Märchenwelt der naiven Kunst versus Realitätsdarstellung der Naturfotografie

Märchenwelt der naiven Kunst versus Realitätsdarstellung der Naturfotografie

Am 2. April, dem dritten Ostertag, sind das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR) – Region Altreich und das Kulturhaus „Friedrich Schiller“ Gastgeber, nicht nur für die traditionelle Osterfeier, sondern auch für eine besondere Buchvorstellung gewesen. Nachdem Forumsmitglieder und -sympathisanten am Mittag gemeinsam die Auferstehung des Herrn mit Kuchen und Getränken gemeinschaftlich feierten, wurde am Nachmittag die zweisprachige Neuerscheinung in der nun sieben Bände starken Bildbandreihe des Altreichforums vorgestellt. „Phantasie und Realität/Fantezie și realitate“ ist Ende letzten Jahres im Honterus-Verlag, Hermannstadt/Sibiu mit der Unterstützung des Altreich-Forums und des Departements für Interethnische Beziehungen an der Regierung Rumäniens (DRI) erschienen und enthält farbenfrohe, märchenhafte Bilder naiver Kunst vom Banater Künstlerehepaar Doina und Gustav Hlinka, denen thematisch entsprechende Naturfotografien von Dr. Klaus Fabritius, Vorsitzender des Altreichforums und leidenschaftlicher Hobbyfotograf, gegenübergestellt werden. 

Das Buch haben die drei Autoren und Erwin Josef }igla, Vorsitzender des Forums der Banater Berglanddeutschen, der das Vorwort über das Künstlerehepaar unterschreibt, präsentiert. Das Vorwort über die naive Kunst und der Entwurf des Buches sind dem bildenden Künstler Eduard Duldner zu verdanken. 
Zunächst sprach Erwin Josef }igla, Mitglied des Landesvorstandes des DFDR und Kulturmanager im Banater Bergland, Herausgeber und Bibliothekar, ein Dankeswort an Dr. Fabritius, von dem die Idee des Buches stammt, an seine Frau, die Projektleiterin Aurora Fabritius, für ihre informationsreiche Einführung, an Carmen Cobliș, Geschäftsfüherin des Altreichforums, für die Einladung nach Bukarest und an das Regionalforum Altreich für die Förderung des Buches. }igla betonte dabei, „Dr. Fabritius vermittelt einen persönlichen Hauch von Sensibilität durch die Sorgfalt, mit der er seine Sujets auswählt, mit der er sich fotografisch ausdrückt und diese wunderbaren Fotos verarbeitet“.

Im Vorwort zum Buch erwähnte er, dass Gustav Ioan Hlinka kein neuer Name für die Banater Berglanddeutschen sei und seine Tätigkeit im kulturellen Bereich vor und insbesondere nach der Wende 1989 dazu geführt habe, dass er im ganzen Land und auch im Ausland bekannt wurde. 1947 in Steierdorf/Anina, in einer Familie mit tiefen deutschen und österreichischen Wurzeln geboren, hat er die Kunstschule Reschitza in der Klasse der Professoren Peter Schweg und Petru Galiș besucht. Gustav Hlinka machte sich im Laufe der Zeit einen Namen als Grafiker, Landschaftsmaler, Vertreter der naiven Kunst, leidenschaftlicher Briefmarkensammler und nicht zuletzt leitet er zusammen mit seiner Frau den Malkreis „Deutsche Kunst Reschitza“ beim Reschitzaer Ortsforum. 
Doina Mari]a Hlinka stammt aus Maglavit, Kreis Dolj, besuchte die Schule in Reschitza und schloss sich dem Team der Kreisbibliothek Karasch-Severin an. Nach 1990 begann sie, sich mit der Malerei zu befassen und auf ihrem künstlerischen Werdegang hat sie stets ihr Mann begleitet und unterstützt. Wie Gustav Hlinka beteiligte sich auch Doina Mari]a an unzähligen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland und beide wurden für ihre Werke prämiert. 
Erwin }igla bezeichnete das Künstlerehepaar als Vorbild interkulturellen und interkonfessionellen Zusammenlebens, sowie als einheitliches Ganzes in der Kunstbewegung von Reschitza und Karasch-Severin.

Dr. Klaus Fabritius erläuterte, wie der Bildband zustande gekommen ist. Da die gemalten Erzählungen und Märchen von Doina und Gustav Hlinka schon immer die Ausstellungen des Altreichforums begleitet hatten, wünschte er sich eine Kooperation mit den beiden. Tiere, Blumen und die Natur sind ständige Präsenzen ihrer naiven Bilder. In ihren Werken verwandelt sich die reale Welt in Phantasie. So kam er auf die Idee, den Malereien jeweils eine von ihm realisierte Naturfotografie mit einem gemeinsamen Element als Schnappschuss, das die Realität eines Ortes oder eines Sujets zu einem bestimmten Zeitpunkt darstellt, gegenüberzustellen. Infolge der Beratung mit der Geschäftsführerin Carmen Lumini]a Cobliș wurde der zweisprachige Bildband „Phantasie und Realität/Fantezie și realitate“ ins Leben gerufen. 

Darauf kündigte Cobliș den achten Band in der erwähnten Reihe an, der in Zusammenarbeit mit dem Ortsforum Vatra Dornei ethnografische Bilder als fotografische Zeugnisse aus Dörfern um Bistritz und dem Dornelor-Gebiet präsentieren wird. Dieser soll voraussichtlich im Herbst erscheinen.  Auch Dr. Fabritius nutzte die Gelegenheit, seine anstehende gemeinsame Fotoausstellung mit Ing. Cristian Sencovici, betitelt „Mundart der Bäume“, anzukündigen. Diese wird am 28. April  im Kulturhaus „Friedrich Schiller“ eröffnet werden.

Abschließend bedankte sich Gustav  Hlinka bei seiner Frau für die Freude, mit ihr malen zu dürfen.  Doina Hlinka ergänzte bewegt: „Immer entdecken wir uns in unseren Werken neu, weil Sie uns glücklich machen, dadurch dass Sie unsere Werke bewundern“. Es gab  zehn ausgestellte Originalbilder des Künstlerehepaares, u.a. mit Osterthematik, zu bewundern.

In seinen Überlegungenzur naiven Kunst am Anfang des Bildbandes definiert sie Eduard Duldner als einfache, ungekünstelte, schlichte Kunst, deren Ursprung im Geist liege, da Naivität ein Geisteszustand und eine Berufung sei, die unserer von Konventionen und künstlichen Normen müden Zivilisation etwas von der ursprünglichen Spontaneität und aufrichtigen Verbundenheit des Menschen mit der Umwelt zurückgebe. „Naive Kunst galt als außerhalb der Grenzen der klassischen Kunst stehend und wurde mit primitiver Kunst, Volkskunst, Kinderkunst oder Amateurismus verglichen“. Von der primitiven Kunst unterscheidet sie sich durch ihre kennzeichnende Naturverbundenheit und spielerischen Instinkt. „Im Gegensatz zur Kinderkunst, deren Spontaneität einem natürlichen Zustand entstammt, hat naive Kunst eine stark kommunikative Funktion: Sie erzählt, informiert, fabuliert, warnt, klagt an oder drückt Dankbarkeit aus, wobei die kennzeichnende Spontaneität auf eine ideale, ersehnte Tugend zurückzuführen ist, welche in der Bewahrung des Erbes kindlicher Reinheit und Frische gründet. 
Alle Themen der Hochkunst sind auf den Leinwänden der naiven Künstler zu finden, doch keine der Stilrichtungen stellt sie allein alle dar. Ihre Vereinigung in einem einzigen thematischen Profil als direkte und spontane Ausstrahlung einer Gefühlslage verleiht der naiven Malerei ein besonderes Erscheinungsbild und Zeitlosigkeit. Unter den allgegenwärtigen Themen ist an erster Stelle der Naturkult zu nennen und die Besessenheit von der Pflanzen- und Tierwelt. Dies ist in der Weltauffassung der naiven Künstler ein Ausdruck der Wiedergeburt, des uralten Gefühls der Verbundenheit aller Lebewesen. Die Stadt tritt oft verwandelt in einen dekorativen Vorwand auf, wobei Häuser oder Straßen die gleiche dekorative Funktion haben wie Zweige, Blumen oder Vögel“. Ein weiteres häufiges Thema sind die Allegorie und das Phantastische, bei dem die Elemente der Realität gemäß einem neuen Kodex neu gemischt werden. Dabei entstehen besonders bezaubernde und optimistische Visionen von traumhafter Phantastik oder Surrealismus. Auch über die fabelhafte Welt der Werke von Doina und Gustav Hlinka kann man sagen, sie seien als Realität erlebte Märchen oder Wachträume. 

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