Ein Blick hinter die Kulissen

Ein Blick hinter die Kulissen

Für viele Leser aus dem Banat ist die Pipatsch-Seite, die jede Woche in der „Banater Zeitung” erscheint, ein Genuss, denn sie bietet fast immer die Gelegenheit zum Schmunzeln oder gar laut Lachen. Den älteren Deutschen, vor allem den auf dem Land lebenden, sind die banatschwäbischen Mund-arten geläufig, doch für die jüngeren Leser ist die Pipatsch-Seite nicht auf Anhieb verständlich. Einige dieser Leser müssen die Texte laut lesen, um alles, was dort geschrieben steht, zu verstehen. Zwar ähneln sich die Mundarten überhaupt nicht, trotzdem geben auch einige Siebenbürger Sachsen zu, regelmäßig die Pipatsch-Seite zu lesen. Dass die Pipatsch-Seite in banatschwäbischer Mundart (oder, besser gesagt: Mundarten) wöchentlich erscheint, dafür sorgt seit Jahrzehnten Helen Alba. 

Im vergangenen Herbst wurde die Gestalterin der Pipatsch-Seite vom Demokratischen Forum der Deutschen im Banat (DFDB) geehrt. Für ihren unermüdlichen Einsatz zur Pflege der banatschwäbischen Mundarten, aber auch der Sitten und Bräuche der Banater Schwaben erhielt Helen Alba die Ehrennadel in Gold des DFDB – die Verleihung fand im Rahmen des 30. BZ-Jubiläums im Temeswarer Adam-Müller-Guttenbrunn-Haus statt. 

Helen Alba ist eine waschechte Banater Deutsche. Bogarosch/Bulgăruș im Kreis Temesch nennt sich der Ort, an dem sie zur Welt kam, Kindergarten und Schule in deutscher Sprache besuchte. Nach dem Abschluss der achten Klasse besuchte sie dann in Temeswar das Lyzeum Nr. 2, das heutige „Nikolaus Lenau”-Lyzeum. Sie wohnte im Internat und hatte, vor allem im ersten Schuljahr, großes Heimweh, wie sie sich heute erinnert.

Bereits in der 11. Klasse beschloss sie, nach dem Abitur Medizin zu studieren. Doch es kam anders. Für die Aufnahmeprüfung an der Medizinhochschule war ein ärztliches Zeugnis nötig – und der Augenarzt erklärte Helen Kling damals als nicht tauglich, zu ihrer großen Enttäuschung. Sie beschloss, eine einjährige Pause einzulegen, um sich in der Zwischenzeit für Philologie vorzubereiten. Doch auch das sollte nicht sein. Sie lernte Simion Alba kennen und die beiden heirateten 1972. Ein Jahr später kam die Tochter Simona, 1975 dann auch der Sohn Claudio zur Welt. Helen Alba kümmerte sich um die Kinder, später kam Unterstützung auch von der Großmutter väterlicherseits. Sie suchte sich einen Arbeitsplatz und wurde im Unternehmen „Electromotor“ zur Motoren-Wicklerin ausgebildet. Der Beruf machte ihr zwar Spaß, doch eigentlich wollte sie mehr.

1990 suchte die „Neue Banater Zeitung” (NBZ) Mitarbeiter. Helen Alba bewarb sich, wurde zuerst als Korrektorin angestellt und bereits nach wenigen Monaten als Redakteurin eingestuft. Sie verfasste Mundarttexte, doch bald auch Nachrichten, Berichte und Reportagen in den Bereichen Kultur, Soziales und Schulwesen. 

1992 wurde die NBZ eingestellt und der „Banater Generalanzeiger” ins Leben gerufen, doch nur für kurze Zeit. Die paar Redakteure waren monatelang arbeitslos, unter ihnen auch Helen Alba. Am 10. November 1993 erschien erstmals die „Banater Zeitung” als  Wochenbeilage der ADZ und Helen Alba wurde als Redakteurin eingestellt. Ab dem Zeitpunkt war sie verantwortlich für die Mundartseite „Pipatsch“. Nach Journalistenlehrgängen in Nürnberg und Frankfurt begann auch ihre journalistische Laufbahn. „Vom Anfang an hat es mir riesigen Spaß gemacht, auszufahren, unsere Schwaben aufzusuchen, sie kennenzulernen und sie erzählen zu lassen. Es gibt nur wenige Banater Ortschaften, die ich nicht kenne. Und die Menschen waren froh, dass sich jemand die Mühe machte, mit ihnen zu plaudern, das Gehörte aufzuschreiben und es in der Pipatsch zu veröffenlichen”, erzählt Helen Alba. So lernte sie die vielen Banater Mundarten kennen – es war lustig und lehrreich zugleich, sagt sie heute. Doch schreiben – das tat sie immer nur auf „Bogaroscherisch“, in ihrer eigenen Mundart. Trachten- und Kirchweihfeste, Bälle, Jubiläen – Helen Alba war bei sehr vielen Veranstaltungen dabei. Die Freude war immer groß, wenn eine Einladung ins Haus flatterte. Zu den schönsten Momenten ihres Lebens zählt sie das jährliche Festival „Mir redde platt” in Saargemünd, Lothringen/Frankreich, an dem sie sich 2009 beteiligte und wo sie die „Pipatsch” vorstellte und aus ihren Büchern las. Sie kann auf sechs Bücher in banatschwäbischer Mundart und nicht nur zurückblicken – darunter „E Schmunzle vun der Heed“ aus dem Jahr 1996, ihre erste Veröffentlichung, „Schwowischi Gsetzle“ aus dem Jahr 2008 oder „Die Grellekett“, Prosa und Gedichte in Mundart, aus dem Jahr 2015. Als Mitglied des Literaturkreises „Stafette“ veröffentlichte sie auch zahlreiche Texte und Gedichte im Stafette-Jahrbuch und nahm an Lesungen im In- und Ausland teil. 

Zwischen der „Pipatsch” der NBZ, die vor der Wende erschien, und der „Pipatsch” der BZ habe es schon Unterschiede gegeben, erinnert sich Helen Alba. „Bei ersterer wurde schon einiges durch die Blume (also durch die Pipatsch) geschrieben, über das man nicht reden durfte”, sagt Helen Alba. Mit Hilfe der Mundart konnte man manchmal sogar der Zensur entkommen.

2006 trat Helen Alba in Frührente, doch auf Initiative des damaligen ADZ-Chefredakteurs Dan Cărămidariu wurde ihr ein Jahr später ein Mitarbeitervertrag angeboten. Die Pipatsch-Seite hat sie seitdem gar nicht aus den Händen gelassen, von zu Hause aus gestaltet und stets rechtzeitig geschickt. 2011 kam ihr Enkelsohn Simon zur Welt – eine riesengroße Freude für die stolze Oma.  

Im Laufe der vergangenen 30 Jahre bereiste Helen Alba – zuerst mit dem Fotoreporter Karl Szélhegyi-Windberger, dann mit Zoltán Pázmány – viele Banater Ortschaften, sie nahm an zahlreichen Veranstaltungen teil, unterhielt sich mit den Banater Schwaben und gewann viele Freunde. Viele dieser Menschen sind heute fleißige Mitarbeiter der Pipatsch-Seite, die Helen Alba per Mail ihre Mundart-Texte zuschicken. Helen Alba liest sie durch, kürzt und verbessert sie. Dann trifft sie eine Auswahl, damit die Seite einheitlich erscheint. „Ich bemühe mich, alle kirchlichen Feiertage und die Jahreszeiten zu beachten und stimme die Seite darauf ab“, verrät sie. Bilder und Zwischentitel muss es unbedingt geben, damit die „Pipatsch” gut aussieht, und oft schreibt auch sie einen kurzen Text dazu. Sie liefert die Texte für die Pipatsch-Seite immer eine Woche im Voraus. „Ich kann am besten morgens arbeiten, weil mir in der Nacht vieles einfällt“, sagt sie. 

Helen Alba ist nicht nur um die Pflege der Mundart, sondern auch um die Belange der Banater Deutschen bestrebt. Sie ist aktives Forumsmitglied, war von 2009 bis 2018 Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Temeswar und ist seit 2018 stellvertretende Vorsitzende des Temeswarer Deutschen Forums. Als Redakteurin der „Banater Zeitung” war sie jahrelang bei der Veranstaltung der „Worschtkoschtprob”, von Mundartautorentreffen und Kuchenausstellungen engagiert. Selbst nachdem sie freie Mitarbeiterin der BZ wurde, blieb sie weiterhin am Ball und veranstaltete das 40- und 50-jährige Pipatsch-Jubiläum. Ein ganz besonderes Ereignis, das Helen Alba organisierte, war das 250-jährige Ansiedlungsjubiläum ihres Heimatdorfes Bogarosch im Jahr 2019.

Helen Alba ist Trägerin der „Adam Müller-Guttenbrunn“-Medaille des Demokratischen Forums der Deutschen in Temeswar (SFDT) und Gewinnerin des BZ-Preisausschreibens zur Persönlichkeit, die sich ganz besonders zur Förderung von Sprache, Tradition und Kultur der Deutschen im Banat nach 1990 eingesetzt hat. Zwar kann sie heute vor allem krankheitsbedingt nicht mehr wie früher durchs Banat herumreisen – doch den Kontakt zu den Freunden und Mitarbeitern pflegt sie durch regen Schriftverkehr. Ihre Gedanken können wir nach wie vor auf der Pipatsch-Seite lesen, und ihre Stimme erklingt regelmäßig in der deutschen Sendung bei „Radio Temeswar“. Die sonntägliche Sendereihe „Daheim und unterwegs“, in der Helen Alba die Zuhörer auf eine Reise durchs Banat mitnimmt, gestaltet sie bereits seit 2008. Und: Auf der Homepage der Gemeinde Lenauheim veröffentlicht sie Geschichten aus dem Banater Dorfleben unter der Rubrik „Vun Driweriwer“. In banatschwäbischer Mundart, versteht sich. 

Stimmen

„Ich finde es als äußerst wichtig, dass die Pipatsch-Seite erscheint, weil dadurch die Mundart gepflegt wird. Ich bin Helen Alba und den anderen Mitarbeitern äußerst dankbar für ihren Einsatz, weil es nicht mehr viele gibt, die das tun können. Die Themen sind amüsant, interessant und abwechslungsreich. Die Seite ist auch sozial wichtig für unsere Landsleute, vor allem die auf dem Lande, die diese Mundarten noch sprechen.“
Ovidiu Ganț, Abgeordneter der deutschen Minderheit im Parlament Rumäniens

„Ich lese die Pipatsch regelmäßig. Ich habe auch keine Probleme mit dem schwäbischen Dialekt. Im Gegenteil, er ist für mich interessant und auf alle Fälle für einen Sachsen leichter zu lesen als für einen Banater Schwaben das Sächsische. Machen Sie nur weiter so!“
Paul-Jürgen Porr, Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien

„‚Unsere‘” Pipatsch hat zwar einiges mit der beliebten Banater Sommerblume gemeinsam, nämlich sie hebt sich etwas verwegen von den restlichen Seiten der ADZ/BZ ab. Was sie aber von dieser unterscheidet? Sie ist langlebiger als die Feldblume. Zum Glück!“
Dietlinde Huhn, Forumsvorsitzende in Großsanktnikolaus

„Die Pipatsch ist eine Zeitungsseite, die man nicht missen möchte. Sie pflegt nämlich eines der wenigen Merkmale unserer Unverwechselbarkeit, unsere Mundart. Frau Alba macht diese Seite mit viel Liebe und mit Mitarbeitern auf der ganzen Welt. Welch schöne Bestätigung!“
Peter-Dietmar Leber, Bundesvorsitzender der Landsmannschaft der Banater Schwaben 

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