„Er hinterfragt alles – auch sich“: So tickt HSV-Coach Baumgart in der Krise

„Er hinterfragt alles – auch sich“: So tickt HSV-Coach Baumgart in der Krise

Sie ist düster, sehr düster. Erneut. Und auch wenn Steffen Baumgart beim Beschreiben der sportlichen Situation das Wort mit K umschifft, ist ihm doch klar, worin sich der HSV seit Samstagabend mal wieder befindet: in einer Krise. „Es ist ein Ergebnissport“, weiß der Trainer. „Und wir holen die Ergebnisse nicht.“ Seit Wochen. Weshalb Baumgart als Hamburgs Krisen-Manager gefordert ist. Aber kann er das überhaupt? Die MOPO hat sich bei einem langjährigen Wegbegleiter des HSV-Coaches umgehört.

Krise ist ein großes Wort. Mit Blick aufs vergangene HSV-Jahrzehnt wohl sogar ein inflationär verwendetes – auch von extern, den Fans und Medien. Das haben sich der Verein und seine handelnden Personen in erster Linie selbst zuzuschreiben. Schwierige Phasen durchlebte Baumgart aber auch andernorts schon, zum Beispiel in der Saison 2019/20 beim SC Paderborn. Allerdings in der Ersten Liga. Als Aufsteiger. Weshalb der Begriff „Krise“ immer im Gesamtkontext einzuordnen ist.

Martin Przondziono arbeitete mit Baumgart in Paderborn

„Aber natürlich gab es Phasen, in denen wir sehr unglücklich und unzufrieden waren“, bestätigt Martin Przondziono. Der 54-Jährige agierte in der Aufstiegs-Saison 2018/19 als Paderborns Sportlicher Leiter, ehe er zum Sport-Geschäftsführer aufstieg und in der Bundesliga Baumgarts direkter Vorgesetzter war – bis sich der SCP im April 2020 von Przondziono trennte, inmitten der Corona-Pandemie und nach sechs sieglosen Spielen in Folge. Paderborn gewann auch danach kein einziges Bundesliga-Spiel mehr, stieg als abgeschlagener Tabellenletzter ab.

Ein Freund der Kommunikation: HSV-Trainer Steffen Baumgart ist derzeit als Krisen-Manager gefordert.
WITTERS

Ein Freund der Kommunikation: HSV-Trainer Steffen Baumgart ist derzeit als Krisen-Manager gefordert.

Baumgart durfte dennoch bleiben – weil er bei seiner Mannschaft, obwohl diese ihren Gegnern nur selten gewachsen war, stets den Nerv getroffen hatte. „Steffen hat in Krisen nie seinen Weg und seinen Glauben verloren“, sagt Przondziono der MOPO. „Was er in Paderborn immer vermittelt hat, ist, dass man dran glaubt. Aufgeben gibt es bei Steffen nicht.“ So aussichtslos die Situation auch sein mag.

HSV-Trainer Baumgart reflektiert auch stets sich selbst

In der Bundesliga sprach 2019/20 sehr früh vieles gegen Paderborns Klassenerhalt. Seit dem 0:1 gegen Kiel spricht jetzt kaum noch etwas für den HSV-Aufstieg. „Aber es hilft nicht, wenn du in Trauer rumläufst“, empfiehlt Baumgart seinen Profis. Sein Rat als Krisen-Manager lautet so: „Es hilft nur, wenn du den Kopf hochnimmst.“ Und wenn Baumgart selbst, der als Chefcoach in der Pflicht ist, die Lösungsansätze vorgibt.


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„Er ist reflektiert genug, dass er sich nicht rausnimmt“, erklärt Przondziono. „Steffen hinterfragt sehr viel, eigentlich alles – auch sich selbst.“ Seinen spielerischen Idealen sei Baumgart zwar schon in Paderborn stets treu geblieben: „Er ist nicht wie ein Fähnchen im Wind umgekippt“, hat Przondziono registriert. Der seit seinem SCP-Aus vereinslose Manager berichtet aber auch: „Steffen ist sehr offen, nimmt Ratschläge an. Wir haben öfter mal über die Aufstellung diskutiert.“

Auch beim HSV nimmt Baumgart keine Rücksicht auf Namen

Auch nach der Pleite gegen Kiel wurde kritisch debattiert, diesmal über die Startelf des HSV. Baumgart jedoch verteidigte zum Beispiel sein Vertrauen in Levin Öztunali, während Jean-Luc Dompé und Bakery Jatta auf der Bank saßen. „Bei Steffen“, erklärt Przondziono, „gibt es keine großen Namen, auf die er Rücksicht nimmt.“ Vielmehr belohnt Baumgart Trainingsleistungen und hält, etwa hinsichtlich angeschlagener Spieler, an seinen Prinzipien fest – auch in Krisenzeiten.

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„Steffen verfällt nicht in Aktionismus“, ist sich Wegbegleiter Przondziono sicher. „Und wenn er in Paderborn doch mal unruhig geworden ist, war das normal. Denn das werden wir alle, wenn es um viel geht.“ Für den HSV geht es nun wohl nicht mehr um den ersehnten Aufstieg. Aber für Coach Baumgart darum, seine Profis aufzubauen, um die Saison bestmöglich zu beenden.

„Steffens Ansprache ändert sich jetzt nicht“, glaubt Przondziono. „Seine größte Stärke ist, dass er sehr kommunikativ ist.“ Noch ein großes Wort mit K also – um das andere loszuwerden.

„Er hinterfragt alles – auch sich“: So tickt HSV-Coach Baumgart in der Krise wurde gefunden bei mopo.de

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