Verfahren gegen Top-Banker: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen

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Es gibt Urteile, die bringen die Volksseele zum Kochen. Der Schuldspruch gegen die Stadtpark-Vergewaltiger war so einer. Andere Entscheidungen werden schulterzuckend hingenommen, auch wenn sie deutlich skandalöser sind. So wie die Verfahrenseinstellung im Cum-Ex-Prozess gegen den Hamburger Top-Banker Christian Olearius.

Kurz zu den Fakten: Bei den Cum-Ex-Geschäften geht es um den größten Steuerbetrug in der bundesdeutschen Geschichte. Banker haben eine Gesetzeslücke ausgenutzt, um sich schamlos zu bereichern, indem sie sich vom Staat Steuern erstatten ließen, die sie nie gezahlt hatten. Einer davon soll der angeblich so honorige Hanseat Christian Olearius, ehemaliger Chef der Privatbank M.M. Warburg und später ihr Aufsichtsratsvorsitzender, gewesen sein.

Cum-Ex-Verfahren gegen Olearius: ein fader Beigeschmack bleibt

Ihm wurde in 15 Fällen besonders schwere Steuerhinterziehung vorgeworfen. Schaden für die Staatskasse: rund 280 Millionen Euro. Doch Olearius ist sich keiner Schuld bewusst, im Gegenteil, er sieht sich als Opfer.

Nach jahrelangen Ermittlungen und einem Aufsehen erregenden Prozess wurde das Verfahren jetzt eingestellt, Olearius hat den Gerichtssaal als freier Mann verlassen. Die Begründung der Richterin: Der 82-Jährige leide an Bluthochdruck und Herzerkrankungen, eine Fortsetzung des Prozesses könne zu einem Herzinfarkt führen.

Cum-Ex-Einstellung ist eine Niederlage für den Rechtsstaat

Das ist ärztlich abgesichert und schwer zu beanstanden. Allerdings bleibt ein mehr als fader Beigeschmack: Denn Olearius war der erste Top-Banker, der wegen Cum-Ex vor Gericht stand – zuvor wurden nur vergleichbar kleine Fische verurteilt. Und bei einer Verurteilung wären bis zu zehn Jahre Haft möglich gewesen. Unweigerlich entsteht so der Eindruck: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. Politisch ist das eine klare Niederlage für den Rechtsstaat.

Immerhin versucht die Staatsanwaltschaft noch, Olearius zur Kasse zu bitten und 43 Millionen Euro einzuziehen – 230 Millionen Euro hatten er und ein Mitgesellschafter nach eigenen Angaben bereits an den Staat bezahlt.

Der Fall Olearius beschäftigt bis heute auch die Politik. Aus Tagebucheinträgen von ihm ging hervor, dass er sich 2016 und 2017 insgesamt dreimal mit dem jetzigen Bundeskanzler und damaligen Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) getroffen hatte. Der genaue Inhalt der Treffen ist unklar, Scholz weist erstaunliche Erinnerungslücken in der Angelegenheit auf. Fakt ist aber, dass die Finanzbehörde danach eine Steuerforderung fallen ließ und die Ansprüche nach damaliger Rechtslage verjährten. Ein Untersuchungsausschuss in Hamburg konnte allerdings bis heute keine eindeutige Einflussnahme von Seiten der SPD-geführten Finanzbehörde nachweisen – die Opposition hat die Hoffnung aber noch nicht aufgegeben.

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