Bahnstreiks der GDL über Monate: Wird das Streikrecht verändert?

Bahnstreiks der GDL über Monate: Wird das Streikrecht verändert?

Monatelang haben die Bahnstreiks viele Menschen in ihrem Alltag eingeschränkt. Nun gibt es Stimmen, die eine Änderung des Streikrechts fordern. Was würde das bedeuten? Bereits im November des vergangenen Jahres hatte die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) angefangen zu streiken. Seitdem gab es insgesamt sechs große Bahnstreiks, bevor es am Montagabend zum entscheidenden Durchbruch bei den Verhandlungen zwischen GDL und Deutscher Bahn kam. Damit ist ein Brandherd zumindest für die nächsten zwei Jahre gelöscht – in zahlreichen anderen Bereichen ist aber noch keine Lösung gefunden. Auch der Flugverkehr war zuletzt immer wieder eingeschränkt, dort fordern sowohl Piloten als auch Flugbegleiter sowie das Luftsicherheits- und Bodenpersonal neue Tarife – alle Gruppen in verschiedenen Verhandlungen. Verdi bestreikt dagegen aktuell Supermärkte, am Donnerstag Lidl und Kaufland . Streikwellen beeinträchtigen nach wie vor den Alltag von zahlreichen Menschen in Deutschland und verursachen wirtschaftlichen Schaden. Durch die gegenwärtige Stagnation des Wirtschaftswachstums ist das besonders schmerzhaft. Besonders die Intensität dieser Streiks, allen voran bei der Bahn, hat zudem viele Menschen verärgert. Die Aussicht auf eine regelmäßige Wiederholung stößt mancherorts auf Unverständnis. FDP und CSU fordern Anpassung des Streikrechts Angesichts dieser Entwicklungen kommen nun Forderungen nach einem veränderten Streikrecht auf. Vor allem FDP und Union forcieren das Thema immer wieder. Unterstützt werden sie dabei von den Arbeitgebern. Die Gewerkschaften lehnen diese Forderungen allerdings deutlich ab. Kritik kommt auch von SDP und den Grünen. “Wer die Einschränkung des Streikrechts fordert, soll ehrlich zugeben, dass er damit in Wahrheit die Augenhöhe zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern abschaffen will”, klagt Anja Piel im Gespräch mit t-online. Das Vorstandmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) sieht das Streikrecht als Ausdruck gelebter Demokratie. Tatsächlich sind die Tarifautonomie und das Streikrecht als Ableitung der Koalitionsfreiheit im Grundgesetz verankert. Vereinbarungen wie Tarifverträge dürfen also gänzlich frei von staatlichen Eingriffen geschlossen werden. Das will die FDP nun aber teilweise einschränken. So sagte Reinhard Houben, der wirtschaftspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, im Deutschlandfunk, diese Augenhöhe gebe es bei der GDL nicht: “Die Tariffreiheit hat sich im industriellen Bereich bewährt. Weil dort auch die Gewerkschaft weiß, dass sie die Forderung nicht so weit nach oben ziehen kann, dass am Ende der Betrieb gefährdet ist.” Das sei im öffentlichen Personennahverkehr oder bei der Deutschen Bahn anders. Diese Betriebe seien staatlich garantiert, und daher seien bei Streiks nicht die Unternehmen die Leidenden, sondern vor allem die Nutzenden von öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Gewerkschaften seien dadurch wenig kompromissbereit und würden auf ihren Forderungen beharren, meinen zumindest die Befürworter einer Verschärfung des Streikrechts. Eine Sorge vor der Pleite des Arbeitgebers und dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes gibt es nach dieser Argumentation nicht. Was diese Sicht allerdings auslässt: Die Bahn ist auch teilprivatisiert und verfolgt dementsprechend finanzielle Interessen. “Mit dem Grundgesetz unvereinbar” Doch was für Instrumente gäbe es, um die Streiks zu entschärfen? Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, fordert in der “Rheinischen Post” als konkrete Maßnahme “ein Arbeitskampfrecht, das gerade auch für die Infrastruktur angemessene Ankündigungsfristen, Schlichtungsregelungen und Abkühlungsphasen vorsieht”. Ähnliche Forderungen stellt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai auf. Er wünscht sich in der “Bild am Sonntag” verpflichtende Schlichtungen, klare Streikfristen und die Möglichkeit, Verhandlungsführer auszutauschen: “Auch müssen wir über eine generelle Einschränkung des Streikrechts in sensiblen Bereichen sprechen.” Dem widerspricht DGB-Frau Piel. In sensiblen Bereichen gebe es bereits Notdienste. Und für andere Bereiche seien die Forderungen schlicht unzulässig: “Eine generelle Streikbeschränkung oder gar ein Streikverbot in der ‘Daseinsvorsorge’ oder für das ‘Gemeinwohl’ ist außerdem mit dem Grundgesetz und europarechtlichen Anforderungen unvereinbar.” Eine weitere rechtliche Verschärfung sieht auch der Streikforscher Dr. Alexander Gallas kritisch. “Das Streikrecht in Deutschland ist bereits sehr restriktiv. Die großen sozialpolitischen Streiks in Frankreich wären unter der herrschenden Rechtsauffassung in Deutschland so nicht möglich”, erklärt der Wissenschaftler der Universität Kassel . Lesen Sie hier ein Interview mit Dr. Alexander Gallas zu Streiks in Deutschland Kein Steikgesetz in Deutschland Dass beide Seiten die gesetzlichen Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich interpretieren, liegt auch daran, dass es in Deutschland kein eigenes Streikgesetz gibt. So ist Streiken grundsätzlich erlaubt. Welche Form und welcher Umfang noch zumutbar sind, darüber entscheiden im Einzelfall aber Gerichte. Und auch die Justiz hat in der Vergangenheit verschiedene Signale gesendet, die sich die Gegner nun jeweils argumentativ zunutze machen. So verkündete das Bundesarbeitsgericht 1980 nach einem wichtigen Urteil, dass Tarifverhandlungen ohne das Recht auf Streik nicht mehr als kollektives Betteln seien. Dagegen hielt das Bundesverfassungsgericht 1991 fest, dass zusätzliche gesetzliche Regelungen für das Streikrecht durchaus möglich seien. Doch auch wenn die Fronten aktuell verhärtet sind und hitzig debattiert wird: Allzu bald wird es ohnehin keine Änderungen geben. Zwar werben mehrere FDP-Politiker derzeit kräftig für eine Verschärfung des Streikrechts, aber es gibt in der Ampelregierung dafür aktuell keine Mehrheit. Deswegen meint auch FDP-Politiker Houben: “In dieser Legislaturperiode wird es da keine Änderung geben, das Thema steht nicht im Koalitionsvertrag.” Aber das Thema könne zumindest im nächsten Wahlkampf mit aufgenommen werden.

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