SVP und die „Brüder Italiens“ in einem Boot

SVP und die „Brüder Italiens“ in einem Boot

Der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher wurde am Donnerstag, den 18. Januar, in seinem Amt bestätigt. Bei der Wahl erhielt er 19 Stimmen; der Landtag besteht aus 35 Abgeordneten. Diese 19 Ja-Stimmen kamen von Kompatschers Südtiroler Volkspartei (13 Abgeordnete), von den Südtiroler Freiheitlichen (zwei), von der populistischen Lega und der italienischen Bürgerliste „Civica“ (jeweils ein Abgeordneter) – und von den „Fratelli d’Italia“ (Brüder Italiens; zwei Abgeordnete). 

Dass die bei der Landtagswahl im Oktober arg gerupfte SVP mit der Partei der italienischen Regierungschefin Giorgio Meloni eine Koalition eingegangen ist, sorgte weit über Südtirol hinaus für Aufsehen – und für Proteste im Land und auch in der Partei des Landeshauptmanns, bis hin zum Austritt eines früheren SVP-Chefs. 

Warum aber gingen der als sozialliberal geltende Südtiroler Landeshauptmann und seine Partei, die wichtigste politische Vertretung der deutschsprachigen Minderheit, eine Koalition mit den „Fratelli“ ein? Diese haben sich in der Vergangenheit oft genug sehr kritisch über die Südtirol-Autonomie geäußert und gelten als zumindest rechtsnational und populistisch; einige Beobachter stufen sie als rechtsradikal ein und Teile der Partei gar als postfaschistisch. Tatsächlich haben die „Fratelli“ ihre Wurzeln in der „Alleanza Nazionale“ (Nationale Allianz), die ihrerseits aus dem postfaschistischen Movimento Sociale Italiano heraus entstanden war und von Silvio Berlusconi in den 1990er Jahren hoffähig gemacht wurde, indem er sie in seine Regierungskoalition aufnahm. AN hatte sich zuvor vom historischen Faschismus distanziert, der die deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler vor und während des Zweiten Weltkriegs unterdrückt hatte und sie aus ihrer Heimat vertreiben wollte.

Die Gründe für die Koalition der SVP mit den „Fratelli“ sind zum einen eher technischer, zum anderen aber auch politischer Natur. Die italienische Sprachgruppe, die etwa ein Drittel der Südtiroler Bevölkerung ausmacht, stellt im neuen Landtag nur mehr 5 Abgeordnete, das ist ein historischer Tiefstand. Der Grund für den Rückgang dürfte in der Wahlmüdigkeit vieler italienischer Bürger gelegen sein. 

Dieser Rückgang brachte die SVP in ein Dilemma. Der langjährige frühere Koalitionspartner, die Sozialdemokraten des Partito Democratico, stellen nur mehr einen einzigen Abgeordneten. Der Partner in der vorhergegangenen Amtsperiode, die Lega, ist bei der Wahl im Oktober von vier Mandaten auf eines abgestürzt, und auch die italienische Bürgerliste „Civica“ brachte nur einen Abgeordneten in den Landtag. Die größte Gruppe unter den italienischen Parteien – aber mit auch nur zwei Abgeordneten – stellen nun die „Fratelli“. Sie haben zwar schwächer abgeschnitten als erwartet, sind aber auf italienischer Seite die Wahlsieger. Konnte die SVP sie außen vor lassen? Eine Regierungsbildung ohne „Fratelli“ – die italienische Bevölkerung muss laut Autonomiestatut in der Landesregierung gemäß ihrem Anteil im Landtag vertreten sein – wäre nur mit größeren Verrenkungen möglich gewesen, auch weil Lega und „Fratelli“ einen Pakt geschlossen hatten, wonach sie nur zusammen in eine Landesregierung eintreten. 

Ein weiterer Grund ist ein politischer. Die SVP vertraut auf Signale von Ministerpräsidentin Meloni, wonach diese offen sei für Bemühungen, die Südtirol-Autonomie in jenen Bereichen wiederherzustellen, in denen sie in den vergangenen 30 Jahren von italienischen Regierungen und vom Verfassungsgericht ausgehöhlt worden war. Hätte die SVP den „Fratelli“ die Tür zugeschlagen, wäre in Rom nichts mehr zu holen gewesen. Ob sich aber die Volkspartei mit der Koalitionsbildung nicht in eine Zwangslage manövriert hat, wenn sie vor die Frage gestellt wird, ob sie der von Meloni angestrebten Reform der italienischen Verfassung zustimmt, wird sich weisen. 

Zunächst einmal müssen jedoch die Mitglieder der neuen Landesregierung im Landtag gewählt werden. Das sollte am 31. Januar geschehen. Um die Ansprüche der Partner erfüllen zu können, wird die neue Regierung aus elf Mitgliedern bestehen – zwei mehr als fünf Jahre zuvor. Je ein Landesrat wird von den „Fratelli“ und der Lega gestellt, eine Landesrätin von den Freiheitlichen, 8 von der SVP.

Die Europäische Vereinigung von Tageszeitungen in Minderheiten- und Regionalsprachen (MIDAS) wurde 2001 auf Vorschlag der Chefredakteure von Tageszeitungen gegründet, die in Minderheiten- oder Regionalsprachen erscheinen. Ziel war es, ihre Strategien zu koordinieren und die Zusammenarbeit in den Bereichen Informationsaustausch, Druck und Marketing zu fördern. Inzwischen haben sich 27 Zeitungen aus 12 verschiedenen Ländern MIDAS angeschlossen. Die derzeitige Präsidentin ist Edita Slezáková.

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