Hasserfüllte Chats, brutaler Übergriff: Ein G20-Polizist als Menschenfeind

Hasserfüllte Chats, brutaler Übergriff: Ein G20-Polizist als Menschenfeind

Die Nachrichten in einem Chat sind menschenverachtend, gewaltverherrlichend und rassistisch. Verfasst von einem Polizisten, der vor sieben Jahren während G20 in Hamburg an einer Prügelorgie gegen friedliche Demonstranten beteiligt gewesen sein soll. Nun führen sie endlich zu disziplinarrechtlichen Vorermittlungen.

Die Akte war schon oft geschlossen, jetzt wird sie wieder geöffnet. Ein Polizeiobermeister aus Baden-Württemberg, gegen den die Hamburger Generalstaatsanwaltschaft jahrelang wegen des Vorwurfs ermittelte, er habe während des G20-Gipfels in Hamburg einer Demonstrantin ohne ersichtlichen Grund das Wadenbein gebrochen, könnte nun doch belangt werden – nicht strafrechtlich, aber dienstrechtlich. Das zuständige „Polizeipräsidium Einsatz“ im baden-württembergischen Göppingen bestätigte, nun disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen den heute 36-jährigen K. eingeleitet zu haben.  

Polizeivideo dokumentiert die Prügelorgie

K. ist einer von drei Beamten, die im Verdacht stehen, in der Nacht vom 8. auf den 9. Juli 2017 Lola D., die zuvor nur unter dem Motto „Lieber tanz ich als G20“ auf der Straße getanzt hatte, grundlos geschlagen und ihr dabei das Wadenbein gebrochen zu haben. Ein Polizeivideo dokumentiert diesen Vorfall, doch die Bilder sind so verwackelt und unscharf, dass später drei namentlich bekannte Beamte, alle aus der „Beweissicherungs- Festnahmeeinheit (BFE) 1160“ aus Baden-Württemberg, als Täter infrage kommen.


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Mehrfach werden die Ermittlungen gegen K. eingestellt und auf Druck der Medien und des Anwalts der Geschädigten, Dieter Magsam, wieder aufgenommen – schließlich kommt es im Februar 2023 zu einer Hausdurchsuchung bei dem Verdächtigen. Speichermedien werden beschlagnahmt und deren Chatverläufe zunächst von der Hamburger Dienststelle Interne Ermittlungen (DIE) ausgewertet, die auch auf einen Chat stößt, „welcher den Verdacht erhärtet, dass es sich bei K. um den Täter handelt“.

„BFE – Jagen und keine Gnade!“ Dieses Bild wurde in einem Handy gefunden.
hfr

„BFE – Jagen und keine Gnade!“ Dieses Bild wurde in einem Handy gefunden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hingegen kommt nach Auswertung der Daten zwar zu dem Schluss, dass K. „im Verlaufe der Hamburger Einsätze Gewalt angewendet und Gefallen hieran gefunden hat“, doch sei ihm nicht „mit der für eine Anklageerhebung erforderlichen Sicherheit nachzuweisen“, dass er es war, der Lola D. das Wadenbein gebrochen habe. Im Oktober 2023 stellte sie daher alle Ermittlungen ein. 

G20-Polizist freut sich über die Gewalt beim Gipfel in Hamburg

Die sichergestellten Chats, die laut einer Protokollnotiz der DIE auf „eine hohe Gewaltbereitschaft und menschenverachtendes Verhalten … und eine rassistische Gesinnung“ des Beamten K. schließen lassen, aber haben nun ein Nachspiel.  Und das, obwohl K. viele Nachrichtenverläufe gelöscht hat, die aber teilweise rekonstruiert werden konnten – wobei oft nicht mehr nachvollziehbar ist, welcher Chatpartner was geschrieben hat. 

Auf seinem Mobiltelefon findet sich ein am 9. Juli 2017 – einen Tag nach dem Schlagstockeinsatz gegen Lola D. – erstelltes Bild, das eine Silhouette des Hamburger Hafens zeigt, über die ein Schriftzug gelegt ist, der aus seiner Sicht den Zweck der Einheit definiert: „BFE: Jagen und keine Gnade“.

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Drei Wochen später beschreibt der damals 28-jährige Polizist in einem Chat, wie er den G20-Einsatz erlebt hat: „Schlimm. Diese ganze Gewalt und Zerstörung. Das war ein Scherz. Es war mega gut! Hoffe nur, dass ich keine Post aus Hamburg bekomme.“ Auf die anschließende Nachfrage, ob er „ordentlich ausgeteilt“ habe,  antwortet  K. mit einem schlichten „Ja“.

Einmal schreibt K. an eine Kontaktperson: „Heute konnte ich seit langem endlich wieder einen Menschen schlagen“, das sei „richtig befriedigend“ gewesen. Dann wieder geht es um Videomaterial in eigener Sache: „Hast du generell noch Zeug von unseren Prügelorgien?“ Und bei einem Einsatzbericht von einer 1.-Mai-Demo im Jahr 2019 schreibt einer: „Hoffentlich kann ich einem noch einen Eka auf den Kopf schlagen!“ Der Begriff „Eka“ steht im Polizeijargon für Schlagstock. 

In Chats beleidigt Polizist rassistisch

So gewaltberauscht einige Chatprotokolle daherkommen, so rassistisch sind andere.  Da betont K., er habe „Zweifel an der Intelligenz jedes Polizeibeamten, der kein Rassist ist“. In einem anderen Chatverlauf geht es darum, mal wieder eine Gelegenheit zu bekommen, „Kan***** und N**** schlagen“ zu können. In einem weiteren sichergestellten Chat wird ein abzuschiebender Asylbewerber als „eselfi****** Fachkraft“ verunglimpft. An anderer Stelle schwadronieren K. und eine Kontaktperson von einem „Land, in dem wir gut und gerne leben“, das den Namen „Nationalsozialistische Republik Neu Deutschland“ tragen könne.

Das zuständige „Polizeipräsidium Einsatz“ in Göppingen prüft seit einigen Tagen disziplinarrechtliche Vorermittlungen gegen K. Präsidiumssprecher Alexander Notz betont, vor eigenen Ermittlungen habe die Polizei zunächst den Ausgang der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abwarten müssen. Nun habe die Hamburger Generalstaatsanwaltschaft die Akten übergeben, die sichergestellten Chats würden genau ausgewertet.

„Nach fast sieben Jahren beginnt endlich das Disziplinarverfahren“, freut sich Rechtsanwalt Dieter Magsam. Das Ergebnis der Auswertung aller Ermittlungsakten steht für den Hamburger Anwalt schon heute fest: „Nach solchen Chats ist die Entfernung des Verfassers aus dem Dienst absolut unumgänglich.“ Magsam hat wenig Verständnis dafür, dass es „nach der definitiven Einstellung des Ermittlungsverfahrens im Oktober 2023 noch monatelang gedauert hat“, bis die Dienstbehörde nun ihre Arbeit aufgenommen hat. Zudem sei es „schwer erklärbar, wieso den Vorgesetzten über Jahre hinweg die rechtsradikalen und gewaltverherrlichenden Tendenzen innerhalb ihrer Einheit verborgen blieben“.  Doch das wird wohl nie ermittelt werden.

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