Ein Nachmittag im KZ Dachau

Ein Nachmittag im KZ Dachau

Warum würde man mit Jugendlichen aus Rumänien auf einer München-Reise ausgerechnet das Konzentrationslager in Dachau besuchen? Einen Ort des Schreckens im Holocaust… Ja, wir haben darüber im Geschichtsunterricht gelernt. Doch es scheint eine andere Welt zu sein, eine vergangene, die uns nicht mehr berührt. Oder wie der Stoff aus einem Hollywood-Film oder einem Horror-Handyspiel, das man jeder-zeit abbrechen kann. Es gibt kaum noch Zeitzeugen aus dem Zweiten Weltkrieg, mit denen die Jugendlichen sprechen könnten. Das KZ aber war Realität. 

Das fortwährend Aktuelle daran sind die Fragen, die man sich an solchen „unangenehmen“ Orten der Vergangenheit stellt. Könnte so etwas wieder passieren? Was würde ich tun? Oder die Gefühle, die dort aufkommen. Hier einige Erfahrungsberichte von Jugendlichen aus Bukarest nach einem Besuch im Konzentrationslager (KZ) Dachau:

„Ich bin von dort sehr verwirrt weggegangen”
Alma Căpățână, 9. Klasse, Goethe-Kolleg, Bukarest

Mein Besuch im Konzentrationslager Dachau hat mich mit einem unruhigen Gefühl gelassen. Ich weiß theoretisch, wie Hitler Menschen, die nicht seinen Maßstäben entsprachen, behandelt hat, aber es ist etwas anderes, wenn man tatsächlich in einem Konzentrationslager ist.

Was ich echt toll fand, war die „sprechende Fernbedienung“, ein Audioguide, den wir am Eingang gemietet haben. Somit konnten wir uns manchmal einfach hinsetzen und einige Beschreibungen und insbesondere Geschichten von Überlebenden anhören: wie sie im KZ lebten, wie sie sich fühlten und was sie machen mussten, damit sie nicht sterben. Es gab auch Berichte in anderen Sprachen die wir uns angehört haben, einfach nur um zu hören, wie diese Sprachen klingen und vielleicht auch um unsere Moral zu erhöhen, weil…. ich weiß nicht, wie ich das Gefühl erklären soll, aber es ist nicht angenehm, ein KZ zu besichtigen.Wir konnten dieses Gerät zu zweit benutzen: Eine von uns hielt das Gerät und die andere eine Karte mit den Nummern der Exponate, die wir dann in das Gerät eintippen mussten, um die Erklärungen zu hören.

Der erste Punkt auf meiner Karte, war das Eingangstor. Darauf standen die Wörter aus Metall: „Arbeit macht frei”. Dieser Satz scheint mir auch jetzt, wo ich wieder zu Hause bin, so grausam höhnisch an diesem Ort zu sein. Hinter dem Tor lag der sogenannte Appellplatz, ein großer Hof, wo alle Gefangenen zusammengebracht wurden. Ich bin zuerst nach rechts gegangen, in einem langen Gebäude, welches den Appellplatz in einem Halbkreis umgibt. Alle Räume dieses Gebäudes waren voll mit Plakaten über die Geschichte des Ortes, über den Aufstieg Hitlers und den zweiten Weltkrieg. Viele Informationen waren neu für mich. Ich habe viel Zeit in den ersten Räumen verbracht und über die Konzentrationslager der Nazis gelernt. Es gab auch viele Informationen zur Propaganda von Hitler und ich habe endlich verstanden, wie Hitler mit der Hoffnung der Menschen gespielt hat, um an die Macht zu kommen.

Meine zweite Lieblingssache in Dachau war der Kinosaal. Der Film dort hat mir klare und einfache Informationen über Dachau gegeben und ich konnte die Überlebenden auch sehen, nicht nur hören. Ich erinnere mich noch an die Sterne der Gefangenen. Die Juden hatten zwei Dreiecke, so dass sie wie Davids Stern aussahen. Interessant war auch, dass die Gefangenen keine Namenschilder hatten, sondern Nummern.

Danach wollte ich den „Bunker“ besichtigen. Ich wusste nicht sicher, wo er war, weil ich ein unterirdisches Gebäude erwartet habe. Der eigentliche „Bunker” war aber nur ein langes Haus, in dem das Gefängnis war. Die Zellen waren klein, leer und farblos, vielleicht etwas größer als mein Badezimmer. Und sie hatten nur ein kleines Fenster, oben. Einige Räume hatten auch Beschreibungen der Gefangenen, die sie bewohnt haben. Es waren wenigstens 20 solche Zellen. Ich war wütend und traurig gleichzeitig, dass Menschen so etwas durchleben müssen.

Als nächstes sind wir zu den Baracken gegangen. Auf dem Weg konnte ich in der Mitte des Appellplatzes, ganz alleine, einen meiner Freunde sehen: er spielte am Handy, als ob ihn dieser Ort überhaupt nicht berührt hätte – das schien mir traurig. Ursprünglich gab es 34 Baracken, aber es stehen nur noch zwei, die anderen wurden abgerissen und es sind nur die Konturen der Fundamente zu sehen. Hier waren die Schlafräume der Gefangenen. In den Zimmern konnte man sehen, wie die Betten entlang der Zeit immer näher aneinander gerückt wurden, um immer mehr Gefangene zu beherbergen. Im letzten Saal schliefen die Menschen wie Sardinen in einer Dose. Es gab auch einen Gemeinschaftsraum und ein einziges gemeinsames Badezimmer für alle. 

Am anderen Ende des Konzentrationscamps haben wir bei der Gedenkglocke eine Pause gemacht. Wir waren müde nach dem langen Herumgehen. Sehr interessant schien mir hier auch das jüdische Monument: man geht da auf eine Rampe hinunter und die Wände sind mit hebräischen Buchstaben beschrieben, die ich nicht kannte. Dieser Ort war anders als der Rest des Museums und hatte einen anderen Vibe: es war nicht mehr ein Museum, sondern inspirierte mich wirklich, an die Juden zu gedenken, die da gestorben waren, auch wenn ich sie nicht gekannt habe.

Gleich daneben waren die evangelische Kirche und das Krematorium. Die Kirche war im zickzack gebaut und im Eingangstunnel war es dunkel. Aber am Ende führte er in eine Art kleinen Hof hinaus, ans Tageslicht. Dieser ganze Weg symbolisierte, dass auch nach jedem schweren Weg durch die Dunkelheit, am Ende immer wieder das Licht zu sehen ist.

Die Krematorien, also dort wo Menschen verbrannt wurden, lagen in einem sehr schönen Garten. Der Weg dahin ging über eine Brücke und einen kleinen Bach. Dieser Kontrast schien mir etwas widersprüchlich. Es war so, als ob man nicht traurig sein konnte, weil der Garten so schön war. Oder vielleicht symbolisierte der schöne Garten, dass das Leben weiter geht und auch aus einem grausamen Krematorium etwas schönes gemacht werden kann. Und es gab da tatsächlich Öfen, genau wie die Backöfen für Pizza. Ironisch. Überaus interessant war aber das große Krematorium, die „Baracke X“, wo auch die Gaskammer war. Die meisten Leute machten dort Fotos. Es war der einzige Raum ohne natürliches Licht. An der Decke gab es Löcher, wo Gas hinein geblasen werden konnte. Ansonsten ist da nicht viel zu sehen. Ich fand es jedenfalls traurig, dass ein neues Krematorium gebaut werden musste: es heißt für mich, dass das Lager sich organisierte, um noch mehr Leute umzubringen.

Ich bin von dort sehr verwirrt weggegangen. Ich bekam ein schlechtes Gefühl und war traurig für die Menschen, die dort gefangen waren und gelitten haben. Ich habe gelernt, ich soll mein leichtes Leben mehr genießen, wenn nicht für mich, dann für diese Leute.

„Es ist wichtig, mit den eigenen Augen zu sehen“
Edith Scarlat, 9. Klasse, Oberschule für bildende Künste „Nicolae Tonitza“, Bukarest

Als ich erfahren habe, dass wir Dachau besichtigen werden, dachte ich, dass es wahrscheinlich ähnlich sein wird wie die Gefängnis-Museen, die ich bereits in Rumänien gesehen hatte. Dort angekommen, habe ich aber festgestellt, dass Dachau doppelt so viel Geschichte verbirgt. Es war sehr traurig, darüber nachzudenken, wie viele Menschen dort leiden mussten, genau an dem Ort, an dem wir gemütlich spazieren gingen. 

Gleichzeitig fand ich einiges auch recht faszinierend. Es sind Sachen, über die ich auch im Geschichtsunterricht nicht gelernt haben. Ich hatte immer den Eindruck, Auschwitz wäre das Modell für alle Konzentrationslager der Nazis gewesen, aber hier habe ich erfahren, dass Dachau eigentlich das Modell war. Und in den Baracken konntest du dir wirklich vorstellen, unter welchen Bedingungen diese Menschen gelebt haben, so viele Personen in einem einzigen Zimmer. Der Appellplatz war eher traurig, denn die Häftlinge mussten da jeden einzelnen Tag vortreten, unabhängig vom Wetter. Und viele Häftlinge haben genau auf diesem Appellplatz ihr Leben verloren. 

Das ganze Konzentrationslager war für mich bedrückenden, aber am wenigsten hat mir der sogenannte „Bunker“ gefallen. Es war ein Gefängnis. Die Baracken waren der Horror, aber der „Bunker“ war gräßlich: Menschen hinter Metalltüren mit Gittern, eingesperrt, in einem Raum, vielleicht sechs bis acht Quadratmeter groß, ein kleiner Würfel, wie ein Umkleideraum, wo auch die Toilette war.

Wenn ich gut darüber nachdenke, war das KZ ziemlich gut organisiert: wie die Häftlinge für bestimmte Tätigkeiten ausgewählt wurden, wie die Unterkunft organisiert wurde. Das ist recht traurig aber … man kann eben gut organisiert sein, auch wenn man Böses tut. Eigentlich, wenn die  KZs  nicht so gut organisiert gewesen wären, hätten sie sicherlich nicht so einen Erfolg gehabt – für die Nazis, meine ich. Effizient war auch die Einteilung der Häftlinge:  es gab eine Art Abzeichen auf den Uniformen. Ich hätte niemals gedacht, dass man Menschen über Farben klassiffizieren kann: der Immigrant hatte diese Farbe, der Politiker eine andere Farbe, usw. Dieser ganze Organisierungsprozess war sehr interessant für mich.

Sehr beeindruckend schienen mir diese unterschiedlichen Kapellen und Kirchen unterschiedlicher Religionen. Es gab Menschen, die einfach da saßen und wahrscheinlich an deren verstorbene Familienmitglieder dachten. Wirklich sehr beeindruckend. 

Den Film, den wir im Museum gesehen haben, fand ich toll,  er bietet eine komplette Zusammenfassung des gesamten Museums. Anstatt drei Stunden lang spazieren zu gehen und zu lesen, kann man in vielleicht einer Stunde alles erfahren. Natürlich ist es auch wichtig, diesen Film im Lager selbst zu sehen, besser als daheim auf der Couch. 

Was mich noch beeindruckt hat, war die Gaskammer. Ich hätte mir niemals im Leben gedacht, dass eine Person darüber nachdenkt wie man einen Raum aufbaut, in den man Menschen hineinbringt, um sie dort zu vergasen. Es ist schockierend, dass bestimmte Menschen froh und glücklich sind, wenn sie andere quälen oder sie verspotten. 

Im Geschichtsunterricht hat man uns nicht gerade erklärt, wie diese Konzentrationslager funktionierten und wie die Nazis die Menschen umgebracht haben. Man hat uns einfach nur erklärt, dass sie armselige Lebensbedingungen hatten, dass sie „umgebracht“ und „vergast“ wurden. Es ist sehr wichtig, bestimmte Sachen auch persönlich, mit den eigenen Augen zu sehen, nicht nur darüber zu hören. Jetzt ist es für mich viel klarer wie alles verlaufen ist, auch wenn alles so traurig ist.

„Wie konnten Menschen anderen so etwas antun?“
Alexandru Obiziuc, 9. Klasse, Goethe-Kolleg, Bukarest

Als wir das Gelände betraten, überkam mich ein seltsames Gefühl. „Jetzt trete ich gerade auf den Weg, wo so viele Menschen ihren schmerzhaften Kampf begonnen haben.“ 

Das Konzentrationslager Dachau war kein Vernichtungslager wie Auschwitz, sondern ein Lager, wo die Häftlinge Zwangsarbeit durchführen mussten. Trotzdem kamen dort etwa 41.000 politische Gefangene, Kriegsgefangene und andere wegen Nahrungsmangel, unmenschlichen Bedingungen und der Brutalität der SS ums Leben. 41.000 ist eine riesige Zahl! 41.000 Menschen leben  in einer ganzen Stadt. Zu bedenken ist aber, dass das KZ Dachau nur eines von den vielen, vielen Orten des Todes und Leidens war, die es in der Zeit des Nationalsozialismus gab.

Für mich war alles schwer zu begreifen: wie konnten einige Menschen anderen so etwas antun? Die Überlebenden erzählten über die Grausamkeiten, die sie Tag für Tag und Nacht für Nacht erlebten. Sie wurden ständig geschlagen und grob herabgewürdigt. Am Ende, nach dem Besuch des Krematoriums, fühlte ich mich ganz erschüttert. Wenn jemand versucht, sich in die Lage des Gefangenen zu versetzen, wird er sehr dankbar sein, dass er in diesem Jahrhundert lebt. 
Ein Konzentrationslager zu besuchen ist meiner Meinung nach sehr wichtig, wenigstens einmal im Leben sollte man das tun. Ich hoffe, dass solche Orte auch weiterhin existieren werden und dass Menschen sie auch besuchen werden, um zu lernen, solche Gräueltaten niemals zu wiederholen.
 

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