Warum so viele junge Muslime hierzulande von einem Kalifat Deutschland träumen

Warum so viele junge Muslime hierzulande von einem Kalifat Deutschland träumen

Sie wollen aus der Bundesrepublik ein Kalifat machen, wollen die Scharia einführen. Frauen sollen verschleiert herumlaufen. Demokratie, Gleichberechtigung? Pustekuchen! Unglaublich, aber immer mehr junge Muslime in Deutschland denken so. Experten sind besorgt und sagen: „Das müssen wir ernst nehmen!

Einer davon ist Ahmad Mansour (47). Der Israeli arabisch-palästinensischer Abstammung gilt als einer der größten Kenner der deutschen Islamistenszene. Er spricht von einer um sich greifenden „TikTok-Radikalisierung“ in Deutschland. Er denkt dabei vor allem an Gruppen wie „Muslim Interaktiv“, „Generation Islam“ und „Realität Islam“, die verdächtigt werden, der verbotenen Gruppierung Hizb ut-Tahrir nahezustehen. Gerade junge Muslime hierzulande würden diesen Rattenfängern „massenhaft“ auf den Leim gehen.

Auf Social-Media-Kanälen ist eine ganze neue Generation Islamisten am Werk

Im Gespräch mit der MOPO betont Mansour, dass da eine ganz „neue Generation von Islamisten“ am Werk sei, „die sich fast ausschließlich in den sozialen Medien bewegen und einen sehr professionellen Auftritt haben.“ Kleidung, Sprache, Videoschnitt – alles sei modern, hip, genau auf junge Menschen abgestimmt.

Islamismus-Experte Ahmad Mansour. Der Israeli arabischer Herkunft ist Geschäftsführer der Mansour-Initiative für Demokratieförderung und Extremismusprävention (MIND) GmbH mit Sitz in Berlin.
Heike Steinweg

Islamismus-Experte Ahmad Mansour. Der Israeli arabischer Herkunft ist Geschäftsführer der Mansour-Initiative für Demokratieförderung und Extremismusprävention (MIND) GmbH mit Sitz in Berlin.

Zuletzt hatte die MOPO über den 25-jährigen Hamburger Raheem Boateng berichtet. Der Student mit deutschem Pass, deutscher Mutter und ghanaischem Vater ist der Kopf von „Muslim Interaktiv“. Via TikTok postet er regelmäßig Videos, in denen er auf äußerst eloquente Art und Weise und in deutscher Sprache als selbsternannter Prediger den Koran auslegt. Dabei stellt er die Muslime fortwährend als Opfer dar, die überall – in Deutschland wie im Rest der Welt – unterdrückt, verfolgt und bedroht würden.

Mansour sagt, Boateng und seinesgleichen hätten es derzeit besonders leicht, ihre Propaganda an den Mann zu bringen: Für die Islamisten sei der Krieg in Gaza ein Geschenk. Die Bilder von vorrückenden israelischen Soldaten und notleidenden Palästinensern, die hilflos in völlig zerstörten Städten dahinvegetierten, würden von den Internet-Islamisten genutzt, „um Jugendliche zu radikalisieren“.

Gaza-Krieg bringt viele Muslime auf Distanz zur deutschen Mehrheitsgesellschaft

Das werde nachhaltig Folgen haben, so Mansour. „Diese medialen Kampagnen werden die Jugendlichen noch viele Jahre beeinflussen“, glaubt er, „und sie vor allem noch viele Jahre auf Distanz zur deutschen Mehrheitsgesellschaft, zu Deutschland und zur deutschen Politik halten.“

Er ist der Kopf von „Muslim Interaktiv“: Raheem Boateng (25) hat den deutschen Pass, ist jung und hip. Als Pseudo-Imam ködert er im Internet junge Muslime.
Imago

Er ist der Kopf von „Muslim Interaktiv“: Raheem Boateng (25) hat den deutschen Pass, ist jung und hip. Als Pseudo-Imam ködert er im Internet junge Muslime.

Es sind vor allem Angehörige der dritten Einwanderergeneration, die den Rattenfängern auf den Leim gehen. Warum ausgerechnet sie so empfänglich sind für islamistische Parolen und für Visionen vom Kalifat?

„Weil es nicht wenige junge Muslime gibt, die sich hierzulande aufgrund ihres Glaubens ausgegrenzt, nicht akzeptiert fühlen. Auf genau solche Menschen haben es diese Pseudo-Imame im Internet abgesehen“, sagt der Vertreter einer liberalen islamischen Hamburger Gemeinde im Gespräch mit der MOPO. „Im Grunde wirken da dieselben Mechanismen wie bei rechter Radikalisierung: Manche junge Deutsche, die sich ausgeschlossen fühlen, werden Neonazis, manche junge Muslime, die sich ausgeschlossen fühlen, werden Islamisten.“

Der, der hier spricht, will namentlich nicht genannt werden. Warum? „Weil diese Pseudo-Imame mich schon lange auf dem Kieker haben. Muslime wie ich, die für Verständigung mit Christen und Juden eintreten, werden von denen als Verräter und Abtrünnige bezeichnet. Ich bekomme laufend Drohmails, in denen es heißt, ich sei kein richtiger Moslem. Ich will denen nicht noch mehr Munition liefern. Deshalb meinen Namen besser nicht nennen.“

NRW-Innenminister Reul will ein Verbot von „Muslim Interaktiv“ – wie sieht Andy Grote das?

Dass sogar schon Muslime Angst vor der Rache der Islamisten haben müssen, zeigt, wie gefährlich die Lage ist. Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte bereits im November von Bundesinnenministerin Nancy Faeser ein Verbot der Gruppen „Muslim Interaktiv“, „Generation Islam“ und „Realität Islam“. „Bislang ist aber nichts passiert. Das halte ich für einen Fehler“, so Reul am vergangenen Mittwoch.

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD)
dpa | Daniel Löb

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD)

Und wie steht Hamburgs Innensenator Andy Grote dazu? Hält er auch ein Verbot für nötig? Er drückt sich diplomatisch aus: „In der Innenministerkonferenz sind wir uns einig darin, dass es mehr denn je ein hartes und entschlossenes Vorgehen gegen islamische Extremisten und antisemitische Hetze und Propaganda in Deutschland geben muss“, sagte er der MOPO. „Dazu zählt auch die Prüfung und Umsetzung weiterer Betätigungs- und Vereinsverbote.“ Heißt so viel wie: Auch er will ein Verbot.

Februar 2022 auf dem Jungfernstieg: Mitglieder von „Muslim Interaktiv“ haben sich Haftlingskleidung übergezogen, protestieren so gegen die Unterdrückung der muslimischen Uiguren durch den chinesischen Staat.
Tele News Network

Februar 2022 auf dem Jungfernstieg: Mitglieder von „Muslim Interaktiv“ haben sich Haftlingskleidung übergezogen, protestieren so gegen die Unterdrückung der muslimischen Uiguren durch den chinesischen Staat.

Andy Grote beteuert, dass die Sicherheitsbehörden in Hamburg das Treiben der Islamisten genau im Blick haben und durchgreifen, wo es notwendig ist. Weil erkannt worden sei, dass Islamisten zunehmend das Internet für Vernetzung, konspirative Kommunikation und islamistische Propaganda nutzen, seien bereits im Herbst 2022 die „Cyberagents“ gegründet worden, eine eigene Internet-Spezialeinheit Islamismus. Und als im vergangenen Herbst „Muslim Interaktiv“ versucht habe, vor dem Hintergrund der Lage in Nahost auf Hamburgs Straßen Fuß zu fassen, sei konsequent gehandelt worden. Es habe mehrere Durchsuchungen gegeben. „Zudem konnten einige Social Media-Kanäle auf Initiative der Sicherheitsbehörden abgeschaltet werden.“ 

Was allerdings „Muslim Interaktiv“ nicht daran hinderte, neue Kanäle aufzumachen. Raheem Boateng ist nach wie vor auf TikTok aktiv, hetzt dort weiter gegen den angeblich verdorbenen korrupten Westen und glorifiziert den Islam – oder das, was er dafür hält. Nahezu täglich.

Warum so viele junge Muslime hierzulande von einem Kalifat Deutschland träumen wurde gefunden bei mopo.de

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