Pflegekräfte aus dem Ausland: „Ohne uns steht der Laden still“

Pflegekräfte aus dem Ausland: „Ohne uns steht der Laden still“

Die Prognosen sind düster: Bis 2049 werden laut Statistischem Bundesamt bis zu 690.000 Pflegekräfte in Deutschland fehlen. In Hamburg werben Asklepios und andere Kliniken vermehrt Mitarbeiter aus dem Ausland an. Dass das funktioniert, zeigt das Team der Einrichtung „Pflegen & Wohnen Heimfeld“. Zwei Drittel der Mitarbeiter haben einen Migrationshintergrund. „Ohne uns steht der Laden still“, sagen sie.

Sie kommen größtenteils aus der Türkei, Ukraine, Polen, Russland, Albanien, Syrien und unterschiedlichen afrikanischen Ländern. Ihre Sprache, ihre Kultur und ihre Vergangenheit könnten unterschiedlicher kaum sein. Doch trotzdem arbeiten die Mitarbeiter der Pflegeeinrichtung an der Straße An der Rennkoppel Hand in Hand. „Wir sind ein tolles Team. Jeder unterstützt jeden“, sagt Efrem Tesfu (22). Er kam als Jugendlicher Mitte 2018 aus Eritrea nach Deutschland. Ganz alleine. Eigentlich war es immer sein Traum, Kfz-Mechaniker zu werden. Dann berichtete ihm ein Bekannter von dem Pflegeheim und half ihm, sich zu bewerben. Seit einem halben Jahr ist er nun als Pflegeassistent dabei und glücklich.

„An manchen Tagen besteht das ganze Team aus Ausländern“

Auch Amela Cavkic (28), die nach der Schule aus Bosnien nach Deutschland kam, erfuhr von einem Bekannten von der Einrichtung. „An manchen Tagen besteht das ganze Team aus Ausländern. Als ich anfing, gab es noch viele deutsche Mitarbeiter.“ Doch die gingen in Rente. Heute sind überwiegend Mitarbeiter mit Migrationshintergrund beschäftigt, die allerdings nicht im Ausland angeworben werden, sondern sich selber auf die ausgeschriebenen Stellen bewerben. „Eine große Bereicherung für unser Haus“, sagt Bernhard Becker, Direktor des Pflegeheims, in dem überwiegend Demenzerkrankte leben. Vakante Stellen hat er im Gegensatz zu anderen Häusern von „Pflegen & Wohnen“ momentan nicht. Doch die Prognosen für die Pflegebranche machen ihm dennoch Sorgen.

Bei Asklepios hingegen ist der Fachkräftemangel bereits deutlich spürbar. Um dem entgegenzuwirken, werden Pflegekräfte im Ausland angeworben. Laut der Klinik-Integrationsbeauftragten Stefanie Ludwig übernehmen externe Recruiting-Agenturen die Akquise im Ausland und vermitteln die Pflegekräfte dann an Asklepios. Dabei wirbt das Unternehmen nur in Ländern, in denen ein Überangebot an Pflegekräften besteht. Das sind vor allem die Türkei, Indien, die Philippinen, der Iran und Usbekistan.

Ebrahim Khosravi und Somayeh Mohammadi: Mit ausländischen Pflegekräften versucht Asklepios, den Pflegemangel zu bekämpfen.
/ Florian Quandt

Ebrahim Khosravi und Somayeh Mohammadi: Mit ausländischen Pflegekräften versucht Asklepios, den Pflegemangel zu bekämpfen.

Die angeworbenen Pflegekräfte legen eine Deutschprüfung ab und absolvieren einen sechs- bis zwölfmonatigen Nachqualifikationskurs. Anschließend sind die ausländischen Mitarbeiter staatlich anerkannte Pflegekräfte. In der Asklepios-Klinik Nord durchlaufen aktuell rund 80 ausländische Pflegerinnen und Pfleger die Anerkennungsphase. Eine davon ist Somayeh Mohammadi aus dem Iran.

Seit Januar ist die 40-Jährige in Deutschland. Es war für sie kein leichter Schritt. „Emigration ist immer eine schwierige Entscheidung, vor allem dann, wenn man schon etwas älter ist, einen Ehemann und Kinder hat. Ich wollte aber immer schon verschiedene Kulturen kennenlernen. Und in meinem Team habe ich jetzt Kolleginnen aus allen möglichen Ländern. Wir sprechen mindestens sieben Sprachen auf der Station.“

Ausländische Pflegekräfte sind „ein wichtiger Baustein, um dem Pflegemangel entgegenzutreten“

Damit das Zusammenspiel zwischen dem neuen internationalen Personal und dem alteingesessenen reibungslos funktioniert, gibt es Ebrahim Khosravi. „Ich kam vor fünf Jahren aus dem Iran als ,Versuchskaninchen‘ nach Deutschland“, erzählt er. Mittlerweile ist er zum Praxisanleiter aufgestiegen – und hilft den neuen Pflegekräften, sich hier einzuleben. Somayeh Mohammadi fühlt sich in Deutschland willkommen: „Ich habe hier noch keine Diskriminierung durch Patienten erlebt. Sie akzeptieren uns. Sie sind dankbar.“ Und das sollten sie wohl auch sein. Denn ohne die ausländischen Mitarbeiter wäre es um die Pflege in Hamburg schlecht bestellt.

Das könnte Sie auch interessieren: Blitz-Schließung des Pflegeheims: Darum müssen alle Bewohner in zwei Wochen raus

Asklepios-Sprecherin Angela Obermaier bestätigt: „Die Akquise von ausländischen Fachkräften ist ein wichtiger Baustein, um dem Pflegemangel entgegenzutreten. Gleichzeitig bemühen wir uns aber auch um eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten und um neue Azubis. Wir müssen den Pflegeberuf attraktiver machen.“ Gut möglich, dass diese Bemühungen jedoch zu spät kommen. Laut einer Prognose der Hamburgischen Pflegegesellschaft werden bis zum Jahr 2035 rund 13.000 Pflegekräfte in Hamburg fehlen. Ein Wettlauf gegen die Zeit also. Ob Hamburgs Kliniken ihn noch gewinnen können? „Die Hoffnung stirbt zuletzt“, sagt die Klinik-Intergrationsbeauftragte Stefanie Ludwig.

Pflegekräfte aus dem Ausland: „Ohne uns steht der Laden still“ wurde gefunden bei mopo.de