„Ich würde mich als Europäer bezeichnen…“

„Ich würde mich als Europäer bezeichnen…“

Patrick Altfater, Jahrgang 1999, hat sathmarschwäbische Wurzeln, die bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zurückreichen. Trotz seines jungen Alters hat er bereits zahlreiche Erfahrungen in diversen (inter)kulturellen Projekten gesammelt. Er war von jung an innerhalb der deutschen Gemeinde in Sathmar/Satu Mare engagiert. Nach dem Abitur am Deutschen Theoretischen Lyzeum „Johann Ettinger“ in Sathmar und dem Studiengang Europa-studien an der Babeș-Bolyai-Universität in Klausenburg/Cluj arbeitet er heute für den Industriekonzern Linde in Rumänien. Entgegen vieler seiner Altersgenossen ist er seiner Heimatstadt treu geblieben. Über Identität, Chancen, Jugendarbeit sowie politisches Engagement sprach er mit ADZ-Redakteur Arthur Glaser.

In einem zusammenwachsenden Europa fühlen sich viele junge Menschen als Europäer. Sie haben deutsche Wurzeln und leben hier in der multikulturellen Region Sathmar. Was bedeuten Ihnen diese Wurzeln und Ihre Identität?

Heutzutage ist die große Mehrheit der Menschen und Jugendlichen der Meinung, dass sie eine europäische Identität haben, was meiner Meinung nach ein Zeichen für unsere Entwicklung als Gesellschaft ist. Das bedeutet, dass der Schwerpunkt nicht mehr unbedingt auf der Nationalität oder der Ethnie liegt, sondern mehr auf der Person. In jeder Person ist auch ein Erbe, eine Kultur, eine Tradition und ein Herkunftsort verankert.

Ich würde mich als Europäer bezeichnen, da ich in einem multikulturellen und multiethnischen Raum lebe, aber ich habe gleichzeitig auch schwäbische Wurzeln. Diese Wurzeln bringen ein so genanntes „Erbe“ mit sich. Was ich mit Erbe meine, ist ein umfangreiches Erbe der Herkunft, welches bereits meine Vorfahren gestalteten und somit unsere heutige Kultur und Traditionen geformt haben. Ich befasse mich mit diesen Traditionen, weil sie uns letztlich auch als Menschen prägen. Diese Tradition und Kultur haben mich auch dazu gebracht, in meine Heimatstadt zurückzukehren.

Sie waren von jung an in der deutschen Gemeinschaft und beim Demokratischen Forum in Sathmar engagiert. Wie hat Sie dieses Engagement geprägt?

Mein Engagement begann schon in der ersten Klasse. Anfangs war ich Mitglied der Jugendtanzgruppe „Gemeinsam“. Mit zunehmendem Alter habe ich mich natürlich auch in verschiedenen Projekten und Kulturveranstaltungen eingebracht, wie zum Beispiel beim Fasching. 

Als Teenager war ich Mitglied des Jugendradioteams der deutschsprachigen Sendung „Deutsch Express“ in Sathmar. Zu diesen Aktivitäten gehörte natürlich auch, dass ich bei verschiedenen Festen des Demokratischen Forums mit der Tonanlage oder auch bei der Organisation dieser Veranstaltungen geholfen habe. Weiter habe ich mich auch in zahlreichen Projekten des ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) in Kooperation mit dem Forum engagiert. Ein besonderes Projekt war die Reihe „Deutscher Filmabend“, die übrigens einen großen Erfolg hatte. Wir organisierten mehrere dieser Abende an unterschiedlichen Orten, von denen einer mehr als 100 Zuschauer anzog.

Während meines Studiums war ich auch als Kulturassistent beim ifa tätig und organisierte das Projekt „Interkultura“, das damals in Schäßburg/Sighișoara stattfand. Bei diesem Projekt ging es darum, verschiedene ethnische Gruppen aus dem Jugendbereich (z. B. Rumänen, Roma, Deutsche) mit dem Ziel der persönlichen Entwicklung und der Entwicklung interethnischer Beziehungen zusammenzubringen.

Als Höhepunkt meines Engagements für das Forum würde ich das Jahr 2020 werten, als ich bei den Lokalwahlen als Vertreter des Deutschen Forums im Kreiswahlamt und bei den Parlamentswahlen als Vertreter der parlamentarischen Minderheitengruppe benannt wurde. Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich einen großen Teil meines Lebens innerhalb der deutschen Gemeinschaft verbracht habe. Und ich möchte auch weiterhin alles unterstützen, was diese Gemeinschaft betrifft.

Sie haben das deutsche theoretische Lyzeum „Johann Ettinger“ besucht und danach auch in deutscher Sprache weiter studiert. Werden Schülerinnen und Schüler in den deutschsprachigen Bildungseinrichtungen ausreichend vorbereitet?

Ich persönlich denke, dass die deutschsprachige Ausbildung an meiner Schule überdurchschnittlich gut war. Durch den Besuch des Lyzeums war Deutsch viel mehr als nur ein Unterrichtsfach. Ebenso haben mich die verschiedenen außerschulischen Aktivitäten sowie das Austauschprogramm, das in der Schule angeboten wurde, weitergebracht. Das vermittelte deutsche Sprachniveau hat mich gut auf mein deutschsprachiges Studium sowie mein Berufsleben vorbereitet.

Sie haben nach dem Abitur in deutscher Sprache Europastudien in Klausenburg studiert. Welche Fähigkeiten und Werte vermittelt der Studiengang?

Dieses Studium habe ich gezielt gewählt. Ich habe die Fakultät für Europastudien und Internationale Beziehungen an der Babeș-Bolyai Universität auf Deutsch wegen der Breite der Fachrichtung ausgesucht. Von europäischer Geschichte über Wirtschaft und Verwaltung bis hin zu internationalen Beziehungen und Politik wird alles in diesem Studium vermittelt. Ich habe dadurch die europäische Politik und internationalen Beziehungen sowie den europäischen Raum vom Mittelalter bis zur Gegenwart studiert. Es gibt einem einen besseren Blick darauf, warum und wie Ereignisse geschehen, wie Politik an sich funktioniert und vor allem wie alle inner- und außereuropäischen Beziehungen funktionieren, da alles auf eine internationale Agenda hinausläuft. Wirtschaft und Verwaltung sind wichtige Säulen einer Gesellschaft. Sie gewährleisten die Funktionsfähigkeit einer Gesellschaft. Ich würde das vermittelte Wissen als Pflicht erachten. Zu diesen Fächern gehört auch das Recht, ebenfalls ein Wissen, ohne das ein modernes System nicht funktionieren kann. Alle genannten Fächer gehen Hand in Hand, und wenn man sich eingehender mit dem Studium des Rechts beschäftigt, wird deutlich, wie unsere heutigen Systeme geformt wurden. Dieses Studium hat mich als Person tief geprägt und weiterentwickelt. Ich kann sagen, dass mir ohne das im Studium erworbene Wissen der erfolgreiche Berufseinstieg so nicht gelungen wäre.

Welche Berufschancen hat man mit dem Studiengang? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Jeder hat seinen eigenen persönlichen Weg, je nachdem, was er studiert und wie er die Zukunft sieht. Was mich betrifft, kann ich sagen, dass ich auch durch meine Tätigkeiten im Demokratischen Forum der Deutschen Glück hatte, denn sie haben mir eine einzigartige Erfahrung gebracht. Meine ersten berufsvorbereitenden Erfahrungen begannen als Kulturassistent beim ifa, gefolgt von der Vertretung im Kreiswahlamt. Das Studium hat mich auf breiter Basis gut vorbereitet. Nach dem Abschluss hatte ich beim renommierten deutschen Unternehmen Zollner meinen Berufseinstieg. Dort fungierte ich als Produktions- und Bedarfsplaner für einen der größten Kunden der Firma. Danach bot sich mir die berufliche Möglichkeit, zur Linde Global Services in Rumänien zu wechseln, wo ich als Customer Service Specialist für ein großes Projekt eingestellt wurde und derzeit den größten Kunden des Unternehmens, die Volkswagen Group, betreue.

Viele Organisationen der deutschen Minderheit verweisen oft auf einen Mangel an jungen, engagierten Menschen. Das Demokratische Forum hat ja bereits eine Jugendstrategie auf den Weg gebracht. Wie kann das Forum die Jugendarbeit aus Ihrer Perspektive weiter verbessern?

Es gibt in der Tat einen Mangel an Jugendlichen, der auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist. Einer davon ist, dass junge Menschen nach dem Schulabschluss als nächsten Schritt in ihrem Leben ein Studium anstreben. Die meisten von ihnen entscheiden sich für ein Studium in einer anderen Stadt als ihrer Heimatstadt, was bei mir der Fall war. Zu diesem Zeitpunkt wird die Bindung an die Organisationen aus verschiedenen Gründen unterbrochen, z. B. wegen der Entfernung, der Integration in eine andere Umgebung und im Laufe der Zeit entscheiden sie sich oft auch dafür, in den Städten zu bleiben, in denen sie studiert haben, weil sie dort bessere Jobchancen haben. Unter diesen Umständen könnte man meiner Meinung nach versuchen, die Beziehungen durch verschiedene Projekte oder Programme aufrechtzuerhalten, die auf die Interessen junger Menschen ausgerichtet sind. Beispielsweise, dass die Traditionen mit den aktuellen Interessen der jungen Menschen verbunden werden sollten.

Dafür ist eine lange Planung erforderlich, die einen gut ausgearbeiteten Plan mit Zielen, den Aktivitäten selbst, Projekten und vor allem einen Plan für die Öffentlichkeitsarbeit beinhaltet. Im Moment kann ich nicht sagen, dass ich einen Plan habe, aber wenn es eine Initiative gäbe, würde ich mich engagieren, um dabei zu helfen, die Jugendarbeit zu verbessern. Meiner Meinung nach ist es machbar, wenn wir alle auf das gleiche Ziel hinarbeiten, dann kann auf jeden Fall etwas Großartiges dabei herauskommen.

In Rumänien haben wir dieses Jahr ein Superwahljahr. Bei den Wahlen vor vier Jahren haben Sie das Demokratische Forum im Wahlbüro des Kreises vertreten. Können Sie sich vorstellen, sich auch in Zukunft stärker politisch für das Forum und die deutsche Minderheit zu engagieren?

Wie ich bereits erwähnt habe, gehen meine berufliche Ausbildung und Erfahrung in gewisser Weise in diese Richtung. Wenn mir die Möglichkeit bzw. Chance gegeben wird, würde ich sie natürlich mit großer Freude und Ehre annehmen und 100 Prozent meines Wissens und meiner Erfahrung einsetzen, um gute Ergebnisse zu erzielen. 

Ich würde mich für die Identität und Kultur der deutschen Minderheit, aber auch unsere Interessen als Gemeinschaft einsetzen. Natürlich, wenn ich als junger Mensch dafür das Vertrauen und die volle Unterstützung des Forums habe.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

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