Sergej Barbarez ist jetzt Trainer: Wie er über Bosnien, den HSV und das Derby denkt

Sergej Barbarez ist jetzt Trainer: Wie er über Bosnien, den HSV und das Derby denkt

Er hat alle Hände voll zu tun. „Fußball, Fußball, Fußball“, sagt Sergej Barbarez lachend, als die MOPO ihn erreicht. „Ich gucke pausenlos Fußball, den ganzen Tag sitze ich vor dem Fernseher.“ Das hat er nun davon. Am vergangenen Wochenende wurde der frühere HSV-Stürmer und Ex-Bundesliga-Torschützenkönig als Bosniens neuer Nationalcoach vorgestellt, seitdem laufen die Vorbereitungen für sein Anfang Juni anstehendes Debüt auf Hochtouren. Für die MOPO nahm sich der 52-Jährige eine TV-Auszeit – und sprach unter anderem über das anstehende Derby zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli, bei dem Barbarez gleich zwei Spieler für sein Nationalteam beobachten will.

MOPO: Herr Barbarez, am 3. Mai wird im Volksparkstadion das Stadtduell zwischen dem HSV und dem FC St. Pauli angepfiffen. Haben Sie sich schon eine Karte besorgt?

Sergej Barbarez: Es ist in Arbeit, mein Verband kümmert sich um alles (lacht). Ich werde in jedem Fall dabei sein. Es stehen ja gleich zwei Spieler auf dem Feld, die für mich interessant sind.

Barbarez beobachtet Vasilj und Hadzikadunic im Derby

St. Paulis Keeper Nikola Vasilj und HSV-Abwehrmann Dennis Hadzikadunic. Beide waren schon in den vergangenen Jahren fester Bestandteil des bosnischen Nationalteams.

Und so soll und wird es auch bleiben. Ich denke, da verrate ich nicht zu viel. Beide sind in einem sehr guten Alter (Vasilj ist 28 Jahre alt, Hadzikadunic drei Jahre jünger, die Red.) und haben auch für die nächsten Jahre eine sehr gute Perspektive.

Für die breite Öffentlichkeit war es eine Überraschung, als sich herausstellte, dass Sie nun die Geschicke Ihres Landes als Nationaltrainer leiten werden. Wie kam es dazu?

Unser Präsident Vico Zelj­kovic hat mich vor wenigen Wochen angerufen. Es gab ja eine Vorgeschichte, wir hatten vor einigen Jahren ja schon mal miteinander verhandelt.

Die Gespräche endeten damals nicht gerade positiv.

Das ist richtig. Es gab Unstimmigkeiten, das hat mir damals auch nicht gefallen. Nun aber sagte mir unser Präsident, dass er das sehr bedauert und es gern noch mal probieren würde. Das war ein wirklich schöner Zug von ihm und es hat mir viel bedeutet.


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Ex-HSV-Profi Barbarez dachte über Nationaltrainer-Job nach

Mussten Sie lange überlegen, ob Sie dem Lockruf folgen?

Ehrlich gesagt: ja! Ich habe mir viel Zeit genommen und mir eine Menge Gedanken gemacht. Denn es muss sich aus meiner Sicht einiges ändern, damit wir mit unserem Nationalteam wieder erfolgreich sein können.

Welche Ideen haben Sie?

Im Grunde genommen muss sich die gesamte Atmosphäre drehen. Unser Nationalteam hat zuletzt schlechte Ergebnisse erzielt, darunter haben die Spieler sehr gelitten. Man hatte den Eindruck, dass es für einige keine Ehre mehr war, für unser Land zu spielen. Es gab viele Menschen drum herum, die mitreden wollten, die gesamte Stimmungslage war schlecht. Wie soll man unter diesen Umständen gut Fußball spielen können?

Wie wollen Sie das ändern?

Wir haben ein Team zusammengestellt, das allein schon durch seine Ausstrahlung etwas bewirken und für mehr Ruhe sorgen wird. Da bin ich mir sicher. Mein engster Mitarbeiter ist Emir Spahic, der den Posten des Sportdirektors für alle Nationalteams unseres Landes bekleidet. Das Feedback, das ich in den vergangenen Tagen erhalten habe, ist total positiv und hilft uns natürlich. Und der Verband hat uns mit Freiheiten ausgestattet, die es so in Bosnien noch nie zuvor gab.

Auch Ex-HSV-Profi Emir Spahic gehört zu Barbarez’ Stab

Sie durften sich einen komplett neuen Stab zusammenstellen …

… und wir sind immer noch dabei. Sechs Personen umfasst der Stab schon. Zwei oder drei sollen noch dazukommen. Vom Torwart-Trainer bis zu Video-Analysten. Alles wird umgekrempelt. Aber wir müssen etwas ändern, sonst macht es keinen Sinn.

Wie Sie, so hat auch Emir Spahic eine HSV-Vergangenheit. Wie wichtig wird er nun als Vertrauensmann für Sie sein?

Er ist mein Bodyguard (lacht). Im Ernst: Emir ist in Bosnien sehr angesehen und eine große Persönlichkeit. Er hält mir den Rücken frei. Man muss sich in unserem Land auch immer gegen Widerstände durchsetzen. Deshalb war es mir sehr wichtig, dass Emir mit im Team ist. Und die Euphorie in unserem Land ist nach unseren Verpflichtungen jetzt gerade enorm groß, da wurde wirklich etwas entfacht.

Euphorie im Land ist das eine. Wie groß aber ist der Druck auf Sie?

Alle sind sich darüber im Klaren, dass wir vermutlich etwas Zeit brauchen werden. Deshalb läuft mein Vertrag ja auch vier Jahre lang und umfasst die Qualifikationen für die WM 2026 und die EM 2028. Wir haben gerade die schwere Playoff-Niederlage gegen die Ukraine hinter uns. Zur WM zu kommen, dürfte schwierig werden, so realistisch müssen wir sein. Aber die EURO 2028 ist unser großes Ziel.

Ex-HSV-Torjäger Barbarez hat Respekt vor Trainer-Aufgabe

In den vergangenen Jahren hatten Sie sich mehr und mehr aus dem Fußball zurückgezogen. Was haben Sie in der Zeit gemacht?

Ich war immer da, auch im Fußballgeschäft. Ich habe nur keine offiziellen Ämter bekleidet und deshalb hat man mich nicht so oft gesehen. Es gab in der Vergangenheit Dinge, die mir nicht gefallen haben und die dazu führten, dass ich zwischenzeitlich Abstand genommen habe. Aber die Kontakte waren immer da und ich habe den Fußball auch immer intensiv verfolgt. Man sollte mich nie abschreiben (schmunzelt).

Sie waren zunächst 19 Jahre lang Profi und saßen später im Aufsichtsrat des HSV. Als Trainer aber waren Sie bislang noch nicht tätig. Haben Sie Respekt vor der Aufgabe?

Selbstverständlich habe ich das. Aber ich bin mir sicher, dass ich es schaffen werde, meinen Teil dazu beizutragen, dass wir erfolgreich sein können. Zumal ich wirklich sehr viel Erfahrung im Team um mich herum habe. Dass Emir und ich so große Freiheiten erhalten, zeigt ja, wie sehr der Verband uns vertraut.

Ihre Heimatstadt Mostar und Hamburg waren in den Vorjahren abwechselnd Ihre Lebensmittelpunkte. Wird das so bleiben?

Das ist der Plan. Wir entwickeln gerade die Pläne, wann, wie und wo ich in den kommenden Wochen sein werde. Ich werde viel reisen. Kein einziger unserer Nationalspieler steht in Bosnien unter Vertrag. Einige spielen in Deutschland, das kommt mir natürlich entgegen.

HSV-Kollege Ivica Olic arbeitet ebenfalls für Nationalteam

Auch Ivica Olic, ein anderer Ex-HSV-Profi, lebt in Hamburg, obwohl er Assistenztrainer des kroatischen Nationalteams ist.

Ja, wenn man für den Verband arbeitet, ist das möglich. Man hat sechs feste Spielfenster im Jahr. Die restliche Zeit besteht ja vor allem daraus, zu planen und Spieler zu beobachten.

Das Jahr hält für Sie noch einiges bereit. Unter anderem treffen Sie im Herbst in der Nations League zweimal auf das DFB-Team.

Darauf freue ich mich jetzt schon und es werden zwei absolute Highlights. Aber wir haben vorher schon schwere Aufgaben. Jetzt im Juni spielen wir zu meinem Debüt zuerst in England und sechs Tage später in Italien.

Volksheld: Sergej Barbarez machte 47 Länderspiele (17 Tore) für Bosnien-Herzegowina.
DZENAT DREKOVIC

Volksheld: Sergej Barbarez machte 47 Länderspiele (17 Tore) für Bosnien-Herzegowina.

Klingt so, als könnte der Start auch daneben gehen.

Es gibt vermutlich leichtere Aufgaben (lacht). Aber diese Spiele will man doch haben, so etwas brauche ich! Ich war schon als Spieler süchtig danach.

Auch mit Hamburger Stadtderbys kennen Sie sich aus. 2001 trafen Sie beim 4:3 des HSV gegen St. Pauli. Dass Ihr Herz für den HSV schlägt, ist bekannt. Wird das auch Anfang Mai so sein?

Ich möchte es neutral formulieren: Ich bin dann vor Ort, um mir zwei Spieler anzusehen, die für unterschiedliche Mannschaften auflaufen. Und ich hoffe darauf, dass beide ein gutes Spiel zeigen werden.

Aber dass der HSV mit großer Wahrscheinlichkeit erneut nicht aufsteigen wird, wurmt Sie schon.

Jedes Jahr aufs Neue. Das wird sich auch niemals ändern.

Sergej Barbarez ist jetzt Trainer: Wie er über Bosnien, den HSV und das Derby denkt wurde gefunden bei mopo.de

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