Wahlkampf in Hamburg: Aiwanger haut gleich einen raus – und keinen interessiert’s

Wahlkampf in Hamburg: Aiwanger haut gleich einen raus – und keinen interessiert’s

Er ist ein Mann der markigen Sprüche, seine aktuellen Lieblingsworte im Wahlkampf sind „gesunder Menschenverstand“ und die „gesellschaftliche Mitte“ – die in Teilen zur AfD abgewandert sei und da wieder abgeholt werden möchte: Hubert Aiwanger (53), stellvertretender Ministerpräsident von Bayern und Chef der Freien Wähler. Auf Wahlkampf-Stippvisite in Bergedorf haut er gleich einen raus: „Dieses schmuddelige Rot-Grün, das ist doch nicht hanseatisch.“

Die Bergedorfer Fußgängerzone beim Schloss ganz im Zeichen des Bezirkswahlkampfs: Überall Parteistände, jeder bekommt Flyer in die Hand gedrückt. Besonders geschickt steht die FDP, ihre gelben Fahnen verdecken regelrecht den orangen Stand der Freien Wähler direkt daneben. Und dabei gibt es dort doch prominenten Besuch. Es wird auch wie verrückt fotografiert, immer in wechselnden Kleingruppen, aber immer im Mittelpunkt ein Mittfünfziger in dunklem Anzug und weißem Hemd. Regelmäßig wird die Gruppe aufgescheucht und aus dem Weg geklingelt von vorbeifahrenden Radfahrern.

Hubert Aiwanger in Bergedorf bei Freien Wählern

Wer da fotografiert wird, das ist Hubert Aiwanger – allerdings nicht mit und von Bergedorfer Bürgern, sondern ausschließlich von seinem Tross aus Hamburger und Schleswig-Holsteiner Parteimitgliedern, die ihrem „Hubsi“ mal ganz nah sein wollen. Und gern auch mit Foto als Andenken und zum Posten für den Bezirkswahlkampf.

Die Bergedorfer scheinen jedoch vom prominenten Besuch gar nichts zu merken. Kaum jemand bleibt am Infostand stehen, außer einem Mann mit Hackenporsche, der routiniert im Mülleimer neben dem Stand nach Leergut guckt. Und einer Oma mit Enkel („Guck mal, da gibt es Bonsche, möchtest du einen?“). Vielleicht hätte der Mann aus Niederbayern doch nicht auf Loden, Filzhut und Gamsbart verzichten sollen, dann hätte man ihn im Norden eher erkannt. Doch er sagt, auf das Klischee habe er bewusst verzichtet und versichert „ich bin auch außerhalb Bayerns kompatibel“.

Kaum ein Passant erkennt den Bayern ohne Loden

Eine alte Dame lässt sich dann doch mal ins Gespräch ziehen („Ich weiß nicht, was ich wähle – die etablierten Parteien jedenfalls nicht mehr“) und Aiwanger wickelt sich gleich mit seinem großmäuligen bayerischen Charme und ein paar Witzen ein („Nicht, dass ihr Mann noch eifersüchtig wird“).

Die Freien Wähler aus Bergedorf würden gern in der nächsten Bezirksversammlung sitzen und haben es geschafft, als Zugpferd im Wahlkampf das prominenteste und erfolgreichste Parteimitglied in den Norden zu holen: Hubert Aiwanger ist in Personalunion Parteivorsitzender, Wirtschaftsminister von Bayern und stellvertretender Landesvater im Freistaat.

Ganz in seinem Element: Hubert Aiwanger erzählt einer Passantin, wie er die Welt sieht.
Sandra Schäfer

Ganz in seinem Element: Hubert Aiwanger erzählt einer Passantin, wie er die Welt sieht.

Außerhalb Bayerns kennen ihn viele vor allem wegen der Affäre um antisemitische Pamphlete, an denen er in seiner Schulzeit beteiligt gewesen sein soll und wegen seiner markigen Sprüche, die er gern raushaut, weil er weiß, wie man es schafft, in aller Munde zu sein („dieses schmuddelige Rot-Grün, das ist doch nicht hanseatisch“). Von daher war es vielleicht auch kein Zufall, dass man ausgerechnet im Café „In aller Munde“ in der Bergedorfer Fußgängerzone frühstückte.

Freie Wähler haben „mit AfD nix am Hut“

Von der AfD haben sich die Freien Wähler bereits beim Bundesparteitag im Februar einstimmig distanziert. „Das war wichtig, damit mir niemand was unterstellen kann“, sagt Aiwanger der MOPO frei heraus, „mit denen ham wir nix am Hut.“ Er betet in Bergedorf den Journalisten routinert seine Slogans runter, von „Pragmatismus statt weltfremder Ideologien“ und vom „gesunden Menschenverstand“, mit dem das „überzogen woke“ in den Griff zu bekommen sei.

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Die vielen Windräder in Bergedorf findet er auf Nachfrage völlig in Ordnung, auch nach Bayern passen die. Das sehe er ganz anders als der Söder. Aber Wasserstoff sei noch besser und Verbrenner-Autos auf Jahrzehnte unverzichtbar. Die angebliche „unkontrollierte Zuwanderung“ will er beenden, „kriminelle Ausländer ausweisen“. Und so könne man auch viele AfD-Sympathisanten zurückholen, das seien ja früher eh mal alles SPD-Wähler gewesen.

Sprach’s und schon war die Stippvisite in Hamburg auch schon wieder vorbei. Um 7.45 Uhr war Aiwanger in München in den Flieger gestiegen, dann ein paar Stunden in der Bergedorfer Fußgängerzone und am Schloss und am Abend bereits wieder vor Publikum in der Heimat – wo man ihn wenigstens erkennt. Von Flug-Scham keine Spur. Die angepeilten Wähler werden es ihm wohl kaum übelnehmen.

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