Björn Höcke | Verfahren in Halle: Die große Show bleibt aus – vorerst

Björn Höcke | Verfahren in Halle: Die große Show bleibt aus –  vorerst

Wegen der Verwendung einer SA-Parole steht Björn Höcke in Halle vor Gericht. Doch am ersten Verhandlungstag passiert wenig – dank mehrerer Kniffe seiner Anwälte. Björn Höcke wirkt entspannt, er kaut auf etwas, links und rechts neben ihm sitzen seine drei Verteidiger. Der AfD-Politiker nickt, als der Richter seine Personalien vorliest, “Bornhagen” sagt er selbst, gefragt nach seinem Wohnort. Mehr wird man in den folgenden rund vier Stunden des Verfahrens nicht von ihm hören. Die große Höcke-Show, die einige gefürchtet, andere herbeigesehnt hatten, bleibt am ersten Tag der Verhandlung aus. Höcke steht am Donnerstag wegen der “Verwendung eines Kennzeichens einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation” vor dem Landgericht in Halle. Der Grund: Er hat bei einem Auftritt in Merseburg 2021 den Spruch “Alles für Deutschland” verwendet. Im Dezember 2023 soll Höcke diesen Spruch bei einem Auftritt in Gera bewusst wiederholt haben – zumindest zum Teil. Er selbst sagte “Alles für”, das Publikum vervollständigte den Satz mit “Deutschland”. Die Szene ist auf Videos festgehalten. “Alles für Deutschland” war der Leitspruch der Sturmabteilung (SA), Schlägertrupp der NSDAP, mit deren Hilfe die Nazis die Macht ergriffen. Der Slogan ist verboten. Bei einer Verurteilung reicht der Strafrahmen von einer Geldstrafe bis zu einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. Höcke führt einen Kreuzzug In der Regel sind solche Verfahren in einem Tag erledigt. Höcke aber ist nicht irgendwer. Der Thüringer AfD-Landeschef ist einer der erfolgreichsten Strippenzieher in der Partei, einer der mächtigsten Männer in der AfD – und einer ihrer größten Geschichtsrevisionisten. In den vergangenen Jahren hat er seinen Einfluss immer weiter ausgebaut, hat Personal und Programm der Partei maßgeblich mitbestimmt und immer wieder mit Tabubrüchen an einer “180-Grad-Wende” in der Erinnerungskultur gearbeitet, die er so dringend will. Das Verfahren nutzt der Rechtsaußen, der gerichtsfest “Faschist” genannt werden darf, bereits seit Monaten für einen Kreuzzug gegen die Medien, die anderen Parteien, gegen die angeblich politisch beeinflusste Justiz. “!!Meinungsfreiheit vor Gericht!!” postet Höcke am Donnerstagmorgen auf seinem sowie dem AfD-Thüringen-Account auf Telegram und beklagt: “Hier soll ein Exempel statuiert werden!” Fleißig wirbt er im selben Post um Spenden für die AfD. Dass er eine SA-Parole genutzt hat? Davon will der ehemalige Geschichtslehrer angeblich nichts gewusst haben. Höckes Anwälte spielen auf Zeit Diese Verteidigungsstrategie ist bekannt, weil Höcke sie seit Wochen in der Öffentlichkeit fährt. In Halle aber kommt es am Donnerstag nicht zu einer Erklärung. Denn Höckes Anwälte spielen auf Zeit. Und sie sind bei der Verzögerung durchaus effektiv. Erst stellen sie den Antrag, dass die gesamte Verhandlung per Tonaufnahme aufgezeichnet wird. Dann prangern sie an, dass das Landgericht gar nicht zuständig sei. Ihre Forderung, immer wieder: Die Verhandlung solle ausgesetzt oder unterbrochen werden. Gut ein halbes Dutzend Mal ziehen sich die beiden Richter Jan Stengel und Heike Schwick sowie die beiden Schöffen zurück, immer wieder müssen sie über Anträge der Höcke-Anwälte befinden. Und immer wieder fällt die Entscheidung gleich aus: abgelehnt. Tonaufnahmen sehe die Strafprozessordnung bei solchen Verfahren nicht vor, das Landgericht sei als zuständiges Gericht festgelegt worden. Und so dauert es bis 13 Uhr, bis allein die Anklageschrift verlesen ist. Staatsanwalt Benedikt Bernzen kritisiert: Die Verteidigung “torpediere” das Verfahren, ihre Anträge hätten dabei keinerlei Aussicht auf Erfolg. “Wir haben hier bisher noch gar nichts gemacht”, hält er nach knapp vier Stunden Verfahren fest. “Anwaltskarussell” könnte AfD-Politiker in die Karten spielen Höcke könnte nicht nur dieses Vorgehen in die Karten spielen. Vorab hat er mehrfach seine Verteidiger gewechselt oder neue hinzugezogen. So kommt er inzwischen auf drei Verteidiger, zwei davon sind kurz vor Beginn des Verfahrens neu hinzugekommen. Neben Rechtsanwalt Ralf Hornemann sitzen nun Philip Müller und Ulrich Vosgerau an seiner Seite. Vosgerau hat Anfang des Jahres bundesweite Bekanntheit erlangt, weil publik wurde, dass er an demjenigen Treffen mit Rechtsextremisten wie Martin Sellner in Potsdam teilnahm, bei dem Pläne für die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland besprochen worden sein sollen. Staatsanwalt Bernzen kritisiert: Es habe “unzählige Verteidigerwechsel” gegeben, auch Richter Stengel konstatiert später trocken ein “Anwaltskarussell”. Zunächst wird wegen kurzer Vorbereitungszeit der Verteidiger nur Höckes Auftritt in Merseburg verhandelt – der spätere Auftritt in Gera bleibt vorerst außen vor, wie eine Sprecherin bereits vor Verfahrensbeginn erklärt. Für Höcke hat das einen wichtigen Vorteil: Ihm einen Vorsatz und Kenntnis der SA-Parole nachzuweisen, dürfte so schwieriger werden. Ob die beiden Verfahren doch noch zusammengeführt werden, bleibt am Donnerstag offen. Höckes Verteidiger kündigen lediglich an: Ihr Mandant wolle sich äußern, einlassen vor Gericht und auch Fragen der Staatsanwaltschaft beantworten. Das aber soll erst am nächsten Dienstag passieren, dem zweiten von insgesamt bisher vier angesetzten Verhandlungsterminen. Die große Höcke-Show, sie dürfte also noch kommen.

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