St. Pauli geht nicht unvorbereitet in die Trainersuche – erste Reaktion auf Eichner

St. Pauli geht nicht unvorbereitet in die Trainersuche – erste Reaktion auf Eichner

Berühmte letzte Worte? „Wir sehen uns zum Saisonauftakt.“ So endete der letzte Satz von Fabian Hürzeler als Trainer des FC St. Pauli. Das ist zwei Wochen her. Jetzt ist der Seitenlinien-Shootingstar neuer Coach von Brighton & Hove Albion. Hürzelers vor gut einer Woche öffentlich gewordener dringender Wechselwunsch hat den Kiezklub überrascht, Probleme verursacht und sorgt für eine unruhige Sommerpause. Viele Fans sind geschockt und nachhaltig enttäuscht. Aber der Bundesliga-Aufsteiger geht nicht unvorbereitet in die Nachfolgersuche, die jetzt mit Hochdruck geführt werden kann. Nicht zu unterschätzen: In Hamburg ist ein sehr attraktiver Job frei geworden.

Der Blick geht jetzt nach vorn, volle Kraft voraus. Der Kiezklub muss die Zukunft planen. Im Eiltempo, denn am 8. Juli startet die Vorbereitung auf die erste braun-weiße Bundesliga-Saison seit 13 Jahren. Dann soll der neue Chefcoach auf dem Trainingsplatz an der Kollaustraße stehen und die erste Einheit leiten. Im Idealfall ist er dann schon längst in die Transferaktivitäten eingebunden. Bei der Trainersuche gilt: Schnellstmöglich, aber noch wichtiger: bestmöglich.

Hürzeler-Nachfolge: Warum St. Pauli nicht von vorn anfängt

Bei allem Bedauern über den Abschied von Aufstiegstrainer Fabian Hürzeler, der mit herausragender Arbeit nicht nur den Aufstieg ermöglicht, sondern Fans und Fachleute auch mit sehenswertem Fußball erfreut hat: Die freie Stelle bei einem Bundesligisten mit einer charakterstarken und entwicklungsfähigen Mannschaft, einem stets ausverkauften Stadion in einer schönen Stadt – wenngleich mit vergleichsweise bescheidenen finanziellen Mitteln – dürfte auf dem Trainermarkt für Interesse sorgen. Möglicherweise auch bei größeren Kalibern.

Anders als man vermuten könnte, startet St. Paulis Trainersuche nicht bei Null. Das hat mit den zähen Vertragsverhandlungen zwischen dem Kiezklub und Hürzeler beziehungsweise seinem Berater im Frühjahr zu tun, die sich über Wochen hingezogen hatten.

Fabian Hürzeler führte den FC St. Pauli als Zweitliga-Meister in die Bundesliga.
WITTERS

Fabian Hürzeler führte den FC St. Pauli als Zweitliga-Meister in die Bundesliga.

Zur Erinnerung: Die Hürzeler-Seite hatte bis zum Schluss auf einer Ausstiegsklausel im neuen Kontrakt bestanden, die der Verein in Person von Andreas Bornemann kategorisch ablehnte. Am Ende verzichtete Hürzeler auf die Klausel, verlängerte seinen Vertrag und bekam dafür die Zusage, dass St. Pauli ihm keine Steine in den Weg legen würde, sollte sich für den jungen Coach eine besondere Wechsel-Option eröffnen. Wie Premier-League-Klub Brighton.

Zäher Vertrags-Poker im Frühjahr ließ St. Pauli aktiv werden

Angesichts der lange verhärteten Fronten und der absolut realistischen Möglichkeit, dass Hürzeler keinen neuen Vertrag unterschreibt und St. Pauli nach Saison- und Vertragsende verlässt, hatte sich der Verein mit Alternativen beschäftigt. Nicht, um Hürzelers Status zu untergraben, sondern um vorbereitet zu sein. Es ist naheliegend, dass der Verein potenzielle Kandidaten angesprochen oder vorgefühlt hat. Jeder professionell geführte Klub dürfte neben Spielern auch Trainer auf dem Radar haben, die kurz-, mittel- oder langfristig interessant sein könnten, oder es zu anderer Zeit einmal waren, und die wieder in den Fokus rücken könnten.

Unser bisheriger Cheftrainer Fabian #Hürzeler wechselt ab sofort in die englische Premier League zu @OfficialBHAFC. Eine Entscheidung über die zukünftige Besetzung des Trainerteams beim FC St. Pauli ist noch nicht gefallen. Alle Infos & Stimmen zum Transfer. #fcsp

— FC St. Pauli (@fcstpauli) June 15, 2024

St. Pauli hat sich also bereits mit einem Szenario beschäftigt, in dem Hürzeler – wie jetzt geschehen – im Sommer weg ist. Konkret: Der Verein weiß, welche Trainer grundsätzliches Interesse haben, beim Kiezklub zu arbeiten und welche nicht. Das verbessert die weiterhin schwierige Lage. Immerhin. Möglicherweise ist das am Ende sogar Gold wert.

Oke Göttlich sieht „Chance, neue Lösungen zu finden“

Der Kiezklub sieht jedenfalls „nun die Chance, neue Lösungen zu finden, um die Herausforderung Bundesliga mit Klarheit und voller Konzentration anzugehen“, hatte Präsident Oke Göttlich in der Pressemitteilung zu Hürzelers Abschied gesagt. Klarheit ist jetzt erst einmal auf der Trainerposition wichtig.

Die vielleicht bedeutendste Frage derzeit: Erst die fußballerische Ausrichtung für die Bundesliga festlegen und dann den dazu passenden Trainer holen? Oder umgekehrt?

Einer der heißesten Kandidaten, die derzeit gehandelt werden, ist Christian Eichner vom Karlsruher SC (MOPO berichtete). Der Vertrag des 41-Jährigen läuft 2025 aus. Mit dem KSC hat er in der abgelaufenen Saison die zweitbeste Rückrunde aller Zweitligisten (nach St. Pauli) gespielt, seine Mannschaft gut entwickelt und sich selbst als Trainer-Persönlichkeit.

St. Pauli-Kandidat Christian Eichner? Das sagt sein Berater

Eichner scheint bereit für den nächsten Schritt. Sein Verein dagegen plant den Umbruch, verjüngt den Kader, baut wieder mal neu auf – und zählt damit in der kommenden Saison nicht zu den Aufstiegskandidaten. Die begrenzten Möglichkeiten könnten seinen Abschied forcieren.

Eichner und der FC St. Pauli? „Das ist Spekulation“, erklärt dessen Berater Ronny Zeller auf MOPO-Nachfrage. Es ist die erste Reaktion auf die Berichte. Zeller wirkt etwas ungehalten. Der Mann ist seit Jahrzehnten im Geschäft. Zuletzt war Eichner, den er schon während dessen Spielerkarriere berät, auch mit Hertha BSC und dem 1. FC Köln in Verbindung gebracht worden, wo der Coach angeblich Wunschkandidat für die Nachfolge von Timo Schultz gewesen sei. Dabei habe es überhaupt keinen Kontakt gegeben. Verrückt sei das, so Zeller.

Zum Thema St. Pauli ist ihm nicht mehr als „Spekulation“ zu entlocken, was er zur Sicherheit nochmal höflich, aber bestimmt wiederholt. Dennoch dürfte ihm das gesteigerte Interesse an seinem Klienten grundsätzlich nicht unrecht sein. Und: er sagt nicht explizit, dass nichts an der Sache dran ist.

Eichner auf dem Weg nach oben – bereit für Liga eins?

Spekuliert wurde zuletzt über eine Ausstiegsklausel, die es Eichner ermöglicht, für eine festgeschriebene Ablösesumme (je nach Ligazugehörigkeit des anderen Vereins) den KSC verlassen zu können. Die Frist dafür soll am 15. Juni abgelaufen sein. Es ist durchaus möglich, dass er sie gezogen hat und das nur noch nicht bekannt geworden ist – was an dieser Stelle als spekulativ bezeichnet werden muss. Im Übrigen soll auch ein etablierter Bundesligist Interesse an einer Verpflichtung von Eichner haben.

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Alles in allem keine schlechte Verhandlungsposition für den Coach, der unlängst äußerte, sich vorstellen zu können, bei seinem Stammverein über 2025 hinaus zu verlängern.

St. Pauli braucht einen gestandenen Coach

Die ebenfalls als St. Pauli-Kandidaten gehandelten Stefan Leitl (Hannover 96) und Daniel Thioune (Düsseldorf) stehen bei ihren Klubs wie auch Eichner bis 2025 unter Vertrag, müssten ebenso aus dem Kontrakt herausgekauft werden. Die finanziellen Mittel hat der FC St. Pauli, der nach MOPO-Informationen fünf Millionen Euro Ablöse von Brighton kassiert und auf Boni und Beteiligungen (Brighton erreicht den Europapokal/ transferiert Hürzeler weiter) hoffen kann. Dennoch dürfte der Kiezklub den Löwenanteil lieber in neue Spieler investieren wollen. Das ist ja nicht zuletzt im Interesse des neuen Trainers.

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Unwahrscheinlich ist, dass St. Pauli die extrem herausfordernde Mission Klassenerhalt mit einem No-Name-Trainer angeht. Einen neuen Hürzeler wird es nicht geben. Dafür ist die Bundesliga – und zu erwartende schwierige Phasen oder gar Krisen – eine Nummer zu groß. Und damit das Risiko. Der Neue muss schon mindestens auf Zweitliga-Niveau nachgewiesen haben, dass er erfolgreich arbeiten, (sich) weiterentwickeln und auch Krisen überstehen kann.

St. Pauli geht nicht unvorbereitet in die Trainersuche – erste Reaktion auf Eichner wurde gefunden bei mopo.de