Schicksal trifft Hamburger Gastro-Familie hart: „Darum geben wir nicht auf!“

Schicksal trifft Hamburger Gastro-Familie hart: „Darum geben wir nicht auf!“

Hamburgs Gastronomen stecken in der Krise – viele schließen ihre Restaurants für immer. Auch beim „Schacht Deli“ am Schlump läuft es nicht gut. Dazu erschüttern Schicksalsschläge die kleine Familie. Doch aufgeben? Kommt nicht infrage! Lesen Sie hier, warum Charlotte Schnabel und ihr Lebensgefährte Benjamin Schacht kämpfen wollen – woran sie festhalten, und was ihre Gäste mit dieser Entscheidung zu tun haben.

Benjamin Schacht (44) drapiert Erdbeerkuchen in der Auslage, Charlotte Schnabel (34) plaudert auf der Terrasse mit den Gästen. Ihr Lokal, eine Mischung aus Café und Tagesrestaurant, ist modern eingerichtet. Morgens können die Gäste hier gemütlich frühstücken. Es kommen auch Stullen mit hausgemachter Pastrami, Salate und wechselnde warme Gerichte wie Gnocchi in Salbei-Butter auf den Tisch. Einige Stammgäste kommen jeden Tag, Anwohner holen sich nach Feierabend noch schnell ihr Abendessen. Sohn Sam spielt mit einer Freundin vor dem Lokal. Das „Schacht Deli“ am Schlump ist für den Fünfjährigen wie sein zweites Zuhause. Doch nichts ist so unbeschwert wie es scheint.

Das „Schacht Deli“ am Schlump: Hier gibt es Frühstück, Kuchen und belegte Stullen.
Florian Quandt

Das „Schacht Deli“ am Schlump: Hier gibt es Frühstück, Kuchen und belegte Stullen.

2020, sechs Wochen vor Beginn der Corona-Pandemie, eröffnet das Paar das „Schacht Deli“ (www.schacht-deli.de). Es folgt der Lockdown, in dem es nur außer Haus verkaufen darf. Benjamin Schacht, gelernter Hotelfachmann, steht sieben Tage die Woche im Laden. Seine Freundin hilft aus, betreut parallel Kleinkind Sam im Café. „Es war ein einziger Kampf. Personal konnten wir aus Kostengründen nicht einstellen, aber es gab ja auch sowieso keins“, sagt Charlotte Schnabel. Bis heute noch mangelt es auch an Laufkundschaft. „Wir hatten gehofft, dass die Studenten aus dem ,Haus der Erde’, direkt gegenüber, bei uns essen werden. Doch die Eröffnung des Hauses verschiebt sich seit Jahren“, so Schnabel.

Frage der Woche: Döner oder Currywurst?

Als sich die Corona-Auflagen lockern und sie gerade denken, es wird leichter, wird Sam krank. „Er hatte eigentlich nur etwas Fieber, war blass und die Beine taten ihm weh“, erzählt Schnabel. Doch der Kinderarzt schickt sie sofort ins Krankenhaus. Die Diagnose: Leukämie! „Vormittags dachten wir noch, er hat nur Wachstumsschmerzen. Um Mitternacht hing er im Kinderkrankenhaus an den Schläuchen. Es war nicht klar, ob er das Wochenende überlebt.“ Und plötzlich kämpft das Paar nicht nur um seine Existenz, sondern vor allem um Sams Leben.

Inhaber des „Schacht Deli“: „Wir wollen weiter kämpfen!“

Die Eltern wechseln sich alle sieben Tage ab: Der eine begleitet Sam bei der Chemotherapie im Krankenhaus. Muss dabei zusehen, wie er mit seinen zweieinhalb Jahren tapfer Tabletten schluckt, aber nur schwach im Bett liegen kann. Der andere backt Kuchen, schmiert Brote, versorgt die Gäste. „In der Küche liefen zwischendurch oft die Tränen.“ Eineinhalb Jahre lang. „Unsere Rettung war schließlich eine Freundin, die unsere Betriebsleiterin in Vollzeit wurde.“ Durch sie kann die Familie nach Sams Genesung eine Reha im Schwarzwald machen – danach sollte alles besser werden. Doch dann erscheint die Betriebsleiterin plötzlich nicht bei der Arbeit. „Unsere Freundin und beste Mitarbeiterin ist unerwartet verstorben, mit 42 Jahren. Und zur Trauer kam auch wieder die Angst um das Café.“

Dazu kommen die hohe Mehrwertsteuer, die gestiegenen Lebensmittelpreise und der Personalmangel. In Zeiten, in denen immer mehr Gastronomen aufgeben, steht für das Paar trotzdem fest: „Wir kämpfen weiter!“ Es hat sein Konzept aufpoliert, bietet auch Catering an, Snacks und Drinks am Abend. Warum es am Restaurant festhält? „Wir lieben es, trotz allem, Gastgeber zu sein“, sagt Charlotte Schnabel. „Wir kennen die Lebensgeschichten vieler Gäste. Wir hören zu. Hier sitzen frisch gebackene Mütter, die sagen, wir seien derzeit ihr einziger sozialer Kontakt. Hier kommt seit Jahren eine ältere Frau vorbei, die mit der Zeit dement geworden ist. Aber an uns kann sie sich noch erinnern. Familien essen bei uns, weil sich die Kinder mit Sam angefreundet haben.“

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Als Sam damals zum Kinderarzt musste, habe das Paar das Restaurant früher geschlossen. „Vorher habe ich einem Stammgast aus der Nachbarschaft aber noch schnell eine Lasagne vor die Tür gestellt. Damit er nicht ohne Essen dasteht“, erzählt Charlotte Schnabel. „Und das soll mich nicht wie Mutter Teresa darstellen, sondern zeigen, wie verbunden wir mit unseren Gästen sind.“ Auch diese hätten in den schwersten Zeiten geholfen, mal Eier eingekauft oder eine Bestellung abgeholt. „Wir sind eine richtige Gemeinschaft“, so Schnabel. „Und wir wollen nicht glauben, dass das keine Zukunft haben soll.“

„Schacht Deli“: Beim Schlump 55 (Eimsbüttel), Mo-Mi + Fr 10-20 Uhr, Sa + So 9-18 Uhr, Tel. (040) 44 19 12 34

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