Schnee-Fluch der Hamburger Barbetreiber: „Hier kokst einfach jeder“

Schnee-Fluch der Hamburger Barbetreiber: „Hier kokst einfach jeder“

Eine Bar irgendwo in Hamburg. Es ist Freitagabend, für die meisten Gäste hat gerade das Wochenende begonnen. Entsprechend ausgelassen ist die Stimmung. Es wird getrunken, gelacht, geknutscht – und gekokst. Immer wieder. Von einem Randphänomen könne längst keine Rede mehr sein, berichten Gastronomen der MOPO. Die Droge ist allgegenwärtig, sowohl bei den Gästen als auch beim Personal. Die Wirte befinden sich dabei in einer Zwickmühle: Denn Kokser bringen Probleme mit sich, aber auch jede Menge Geld.

„Der Konsum ist zum Kotzen“, ärgert sich ein Barbetreiber aus Ottensen. „Wir bräuchten eigentlich einen Türsteher vorm Klo, so häufig wie dort gekokst wird.“ Seinem Eindruck zufolge hat der Drogenkonsum seit dem Ende der Corona-Pandemie spürbar zugenommen. Im Laden zeige sich das durch ständig besetzte Toilettenkabinen, in die sich Konsumenten zum gemeinsamen Schnupfen der Droge zurückziehen.

Mitarbeiter bekam Koks als Trinkgeld

Am nächsten Morgen fänden seine Mitarbeiter dort regelmäßig Konsumutensilien wie Ziehröhrchen. Zwar könnten die meisten seiner Gäste mit dem Rausch umgehen, doch die nervöse und angespannte Art der Kokser sei unübersehbar. „Früher waren es Leute mit Geld, heute kokst jeder.“ Einem seiner Mitarbeiter sei auch schon mal ein Tütchen mit dem weißen Pulver als „Trinkgeld“ zugesteckt worden.

Der Gastronom fühlt sich mit dem Problem allein gelassen: „Man gerät schnell in Verdacht, Drogenkonsum zu tolerieren.“ Wirte wie er befinden sich dabei in einem Dilemma. Denn Kokain euphorisiert, hält wach und enthemmt. Dazu überdeckt es die Wirkung des Alkohols. Die Folge: Gäste auf Koks trinken mehr, bleiben länger – und steigern so den Umsatz.

Wirt: „Von meinen Mitarbeitern koksen drei Viertel“

Doch die heitere Kundschaft zöge auch Probleme nach sich, berichtet ein Gastronomen-Paar aus Eimsbüttel: „Die Leute sind oft superanstrengend, weil sie sich selbst überschätzen und schnell aggressiv werden.“ Dabei handele es sich um ein Dauerthema – auch unter dem Personal: „Hinterm Tresen und in der Küche wird in der Gastro seit jeher viel konsumiert.“

Szene in einer Hamburger Bar. Für Gastronomen ist der Kokainkonsum ihrer Gäste Fluch und Segen zugleich. (Symbolbild)
Imago/ZweiKameraden

Szene in einer Hamburger Bar. Für Gastronomen ist der Kokainkonsum ihrer Gäste Fluch und Segen zugleich. (Symbolbild)

Ähnliches schildert ein weiterer Barbetreiber aus Ottensen: „Von meinen Mitarbeitern koksen drei Viertel. Das hat extrem zugenommen.“ Binnen einer Stunde könne man sich die Droge per Kurier in die Kneipe liefern lassen. „Da kann ich ein Lied von singen.“ Ein Wirt in der Schanze stellt hingegen keine Auffälligkeiten fest: „Mein Team achtet auf alles Mögliche, auch auf Spuren von Kokainkonsum.“ Doch Hinweise fände man nur sporadisch.

Die Polizei hält sich mit Angaben zu ihrem Kontrollverhalten in der Gastronomie zurück. Zu Durchsuchungen von Lokalitäten im Zusammenhang mit Betäubungsmittel-Straftaten könne man aus ermittlungstaktischen Gründe keine näheren Angaben machen, so ein Sprecher.

Für manchen Kokser endet der Rausch im Krankenhaus

Eine Abiturientin, die in einem angesagten Restaurant in einer von Hamburgs „besseren“ Gegenden kellnert, ist überrascht von dem Ausmaß des Konsums, der ihr in ihrem Arbeitsalltag begegnet: „Die Köche koksen beide regelmäßig, wohl wegen des Stresses. Der eine ist diskret, den anderen habe ich schon mal dabei gesehen, wie er eine Nase zog.“

Auch bei den Gästen falle es auf: „Irgendwann kriegt man ein Ohr dafür, ob jemand ständig die Nase hochzieht, weil er Schnupfen hat, oder weil er kokst.“ Gäste, die sie mit Riesenpupillen anstarren, die überdreht vom Klo zurückkommen und sie zutexten: „Da ist auch klar, was die gemacht haben.“

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Für Konsumenten endet der Höhenrausch im schlimmsten Fall in der Notaufnahme. Denn Kokain belastet stark den Kreislauf, dazu steigert die enthemmende Wirkung die Unfallgefahr. Auch kommt es immer wieder zu Überdosen und Psychosen.

Doch wie viele es genau sind, sei nur schwer zu beziffern, sagt ein Sprecher der Asklepios-Kliniken. Verlässliche Daten gebe es dazu nicht – jedoch ein Bauchgefühl bei den behandelnden Ärzten: „Gefühlt hat die Zahl der intoxikierten Patienten zugenommen, berichtete mir ein Chefarzt.“ Allein im Krankenhaus St. Georg seien es im Schnitt acht bis zehn Patienten pro Tag.

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