Sie sind Edel-Fans: Fricke-Zwillinge erhalten Traumplätze im HSV-Stadion

Sie sind Edel-Fans: Fricke-Zwillinge erhalten Traumplätze im HSV-Stadion

Wie auch immer die Partie gegen Hertha BSC ausgehen mag, eines steht bereits vor dem Anpfiff fest: Am Samstag werden im Volkspark Träume wahr. Mit dem Heimspielauftakt dieser Saison weiht der HSV auch 30 neue Rollstuhlplätze im Stadion ein, die direkt an der Stirnseite der Nordtribüne liegen. Nicht nur für die Zwillinge André und Marcel Fricke (28) ein Tag, den sie vermutlich nie wieder vergessen werden. Die MOPO besuchte mit ihnen vorab den Ort, der nun zu ihrer zweiten Heimat wird.

Ein Blick der beiden reicht, sie müssen gar keine Worte verlieren. Als die Fricke-Zwillinge ihre Plätze eingenommen haben, herrscht erst mal Ruhe. Zu gewaltig ist der Blick, der sich ihnen bietet. Links, direkt vor ihnen, die Nordtribüne, Sehnsuchtsort aller HSV-Fans. Rechts das riesengroße Spielfeld. „Wenn ich das jetzt sehe“, sagt André, der zwei Minuten vor seinem Bruder auf die Welt kam, „bekomme ich jetzt schon Gänsehaut bei dem Gedanken daran, wenn hier das entscheidende Tor fällt.“

HSV erfüllt Marcel und André Fricke einen großen Wunsch

Lange haben die Frickes darauf gewartet, der heißesten Zone des Stadions so nah zu sein. Ihre alte Heimat war der Süden. Rund 100 Meter weg. Auch dort hatten sie eine passable Sicht, direkt hinter dem Tor. Süd ist gut, aber eben nicht Nord. Doch im Zuge der EM-Umbauten wurde die Zahl der Rollstuhlplätze von 95 auf 130 erweitert, die Brüder waren sogar in die Pläne involviert. Nun beginnt die erste Saison mit ganz neuem Ausblick. Der bringt auch Pflichten mit sich, wie Marcel weiß: „Wir sind jetzt näher dran am absoluten Stimmungskern. Dann müssen wir auf der Tribüne also auch noch mehr Gas geben.“

Was für eine Aussicht! Links die Nordtribüne und rechts der freie Blick von oben auf das Spielfeld.
WITTERS

Was für eine Aussicht! Links die Nordtribüne und rechts der freie Blick von oben auf das Spielfeld.

Wobei sich bei den Frickes durchaus die Frage stellen könnte, wer denn hier eigentlich die Stars sind – die unten auf dem Rasen oder sie oben auf der Tribüne? Als die Brüder und Vater Uwe eine halbe Stunde zuvor auf den Parkplatz vor dem Stadion gefahren kommen, dauert es nicht lange, bis sie erkannt werden. Eine Familie aus dem westfälischen Lippstadt bittet die Zwillinge, die seit ihrer Geburt im Rollstuhl sitzen, um gemeinsame Fotos und einen Plausch. Die Brüder kommen den Wünschen gern nach. „Aber manchmal ist das schon merkwürdig“, sagen sie unisono. „Am Ende sitzen wir doch alle in einem Boot und sind alle HSV-Fans.“

Die Frickes sind aber etwas mehr als das und eben deshalb so bekannt. So gut wie kein Spiel wird ohne sie angepfiffen. Seit sechs Jahren geht das so. Kürzlich waren sie wieder mit im Österreich-Trainingslager der Profis, jährlich besuchen sie etwa 250 Spiele. Von den HSV-Profis über die Frauen und die U21 bis hin zur 3. Herren. Zuhause, auswärts, überall. Wenn schon, denn schon. Und manchmal muss man auch Prioritäten setzen. Insgesamt zehn EM-Spiele besuchten sie im Sommer. Kürzlich war es knapp. Erst wohnten sie in Stuttgart dem Viertelfinale des DFB-Teams gegen Spanien bei, tags darauf verfolgten sie 500 Kilometer entfernt den HSV-Testspielauftakt beim TuS Neetze. Hätten sie sich entscheiden müssen, hätten Kroos, Musiala und Co. halt ohne die Frickes auskommen müssen. „Der HSV geht vor, ist doch klar“, sagt Marcel, der mit seiner Familie in Lübeck wohnt.

Zu HSV-Keeper Mickel haben die Frickes einen engen Draht

Am Rande des Spiels in der Lüneburger Heide trafen sie dann auch auf ihren großen Helden. Der trägt nicht den Namen Robert Glatzel oder Ludovit Reis, sondern Tom Mickel. Zu dem 35 Jahre alten Ersatzkeeper haben die Frickes eine persönliche und emotionale Bindung aufgebaut. Lange war Mickels Verbleib beim HSV unklar. Als er dann Ende Mai nochmals verlängerte, wurde im Hause Fricke gejubelt. „Das war ein unglaublich schöner, emotionaler Moment“, betont André. „Tom ist so viel mehr als ein dritter Torwart. Er ist enorm wichtig – für die Mannschaft, die Fans, den gesamten Verein.“

Zu Torwart Tom Mickel haben die Frickes eine persönliche Bindung aufgebaut.
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Zu Torwart Tom Mickel haben die Frickes eine persönliche Bindung aufgebaut.

Aus jedem Satz der Brüder wird deutlich, wie gewaltig ihre Expertise rund um den HSV ist. Da drängt sich eine Frage natürlich auf: Was ist denn nun drin in dieser Saison, geht es endlich nach oben?

„Der Aufstieg ist möglich“, sagen die Frickes. „Es gibt so viele Vereine, die hoch wollen. Das mindert den Druck für uns ein wenig.“ Verzichten müssen sie in dieser Serie auf Stadtderbys gegen St. Pauli, aber das können sie verschmerzen: „Wenn du mir garantierst, dass wir ein Derby gewinnen, nehme ich es gern mit“, sagt Marcel. „Ansonsten verzichte ich.“

In Bayreuth saßen die Frickes sogar auf der HSV-Bank

Viel lieber sind ihnen ohnehin Pokalspiele. Vor allem die aus der ersten Runde, in der Provinz, wo es noch nicht so professionell zugeht. Weil bei Amateurvereinen immer mal wieder Rollstuhlplätze fehlen, werden die Frickes dann gern mal neben der HSV-Auswechselbank platziert. Das treibt mitunter seltsame Blüten. Lachend erinnern sich André und Marcel an den Sommer 2022, als der HSV in Bayreuth ran musste. Da regnete es so sehr, dass Sportvorstand Jonas Boldt die beiden kurzerhand direkt auf die Bank einlud, um Unterschlupf zu finden. Das Problem: Boldt verschwand dann kurz darauf, einem Bayreuther Ordner kam das alles nicht geheuer vor. „Als wir ihm dann sagten, wir würden auf Einladung des Vorstands hier sitzen, dachte er, wir wollen ihn veräppeln.“

Immer dabei: HSV-Boss Stefan Kuntz begrüßt die Fricke-Zwillinge bei einem Testspiel.
WITTERS

Immer dabei: HSV-Boss Stefan Kuntz begrüßt die Fricke-Zwillinge bei einem Testspiel.

Aber genug der Anekdoten, die Frickes haben noch etwas vor. Die 3. Herren spielt, Pokal in Bramfeld, da wollen sie hin. André und Marcel werden später Zeugen des 5:1-Sieges. Doch bevor sie ihren neuen Sehnsuchtsort verlassen, streift ihr Blick noch mal durch die Arena. „Es ist ein Stück weit unser Wohnzimmer“, sagt André Fricke. „Der Ort, an dem alle möglichen Menschen zusammenkommen, an dem zusammen gelitten und wo sich miteinander gefreut wird. Es ist der Ort, an dem ich mich sicher fühle.“

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Schade, dass das Volksparkstadion keine Ohren hat. Ein schöneres Kompliment wird es wohl nicht mehr bekommen können.

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