinea und ist Vater dreier Kinder. Er arbeitete seit Februar 2017 bei der HLS Hamburger Logistik Service GmbH als Notenverteiler. Seine Aufgabe: Wenn die großen Mengen Bargeld von der Bundesbank bei der HLS eintreffen, teilt Ousmane sie in verschiedene „Portionen“ auf, die dann an Kunden wie die Haspa geliefert werden. Pro Tag bearbeitet die HLS mehrere Millionen Euro.

In seiner Funktion als Notenverteiler soll Ousmane D., so lautete die Anklage, rund 80.000 Euro gestohlen haben, verteilt auf 35 Diebstähle in den Jahren 2018 und 2019. Von diesen 35 Fällen konnten am Ende des fast sechsstündigen Prozesses nur neun nachgewiesen werden, also circa 20.000 Euro statt rund 80.000 Euro.

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Zum Diebstahl dieser 20.000 Euro hatte sich Ousmane D. gleich zu Beginn des Prozesses in seiner Erklärung bekannt. Als er am 26. Juni 2019 an seinem Arbeitsplatz beim Diebstahl von rund 3500 Euro auf frischer Tat ertappt wurde, gestand er sofort alles. Er begleitete Polizeiermittler zu seiner Wohnung, wo er ihnen seine Verstecke zeigte: 9000 Euro im Schrank und weitere 4000 Euro unter einem Sofakissen. Zu dieser Summe erbeuteten Bargeldes kommen weitere rund 3500 Euro, die Ousmane D., so sagte er, bereits an seine Familie in Guinea geschickt hatte.

Mindestens fünf weitere Personen kamen als Dieb infrage

Das Videomaterial, das gesichtet worden war, reichte nicht als Beweislast aus, um Ousmane D. die restlichen 26 Fälle zuzuordnen. Auch die Aussage des Abteilungsleiters der HLS konnte das Gericht nicht davon überzeugen, dass es wirklich Ousmane D. war, der das restliche Geld gestohlen hatte.

Der Grund: Ousmane D. ist nur eine von mindestens sechs Personen, die für die HLS Geldlieferungen bearbeiten. Es ist also gut möglich, dass andere ebenfalls zugriffen.

Die Staatsanwaltschaft plädierte neben einer Geldstrafe auch auf eine Haftstrafe von sechs Monaten. Das Urteil beschränkt sich aber auf eine Geldstrafe von 240 Tagessätzen à 30 Euro. Von diesen sind jedoch 80 als bereits erbracht zu betrachten.

4800 Euro Geldstrafe – keine Haft

Somit bleiben 160 Tagessätze à 30 Euro: 4800 Euro muss Ousmane D. zahlen. Die restlichen 80 Tagessätze werden als bereits geleistet betrachtet, weil es eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung gab: Die Akte lag mehr als zwei Jahre, ohne dass sich etwas Konkretes getan hätte, so der Richter.

Der Verzicht auf eine Haftstrafe ist auch auf mehrere mildernde Umstände zurückzuführen: Ousmane D. war nicht vorbestraft und ist auch seit der Anklage vor über fünf Jahren nicht mehr straffällig geworden. Außerdem hat er, als der Diebstahl aufflog, sofort alles zugegeben und die Ermittler bereitwillig zum versteckten Bargeld geführt.

Diebischer Geldbote spricht vom „größten Fehler meines Lebens“

Wenig später zahlte er die gestohlenen 3500 Euro, die er bereits an seine Familie geschickt hatte, an die HLS zurück. Auch die familiäre Notlage, die der Angeklagte als Beweggrund für den Diebstahl angegeben hatte, trug zum Verzicht auf eine Haftstrafe bei.

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„Es war der größte Fehler meines Lebens“, wiederholt Ousmane D. nach dem Urteilsspruch. Er könne seit der Tat seinem Sohn nicht mehr in die Augen sehen. Seine Schwester sei noch immer schwer krank, wie Ousmane D. auf Nachfrage des Richters erzählte. Er werde aber weiterhin nach Möglichkeiten suchen, ihr zu helfen.

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