Ob der Elbtower jemals fertig wird? „Das lässt sich nicht vorhersagen“

Ob der Elbtower jemals fertig wird? „Das lässt sich nicht vorhersagen“

Köhlbrandbrücke, Bezahlkarte für Flüchtlinge, Cannabis oder Parkplätze: Zwischen SPD und Grünen knallt es regelmäßig. Warum die CDU keine Alternative ist, wie die Stadt Mietern helfen will und wie es mit dem Elbtower weitergeht, erklärt Peter Tschentscher (SPD) im großen MOPO-Interview.

MOPO: Herr Tschentscher, auf einer Skala von 1 bis 10: Wie genervt sind Sie von den Grünen?

Peter Tschentscher: Unsere Zusammenarbeit ist gut. Auf einer Skala von 1 bis 10 liegt sie deutlich im oberen Bereich.

Das wirkte zuletzt anders.

Na ja, wenn ich mir Koalitionen in anderen Bundesländern ansehe, dann läuft es dort wesentlich schlechter in diesen schwierigen Zeiten.

Bei Ihren Meinungsverschiedenheiten mit den Grünen geht es um grundsätzliche Fragen, wie wir gerade erst bei der Köhlbrandbrücke erlebt haben. Da schmissen die Grünen der wichtigsten SPD-Senatorin auf der Zielgeraden Knüppel zwischen die Beine. Macht Sie das nicht sauer?

Drei von vier grünen Senatsmitgliedern waren direkt einverstanden mit unserem Vorschlag. Eine Behörde hatte noch Fragen, die wir innerhalb einer Woche klären konnten. Jetzt hat der Senat einvernehmlich beschlossen, eine neue Köhlbrandbrücke mit ausreichender Höhe zu bauen. Andere Regierungen hätten über ein solches Projekt locker mehrere Monate gestritten.

„Wir achten darauf, dass niemand überfordert wird“

Der Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen hat die Beziehung zwischen SPD und Grünen mal als „gepflegte Hassliebe“ beschrieben.

Das würde ich so nicht sagen, denn es gibt zwischen Rot und Grün in den meisten Themen große Übereinstimmung. Bei der Herangehensweise gibt es manchmal Unterschiede.

Und das wären welche?

Die SPD legt Wert darauf, die Stadtgesellschaft insgesamt mitzunehmen. Dafür sind wir kompromissbereit und gehen gern mal Zwischenschritte.

Peter Tschentscher mit den MOPO-Redakteuren Geli Tangermann und Mathis Neuburger
/ Florian Quandt

Peter Tschentscher mit den MOPO-Redakteuren Geli Tangermann und Mathis Neuburger

Die Grünen sind Ihnen zu radikal?

Wir achten jedenfalls darauf, dass niemand überfordert wird. Deswegen diskutieren wir manchmal, ob eine Maßnahme zu einem bestimmten Zeitpunkt schon erfolgen kann – oder ob man sie noch besser abgleichen sollte.

Beispiele?

Nehmen wir die Mobilitätswende. Wir bauen Velorouten, sanieren Straßen, planen neue Brücken, überdeckeln die A7 und bauen gleichzeitig das schnelle Internet aus. Die Infrastruktur ist enorm wichtig für die Zukunft Hamburgs. Hin und wieder müssen wir aber Maßnahmen zurückstellen und sagen: Das ist sonst zu viel auf einmal. Eine Belastung ergibt sich zudem aus den Baustellen des Bundes auf den Hamburger Autobahnen. Aber auch die sind nötig, weil dort in den letzten Jahrzehnten einiges versäumt wurde.

„Dass in Hamburg Radwege ausgebaut werden, haben ja nicht die Grünen entschieden“

Das klingt, als hätten die Grünen eigentlich total recht und Sie müssten sie nur etwas bremsen.

Dass wir die Radwege ausbauen, haben ja nicht die Grünen entschieden. Das Projekt hat der SPD-Senat 2011 schon begonnen. Wir haben auch entschieden, die U5 zu bauen und die A7 zu überdeckeln. 2020 hat der grüne Koalitionspartner dann aufgrund eines stärkeren Wahlergebnisses zusätzlich die Verantwortung für Verkehrsfragen übernommen – die Strategie wurde aber nicht grundlegend geändert.

Uns wundert, dass Sie Ihr Verhältnis zu den Grünen als inhaltlich harmonisch beschreiben. Im Bundesrat mussten Sie sich gerade beim Cannabisgesetz enthalten, obwohl Sie Wortführer der Gegner waren. Die Grünen wollten nicht so wie Sie. Wir sehen da massive Differenzen.

Diese Entscheidung wurde im Bund getroffen. Der Bundesrat hat das Gesetz beraten, musste ihm aber nicht zustimmen. Eine Zustimmung hätte es mit mir nicht gegeben. Das Cannabis-Gesetz ist deutschlandweit strittig, aber wir hatten das in Hamburg nicht zu entscheiden.

Anderes Beispiel: Die Bezahlkarte für Flüchtlinge hat Ihre SPD-Senatorin durchgedrückt, ohne dass die Grünen überhaupt mitreden durften.

Die Innen- und die Sozialbehörde haben die Verantwortung, mittlerweile fast 50.000 Flüchtlinge in Hamburg gut unterzubringen und zu versorgen. Bund und Länder haben auf einer Ministerpräsidentenkonferenz einstimmig beschlossen, in ganz Deutschland eine einheitliche Bezahlkarte einzuführen. Sie soll administrative Entlastung bringen, aber eben auch sicherstellen, dass die Leistungen dafür verwendet werden, wofür sie gesetzlich vorgesehen sind: für das tägliche Leben während des Asylverfahrens.

Die Grünen finden die Bezahlkarte diskriminierend und haben lange auf Bundesebene blockiert.

Es gibt dazu auch in Hamburg unterschiedliche Sichtweisen, aber keinen Streit.

Sie haben einfach „basta“ gesagt.

Sagen wir es so: Ich habe Wert darauf gelegt, die Beschlüsse von Bund und Ländern in Hamburg auch umzusetzen. Die SPD-geführten Behörden haben die Bezahlkarte schon länger vorbereitet und sie jetzt eingeführt.

Das Programm der CDU? „Copy & Paste aus unseren Texten“

Auch in den Bezirken gibt es immer wieder Knatsch zwischen SPD und Grünen. Zum Beispiel, wenn es um wegfallende Parkplätze geht.

Klar sind Punkte manchmal strittig. SPD und Grüne arbeiten aber auch in den Bezirken im Prinzip gut zusammen. Was wir auf keinen Fall brauchen, ist rückwärtsgewandte Autopolitik, wie die CDU sie vertritt.

Gerade hat CDU-Chef Dennis Thering das Programm für die Bezirkswahlen vorgestellt: Das klang alles voll nach SPD-Linie.

Vieles liest sich, als käme es per „Copy and Paste“ aus unseren Konzepten. Das stört mich gar nicht. Gute Konzepte der SPD darf man gerne unterstützen.

Mal ehrlich: Wäre die CDU nicht der passendere Partner für die SPD?

Nein. Denn wir sehen auch CDU-Positionen, die mit einer modernen Großstadtpolitik nicht vereinbar sind. Die CDU müsste auch mal klären, was sie im Senat anders machen würde als zuletzt in ihrer Regierungszeit bis 2010. Sie hat Hamburg damals in eine dramatische Situation gebracht und wurde deshalb auch abgewählt.

Thering sagt klar, dass er gewinnen und Bürgermeister werden will. Eine ernst zu nehmende Konkurrenz?

Wir orientieren uns im Wahlkampf nicht an anderen. Ich erlebe immer wieder große Zustimmung zu dem, was wir machen: der Wohnungsbau, die Stärkung der Polizei, kostenlose Kitaplätze, kostenlose Ganztagsbetreuung an allen Schulen. Wir wollen, dass sich alle das Leben in Hamburg leisten können. Noch in diesem Jahr soll das Bus- und Bahnfahren für Hamburger Schülerinnen und Schüler kostenlos werden.

Der Mangel an Wohnungen ist weiter ein riesiges Problem. Die Bautätigkeit ist quasi zum Erliegen gekommen, Besserung nicht in Sicht. Sie haben gerade einen dritten Förderweg beschlossen, der Mieten von etwas über zwölf Euro pro Quadratmeter vorsieht. Müssen Sie bald jeden Mieter in dieser Stadt finanziell unterstützen?

Mit dem dritten Förderweg geben wir jedenfalls auch Normalverdienern die Chance, eine von der Stadt geförderte Wohnung zu erhalten. Zugleich ist es ein Angebot an die Bauwirtschaft, günstige städtische Kredite zu erhalten und damit in dieser schwierigen Lage weiterhin Wohnungen zu bauen.  


MOPO

Dieser Text stammt aus der neuen WochenMOPO – jetzt jeden Freitag am Kiosk!
Diese Woche u.a. mit diesen Themen:
Tschentscher im Interview: Was er zum Verkehrs-Chaos sagt
Crack: Die Droge, die den Hauptbahnhof ins Elend stürzt
Hamburger Top-Köche: Das sind ihre Lieblingsimbisse
20 Seiten Sport: HSV-Coach Baumgart und St. Paulis Hauke Wahl im Interview
28 Seiten Plan7: Die besten Tipps für jeden Tag der Woche

„Eine Lösung liegt beim Elbtower nicht auf dem Tisch“ 

Selbst bei Bestandswohnungen werden inzwischen Mieten von 20 Euro und mehr verlangt. Die Mietpreisbremse reicht nicht aus, was ist aus der Verschärfung geworden?

FDP und CDU blockieren das im Bundesrat. Da würde ich mir von der Hamburger CDU wünschen, sich für die Hansestadt einzusetzen und in den eigenen Reihen dafür zu sorgen, dass mieterfreundliche Politik im Bund nicht systematisch verhindert wird.

Apropos Bauen: Wird der Elbtower jemals fertig?

Das lässt sich derzeit nicht vorhersagen, weil der Elbtower in der Verantwortung und im Risiko der privaten Investoren liegt. Wir haben dem Insolvenzverwalter signalisiert, dass wir eine Lösung sehr begrüßen würden. Aber wir können und wollen das nicht auf Rechnung der Stadt herbeiführen.

Glauben Sie, dass es gelingen wird?

Glauben ist eine fromme Sache. Der Insolvenzverwalter arbeitet an einer Lösung, noch liegt sie aber nicht auf dem Tisch.

Zuletzt noch einmal zurück zum Thema Wahlen: Wie sorgenvoll blicken Sie den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg entgegen?

Ich hoffe, dass es bei den Landtagswahlen zu demokratischen Mehrheiten kommt und sich die AfD nicht durchsetzt. Wenn es an der Wahlurne drauf ankommt, werden die Menschen hoffentlich noch einmal in sich gehen und bedenken, was der Erfolg rechtsextremer Parteien für unser Land und die Demokratie bedeuten würde.

Ob der Elbtower jemals fertig wird? „Das lässt sich nicht vorhersagen“ wurde gefunden bei mopo.de

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