„Kann damit nichts anfangen“: Kiels Boss über den HSV und eine besondere Übergabe

„Kann damit nichts anfangen“: Kiels Boss über den HSV und eine besondere Übergabe

Er weiß, wie der Sprung nach oben funktioniert. Nachdem Carsten Wehlmann im vergangenen Sommer mit Darmstadt 98 völlig überraschend in die Bundesliga aufstieg, schraubt der 51-Jährige nun mit Holstein Kiel am nächsten Meisterstück. Es wäre der zweite Paukenschlag binnen zwölf Monaten und für Wehlmann die Krönung einer bislang perfekt gelaufenen Rückkehr an die Förde. In der MOPO spricht der Ex-Hamburger über den bevorstehenden Coup mit den Kielern und dem in vielerlei Hinsicht brisanten Wiedersehen im Volksparkstadion am Samstagabend.

Noch kann er morgens recht ungestört zum Bäcker gehen, trotz aller Euphorie und Vorfreude, die sich allmählich ausbreitet. „Man nimmt hier in Kiel schon eine Euphorie wahr. Allerdings ist der Norddeutsche an sich ja eher nüchtern und unaufgeregt. Ich werde zwar nicht permanent angesprochen, aber hier und da wünschen die Leute einem viel Erfolg“, stellt Wehlmann schmunzelnd fest. Rote Teppiche hat er bislang nicht gesichtet. Das allerdings könnte sich in wenigen Wochen ändern, sollten die Kieler tatsächlich als erster Klub aus Schleswig-Holstein in die Bundesliga aufsteigen.

Carsten Wehlmann war jahrelang Scout bei Holstein Kiel

Es ist ein Ziel, an dem sie eifrig arbeiten, ohne es klar zu benennen. So kennt Wehlmann das. Achteinhalb Jahre lang (2010 bis Herbst 2018) war er Chefscout der Kieler, wechselte dann als Sportlicher Leiter nach Darmstadt und vollendete mit den „Lilien“ im Vorjahr das Märchen vom Aufstieg. Bis zuletzt gefielen sich die Hessen dabei in der Rolle des Underdogs. Ein Rezept, das von Erfolg gekrönt war. Ähnlich könnte es nun in Kiel laufen.


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Nach seiner im Dezember erfolgten Trennung in Darmstadt ist Wehlmann seit März als Geschäftsführer Sport wieder bei Holstein an Bord. In einer besonderen Konstellation. Hand in Hand arbeitet er zusammen mit Uwe Stöver, der im Sommer nach fünf Jahren Kiel eine neue Herausforderung sucht. „Es gibt keine Eitelkeiten, wir sitzen zusammen in einem Büro“, berichtet Wehlmann und stellt fest: „Jemanden an der Seite zu haben, der die vergangenen Jahre begleitet hat, hilft sehr. Eine Übergabe dieser Art ist im Fußball absolut außergewöhnlich. Auch das zeigt, was Holstein für ein Verein ist.“

In Kürze könnte dann die Bundesliga Kiel kennenlernen. Eine klare Ansage dazu muss niemand von Wehlmann erwarten, das entspräche nicht dem Credo des Vereins. „Parolen und Kampfansagen bringen uns nicht weiter“, stellt er fest, nur so viel sei klar: „Sollte es so kommen, wären wir natürlich bereit. Die Lizenzierungsunterlagen wurden zumindest eingereicht, da muss sich niemand Sorgen machen.“

Beim HSV könnte Holstein Kiel einen großen Schritt gehen

Die Partie im Volkspark könnte zu einem der entscheidenden, letzten Schritte werden. Neun Zähler liegen die Kieler vor dem HSV, eine Menge Holz bei nur noch fünf ausstehenden Partien. „Trotzdem kann ich nichts damit anfangen, wenn uns Personen nun die Favoritenrolle zuschanzen wollen“, sagt Wehlmann. „Wenn der HSV ein Heimspiel hat, ist er immer der Favorit. Unabhängig davon, dass wir erfolgreich und selbstbewusst auftreten wollen.“

Für Wehlmann, der in Hamburg geboren wurde und als Profi für St. Pauli und den HSV im Kasten stand, ist die Partie eine besondere. „Nicht nur, weil ich ein Hamburger Junge bin“, sagt er. „Man merkt schon, dass die Aufmerksamkeit rund um die Partie eine andere ist. Das zeigt ja aber nur, wie außergewöhnlich das ist, was unsere Mannschaft bislang in dieser Saison geleistet hat.“

Seinen eigenen Anteil daran ordnet Wehlmann realistisch ein. „Es ist nicht mein Verdienst, wie sich der Verein in den vergangenen Jahren und speziell nach dem Umbruch vor der Saison entwickelt hat“, stellt er klar. „Aber ich möchte diesen Weg nun mitgestalten.“ Damit ihm das bestmöglich gelingen kann, entschied er sich gegen die Option, in Hamburg zu wohnen und täglich nach Kiel zu pendeln. „Es wäre zwar nur eine Autostunde“, sagt Wehlmann. „Aber ich will Kiel spüren und fühlen. Ich brauche die Nähe und fühle mich so pudelwohl.“

Wehlmann steht vor Bundesliga-Aufstieg mit Holstein Kiel

Vom Kieler Weg würden sie auch in der Bundesliga nicht abrücken. „Holstein ist ein Verein, der gezeigt hat, dass sich Spieler hier hervorragend entwickeln können“, erzählt Wehlmann. Abwehrmann Tom Rothe, der im Sommer nach seiner Leihe zu Borussia Dortmund zurückkehren wird, dient als gutes Beispiel. „Auch László Bénes war ja mal auf Leihbasis in Kiel“, sagt Wehlmann und verweist auf Hamburgs Mittelfeld-Ass. „Diesen Weg, Spieler zu entwickeln, müssen und werden wir weitergehen.“

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Fragt sich nur, in welcher Liga. Was, wenn es doch noch schiefgeht und der Traum auf der Zielgeraden abermals platzt, wie 2018 und 2021, nach den gescheiterten Versuchen in der Relegation? Ein Szenario, mit dem sich Wehlmann nicht beschäftigt. „Bis zum jetzigen Zeitpunkt haben wir eine überragende Saison gespielt“, stellt er fest. „Die wird es auch bleiben, ganz egal, was dabei raus kommt.“

Sätze, die man vor ziemlich genau einem Jahr schon mal von ihm hörte, rund 600 Kilometer von Kiel entfernt, in Darmstadt. Wie und wo das alles endete, ist bekannt.

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