Knapp bekleidet auf dem Kiez: Das passiert wirklich auf einer Kinky-Party

Knapp bekleidet auf dem Kiez: Das passiert wirklich auf einer Kinky-Party

Jeans und Baumwolle verboten! Ohne Leder, Lack oder Latex kommt man hier nicht rein: Kinky-Partys. „Kinky“, das steht für Fetisch, Provokation, Sex und Freiheit. Alles ist erlaubt und das kommt gut an. Die Szene erlebte in den letzten Jahren einen Boom. Aber was passiert auf so einer Party? Was für Menschen gehen da hin? Die MOPO war bei einer „sexpositiven Party“ namens „Kinky Galore“ dabei.

„Bin ich hier richtig?“ Eine lange Schlange vorm Docks auf dem Spielbudenplatz. Aber: Die Leute tragen dunkle Winterjacken wie überall sonst auch. Nichts deutet auf das hin, was sich heute Abend im Inneren des Clubs abspielen wird. Nur bei der Kontrolle direkt vor dem Eingang blitzen knappe Outfits aus Lack und Leder unter den Jacken hervor. Man muss zweimal hinsehen, um zu erkennen, was hier heute gefeiert wird.

Auf der Mitte der Tanzfläche steht ein Mann in rotem Leder-String im Scheinwerferlicht. Wie in Zeitlupe bewegt er sich zur Musik – irgendwas zwischen House und Techno. Seine Umgebung scheint er komplett ausgeblendet zu haben. Um ihn herum tanzt ein etwa 70-jähriger Mann. Er trägt eine Netzstrumpfhose, kniehohe Stiefel und ein schwarzes Latex-Oberteil. Die Fläche füllt sich langsam mit Menschen jeden Alters und Geschlechts. Ab und zu bleibt jemand stehen, guckt kurz, geht weiter.

Die Outfits sind frisch gekauft: knapp, schwarz, aus Leder

Ein Paar um die 40 sitzt auf einer Eckcouch neben der Bar. Die beiden sind aus Nordrhein-Westfalen angereist und heute zum ersten Mal auf einer Kinky-Party. In einem orangefarbenen Jutebeutel haben sie ihre Straßenklamotten verstaut. Sie haben sich wie viele andere erst vor Ort umgezogen. Ihre Klamotten haben sie gerade in einem Laden auf der Reeperbahn gekauft. Knappe schwarze Lederoutfits, mit denen sie an jedem anderen Ort sofort auffallen würden. Hier nicht.

„Kinky Galore“ ist eine Eventreihe. Die Partys finden immer in verschiedenen deutschen Städten statt.
Kinky Galore

„Kinky Galore“ ist eine Eventreihe. Die Partys finden immer in verschiedenen deutschen Städten statt.

Fast alle tragen solche schwarzen oder roten Kreationen aus Lederschnüren. Es gibt aber auch: einen weißen Engel, oben ohne, mit Flügeln und Mikro-Tüllrock. Oder einen pinken Barbie-Hasen – in diesem Dress garantiert nicht jugendfrei. Komplett nackt ist niemand, aber meist fehlt nicht viel. Was hat das Paar für Pläne? „Wir gucken nur“, sagt die Frau schnell und lächelt. „Ist ja alles ganz schön anzusehen …“

Ein anderes Paar lässt sich vor einer Fotowand fotografieren. Sie sitzt auf einem großen schwarzen Plüschpferd. Er hält die Zügel. Gegenüber lässt sich eine Frau in roter Lederunterwäsche auf einem Sessel zeichnen. Mit den Aktionen werden Spenden für ein Frauenhaus gesammelt. Es sind viele Paare vor Ort, aber auch Gruppen von Freunden und Einzelpersonen.

Eine Frau wird an einer Leine auf die Tanzfläche gezogen

Auf der anderen Seite des Raums wird eine Frau an einer Leine auf die Tanzfläche gezogen. Vorbei an einem Mann im Latexanzug, der nur an Augen und Mund kleine Öffnungen hat. Dann kommt er auf die Bühne: Jan Ehret, Gründer von „Kinky Galore“, der Mann mit dem rot geschminkten Balken über den Augen. Ein Raunen geht durch die Menge. Die Musik wird lauter, elektronischer und schneller. Der Bass dröhnt. Die Stimmung ist ausgelassen beim Publikum und bei Ehret selbst, der während seines Auftritts zwischendurch zur Bierflasche greift.

Jan Ehret gründete „Kinky Galore“ vor sechs Jahren. Zuvor legte er als DJ auf und war Besitzer von zwei Clubs in seiner Heimatstadt Freiburg.
Kinky Galore

Jan Ehret gründete „Kinky Galore“ vor sechs Jahren. Zuvor legte er als DJ auf und war Besitzer von zwei Clubs in seiner Heimatstadt Freiburg.

Früher legte Ehret im berühmt-berüchtigten KitKat-Club in Berlin auf. Jetzt ist er Veranstalter​, er sagt: „mit Leib und Seele Gastgeber“. Mit seiner Frau Sarah Woods begrüßt er zu Beginn des Abends alle Gäste mit Umarmungen. Heute sind wohl etwa 1000 Leute dabei. Er ist nicht mehr nur DJ, er trägt die Verantwortung. „Das ist auch ein krasser Druck. Auf der Bühne fällt das aber alles von mir ab. Da gibt es dann zweieinhalb Stunden bloß die Leute, die Musik und mich“, erzählt der Gründer, der zusammen mit weiteren Künstlern bei jeder seiner Partys in ganz Deutschland auf der Bühne steht.

Ein dunkler Gang neben der Bühne führt zum „Playroom“

Je später es wird, desto mehr knutschende Paare und Trios sieht man. Einige von ihnen verschwinden durch einen dunklen Gang links neben der Bühne. Dahinter verbirgt sich der „Playroom“. Ein Raum voller Matratzen, in dem Paare ungestört Sex haben können. Doch wie bei dem Paar aus Nordrhein-Westfalen sei Sex meist nebensächlich. „Es gibt extrem viele Leute, die zu uns kommen und bloß tanzen und die Atmosphäre genießen. Vielleicht gucken die auch mal zu, wenn jemand anderes Sex hat, aber das war es dann“, erklärt Ehret.

Grundsätzlich ist alles erlaubt. Man darf auch außerhalb des „Playrooms“ überall Sex haben, solange alle Beteiligten zugestimmt haben. Nur ja heißt ja. Es gibt auf allen Veranstaltungen ein Awareness-Team, an das sich jeder im Falle eines Übergriffs wenden kann. Der Beschuldigte fliegt raus, ohne Diskussion. „Es geht darum, die richtigen Leute zusammenzubringen“, sagt der Gründer. Das hat oberste Priorität.

Sie sind Teil der Bühnen-Show: Sarah Woods (unten rechts) mit weiteren Künstlerinnen.
Kinky Galore

Sie sind Teil der Bühnen-Show: Sarah Woods (unten rechts) und weitere Künstlerinnen.

Schon am Eingang wird streng selektiert. In Jeans und Baumwoll-Shirt kommt keiner rein, auch wenn er online ein Ticket gekauft hat. Im Zweifel gibt’s die 40 Euro Eintritt zurück, Ausnahmen gibt es nicht. „Ich bin erst Stunden später reingekommen, weil mein Kumpel noch eine Hose kaufen musste“, erzählt ein etwa 30-Jähriger. Er zeigt auf die knallenge Mini-Lederhose seines Freundes, die knapper ist als so manche Damen-Unterhose. Neben den Outfits müssen vor allem die Werte stimmen. Die Türsteher stellen Fragen wie: „Bist du schwul?“ Ob ja oder nein ist völlig egal. Aber wer dumm reagiert, bleibt draußen.

So bleibt es im Docks auch zu später Stunde entspannt und respektvoll. Wenn jemand jemanden anrempelt, wird sich entschuldigt. Man führt kurze nette Gespräche, niemand wird aufdringlich. Eigentlich normal, aber Samstagnacht auf der Reeperbahn eher die Ausnahme. „Es gibt für eine Frau auf dem Kiez heute keinen Ort, der sicherer ist als diese Party“, behauptet ein Gast.

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„Viele glauben, die Kinky-Szene sei kühl, unpersönlich und hart. Aber nicht bei uns. Wir machen hier nicht diesen „Wir sind so cool“-Berlin-Club-Scheiß!“, sagt Ehret. Manchmal wäre er selbst gerne einfach Gast. Nach seinem Auftritt mischt er sich unter die Tanzenden vor der Bühne. Seine Gäste sprechen ihn oft an. Viele bedanken sich. Umarmen ihn.

Bis in die frühen Morgenstunden wird getanzt und gefeiert. Alles andere bleibt offen. Irgendwann verschwinden die knappen Lederoutfits wieder in orangefarbenen Jutebeuteln. Die Winterjacke wird übergezogen und die Feiernden machen sich auf den Heimweg. Am S-Bahnhof Reeperbahn fallen sie nicht mehr auf.

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