„Wir wurden ignoriert”: Niendorfer wehren sich gegen Baupläne

„Wir wurden ignoriert”: Niendorfer wehren sich gegen Baupläne

Ein roter Schal am Zaun ist dieser Tage in Niendorf das Zeichen des Widerstands. Überall an der Paul-Sorge-Straße hängen sie an Einfamilienhäusern, daneben Transparente und Plakate. Der Grund: In zwei Gebieten, die bisher vor allem Einfamilienhäuser stehen, will der Bezirk Baulücken für mehrstöckige Wohnungen nutzen. Die Niendorfer fühlen sich bei den Planungen übergangen. Sie haben eine Initiative gegründet und die Fraktionsspitzen aus dem Bezirk am Mittwochabend zum Gespräch geladen. Die MOPO war vor Ort, erklärt die Hintergründe des Streits und die erstaunliche Reaktion der Politik.

„Wir sind nicht gegen neuen Wohnraum”, sagt Tobias Albrecht, Sprecher der „Initiative Niendorf e.V.” am Mittwochabend in der Aula der Stadtteilschule Niendorf. „Aber wir wollen ein Niendorf, in dem auch zukünftige Generationen gern leben, so wie wir das tun.” Applaus von den etwa 100 Anwesenden.

Auf dem Podium sitzen an diesem Abend die Fraktionsspitzen der Eimsbütteler Politik: Gabor Gottlieb (SPD), Ali Mir Agha (Grüne), Rüdiger Kuhn (CDU), Benjamin Schwanke (FDP) und Mikey Kleinert (Linke). Geduldig stellen sie sich den kritischen Fragen der Bürger. Schnell wird deutlich, dass sich viele vom Bezirk ignoriert fühlen.

Alles begann mit „Niendorf 93”

Darum geht es: Rund um die U-Bahnstation Joachim-Mähl-Straße sollen freie Flächen für zwei- bis fünfgeschossigen Wohnungsbau genutzt werden, teils in geschlossener Bauweise – eine sogenannte „Nachverdichtung”. Für den ersten Bereich „Niendorf 93” wurde der Bebauungsplan schon entsprechend geändert. Das Gebiet liegt zwischen Joachim-Mähl-Straße im Norden, Paul-Sorge-Straße im Osten, Graf-Anton-Weg im Süden und Wendlohstraße im Westen.

Mit einem roten Schal am Zaun protestieren die Anwohner der Paul-Sorge-Straße gegen die Bebauungspläne.
Marius Roeer

Mit einem roten Schal am Zaun protestieren die Anwohner der Paul-Sorge-Straße gegen die Bebauungspläne.

100 bis 150 zusätzliche Wohnungen sollen hier entstehen. Ein Großteil der bisherigen Planungen und der Bürgerbeteiligung fand während der Corona-Pandemie statt. Obwohl es rund 90 Stellungnahmen gab, wurden diese von der Verwaltung lediglich zur Kenntnis genommen. „Wir wurden ignoriert”, sagt Katja Hedelt, Vorsitzende der überparteilichen Initiative. Etwa 200 Unterstützer soll sie bereits haben.

Niendorfer Initiative schlägt Lösungen vor

Für das wesentlich größere Gebiet „Niendorf 95”, das bis zur U-Bahnstation Schippelsweg reicht, soll nun ebenfalls ein neuer Bebauungsplan beschlossen werden – hier könnten bis zu 800 neue Wohnungen gebaut werden. Die Initiative wünscht sich einen „maßvollen” Wohnungsbau unter Berücksichtigung der Interessen der Anwohner.

Die Karte zeigt das Gebiet „Niendorf 95”.
geoportal-hamburg.de/Screenshot

Die Karte zeigt das Gebiet „Niendorf 95”.

Sie schlagen am Mittwoch Kompromisse vor wie eine maximale Höhe von drei Geschossen für neue Wohngebäude, eine offene Bauweise mit kleinen Freiflächen zwischen den Gebäuden und einer Begrenzung der Bauhöhe. Weil beim Bau zusätzlicher Gebäude auch mehr Flächen versiegelt würden, sorgen sich die Niendorfer ebenfalls um die Entwässerung. Schon jetzt gebe es damit immer wieder Probleme und Gärten stünden unter Wasser.

Tobias Albrecht, Sprecher der Initiative Niendorf; Gabor Gottlieb (SPD); Mikey Kleinert (Linke); Benkamin Schwanke (FDP); Ali Mir Agha (Grüne); Rüdiger Kuhn (CDU) und Holger Brauer von der Initiative Niendorf.
Marius Roeer

Tobias Albrecht, Sprecher der Initiative Niendorf; Gabor Gottlieb (SPD); Mikey Kleinert (Linke); Benkamin Schwanke (FDP); Ali Mir Agha (Grüne); Rüdiger Kuhn (CDU) und Holger Brauer von der Initiative Niendorf.

Bezirk Eimsbüttel: Politik hat Redebedarf

Die Politiker vor Ort zeigen allesamt Verständnis für die Anliegen der Anwohner. „Aus meiner Sicht müssen wir da noch eine Schleife drehen und wir müssen insgesamt über B-Planverfahren und Bürger:innenbeteiligung reden”, sagt etwa Ali Mir Agha von den Grünen. Dem stimmt Gabor Gottlieb von der SPD zu, macht aber auch deutlich: „Niendorf wird sich verändern.” Und: „Es werden nicht alle Wünsche erfüllt werden.”

In der Bezirksversammlung am Donnerstag bringen die Grünen nun einen Antrag ein, um „eine deutlich höhere Akzeptanz” für die Bebauungspläne zu schaffen. Unter anderem soll im Rahmen von Niendorf 95 auch noch einmal der Plan für Niendorf 93 angefasst werden.

Mit Interesse verfolgten die Niendorfer den Politik-Talk in der Stadtteilschule.
Marius Roeer

Mit Interesse verfolgten die Niendorfer den Politik-Talk in der Stadtteilschule.

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Im Grunde stimmen alle anderen Fraktionen auf der Bühne zu. Als es dann jedoch um die Frage geht, wer auch dem Antrag zustimmt, zögern sie: Die SPD hat noch Redebedarf in Bezug auf die anderen Unterpunkte im Antrag, die CDU deutet an sich zu enthalten, die FDP will einen eigenen Änderungsantrag stellen, nur die Linke würde – obwohl sie den Bebauungsplan als einzige Fraktion verteidigt hatte – aus Gründen des Klimaschutz zustimmen.

Klingt ganz so, als würden die beiden B-Pläne die Niendorfer noch lange beschäftigen, auch im Hinblick auf die Bezirkswahlen am 9. Juni. Die Initiative will jedenfalls weiterkämpfen, am Samstag ist sie erneut mit einem Infostand auf dem Niendorfer Markt am Tibarg vertreten.

„Wir wurden ignoriert”: Niendorfer wehren sich gegen Baupläne wurde gefunden bei mopo.de

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