Grüne Oase vor der Nase: Aber hier sind Oberbillwerder-Bewohner unerwünscht

Grüne Oase vor der Nase: Aber hier sind Oberbillwerder-Bewohner unerwünscht

Eine Düne mit schönem Sandstrand, ein großer See, Heidelandschaften und Moorflächen: Die Boberger Niederung gehört zu Hamburgs vielseitigsten Naturschutzgebieten. Eigentlich ein schönes Ziel für die 18.000 künftigen Bewohner von Oberbillwerder, denn das Gebiet liegt direkt vor ihrer Nase. Das Problem: Sie sind dort unerwünscht und sollen durch kuriose Maßnahmen aktiv ferngehalten werden.

Es klingt im ersten Moment etwas wie ein abwegiger Scherz: Die künftigen Bewohner des 105. Stadtteils werden zwar umgeben von viel Natur wohnen, aber sie sollen in ihrer Freizeit bloß nicht in großer Zahl in die Boberger Niederung fahren. Mit dem Auto schon gar nicht – dafür ist das Gebiet auch viel zu nah dran. Aber auch, dass Familien dorthin radeln oder zu Fuß hinwandern, möchte die Stadt Hamburg verhindern. Dabei liegt das Naturschutzgebiet direkt nordwestlich von Oberbillwerder und ist auf direktem Weg nur knapp zwei Kilometer entfernt.

Boberger Niederung: Stadt sorgt sich um zu viel Betrieb

Dabei sollten sich doch eigentlich alle freuen, wenn Kinder und Erwachsene nicht vorm PC hocken, sondern sich bewegen und in der Natur unterwegs sind. Aber eine sogenannte „Verträglichkeitsprüfung“ im Zuge der Oberbillwerder-Planung hat ergeben, dass die Boberger Niederung schon jetzt einem „hohen Nutzungsdruck“ unterliegt. Anders ausgedrückt: Im Schutzgebiet für Tiere und Pflanzen ist zu viel los.

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Ranger Benedict Domin (32) kann sich noch gut erinnern, wie viele Menschen während der Corona-Zeit ins Naturschutzgebiet kamen. Wie am Ballermann lagen sie teilweise auf der großen Sanddüne und am Boberger See. So groß war das Bedürfnis der Menschen, endlich mal rauszukommen. Kein Wunder, denn rundherum wohnen richtig viele Familien und das teils in sehr kleinen Wohnungen. Direkt nebenan liegt Mümmelmannsberg, ein Stück weiter westlich Billstedt, im Osten Lohbrügge und Bergedorf. Domin: „Und die Düne zieht auch Besucher von weiter weg an.“

Diese intensive Nutzung brachte viel Unruhe, überall entstanden Trampelpfade und es war für Tiere und Pflanzen im Schutzgebiet eine große Belastung. Auch deshalb wurden die Rangerdienste der Stadt vor zwei Jahren eingeführt. Sodass nun regelmäßig jemand vor Ort ist und darauf achtet, dass die Regeln eingehalten werden und die Besucher nicht quer durch die Natur trampeln. „Mittlerweile ist die Nutzung auf ein gesundes Level zurückgegangen“, resümiert Domin.

Ranger Benedict Domin sorgt im Naturschutzgebiet dafür, dass sich Besucher an die Regeln halten.
Florian Quandt

Ranger Benedict Domin sorgt im Naturschutzgebiet dafür, dass sich Besucher an die Regeln halten.

Aber damals wie heute halten sich einige Besucher nicht an die Regeln. So auch, als die MOPO mit dem Ranger unterwegs ist. Die große Sanddüne ist komplett leer, aber hinter der Absperrung in den geschützten Bereichen liegt ein Mann neben seinem Fahrrad und entspannt sich. Direkt im Rückzugsgebiet von Wildbiene, Zauneidechse und Ameisenlöwe. Domin spricht ihn an. „Die Idylle ist hier bald hin, so wie Sie den Eidechsen und Sandbienen auf dem Kopf sitzen“, sagt er. Der Radler packt seine Sachen und schleicht sich – allerdings trampelt er dabei wieder mitten durch die geschützten Flächen, als hätte er die Problematik nicht verstanden.

Unangeleinte Hunde im Naturschutzgebiet Boberger Niederung

Ein Stück weiter sitzt ein junges Paar am Rand der Absperrung, der junge Labrador ist unangeleint und läuft quer über die Düne, als er einen anderen Hund erblickt. „Unangeleinte Hunde sind ein ständiges Thema“, so Domin. Denn sie schrecken Rehe und Hasen auf und geraten in Konflikt mit den Schafen und Ziegen, die hier die extensive Beweidung übernehmen. Auch Grillen ist verboten – aber beliebt.

Am Boberger See ist es selten so ruhig. Bei gutem Wetter wird hier viel gebadet.
/ Florian Quandt

Am Boberger See ist es selten so ruhig. Bei gutem Wetter wird hier viel gebadet.

Der Kniff, mit dem nun verhindert werden soll, dass sich noch deutlich mehr Menschen hierher verirren: Es werden bewusst keine direkten kurzen Wege von Oberbillwerder ins Naturschutzgebiet geplant. Studien haben laut Umweltbehörde ergeben, dass „Naherholungsgebiete ab einem Richtwert von drei Kilometern Entfernung deutlich seltener von Erholungssuchenden aufgesucht werden“, so eine Sprecherin. „Insofern wurde versucht, kurze Wegeverbindungen zu vermeiden.“

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Gleichzeitig soll laut Sprecherin der Umweltbehörde der Stadtteil Oberbillwerder „selbst so attraktiv gestaltet werden, dass der Drang, den Stadtteil für die Erholungssuche zu verlassen, vermindert wird“. Zudem sollen südlich gelegene Naherholungsgebiete besser angeschlossen werden, um sie attraktiver zu machen.

Was sagt der Ranger dazu? Fürchtet er zu viele Menschen in der Boberger Niederung? Das sei schwer zu sagen. Die Lage habe sich zwar entspannt, aber durch Oberbillwerder könne es eben auch schnell wieder voll werden. Und ab hier wird es politisch und Domin muss sich zurückhalten. Die CDU hingegen wird es nicht tun. Sie ist wieder stärkste Partei im Bezirk und setzt sicher vieles daran, die Pläne für den ungeliebten Stadtteil auf der grünen Wiese zu verzögern. Entschieden wird aber auf Senatsebene.

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