Blackout: Der Albtraum jedes Kapitäns

Blackout: Der Albtraum jedes Kapitäns

Hafen von Baltimore, US-Bundesstaat Maryland, in der Nacht des 26. März. Es ist 1.27 Uhr und 25 Sekunden, als der Lotse an Bord des Großcontainerfrachters „Dali“ einen Notruf absetzt, der vermutlich vielen Menschen das Leben rettet. Über UKW-Funk meldet er, dass das große Schiff keinen Strom mehr hat und alle Systeme ausgefallen sind.

Genau zwei Minuten und acht Sekunden später kracht der dreihundert Meter lange Frachter unkontrolliert und mit acht Knoten Fahrt gegen die Francis-Scott-Bridge, die daraufhin wie ein Kartenhaus einstürzt. Wegen des Alarms des Lotsen konnte die Polizei aber rechtzeitig die Brückenauffahrten sperren. Sechs Bauarbeiter, die auf der Brücke den Straßenbelag reparierten, sterben.

Die Details der Katastrophe, die Auswirkungen auf Lieferketten weltweit haben kann, sind bereits bekannt, weil die Ermittler des „National Transportation Safety Board“ die Daten des Schiffsdatenschreibers veröffentlichten. Ein Dokument, das auch in Hamburg einige Verantwortliche gruseln wird. Ein Großcontainerfrachter, der auf der Elbe einen Blackout erlebt, also einen Ausfall aller System? Das ist die Horrorvorstellung.

Hamburger Kapitän erlebte ähnlichen Horror

Ich dachte an einen sympathischen Kapitän von Hapag-Lloyd, der genau dieses Szenario erlebte und mir davon erzählte. Am 17. März 2007 geschah es, in New York. Die „Kobe Express“ war kurz vor der Verrazano-Brücke, die Staten Island und Brooklyn verbindet, als Peter Rößler bemerkte, dass eine gewaltige Dampfwolke aus unserem Schornstein aufstieg.

Hapag-Lloyd-Kapitän Peter Rößler
Stefan Krücken// Ankerherz

Hapag-Lloyd-Kapitän Peter Rößler

Dann fiel die Maschine aus, mit einem Schlag. „Schiff lässt sich nicht mehr steuern“, meldete der Rudergänger. „Schiff läuft aus dem Ruder!“ Und ein großer, voll beladener Gastanker kam näher – direkt unter der vielbefahrenen Brücke zur Rush-Hour!

Der Lotse schrie wilde Kommandos über die Brücke. Rößler blieb besonnen. Er dachte nach. Dann gab er das Kommando, den Steuerbordanker fallen zu lassen, fünf Kettenlängen. Wenig später wurde das Schiff regelrecht nach Steuerbord gerissen und stoppte ab, doch das Heck drehte auf den Gasttanker zu. Rößler ließ den Backbord-Anker fallen. Das Manöver gelang, die starke Drehung der „Kobe Express“ wurde aufgestoppt.

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Stefan Kruecken
hfr

Stefan Kruecken

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag (www.ankerherz.de). Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Gerade erschien sein neues Buch: „Muss das Boot abkönnen“.

Statt auf den Titelseiten auf der ganzen Welt landete das Schiff auf einer Sandbank. Keine angenehme Lage, aber kein Untergang. Schlepper zogen die „Kobe Express“ frei. Es gab keine Schäden.

„Solche Entscheidungen trifft man kurzfristig, mit der Erfahrung von vielen Jahren auf See“, sagte mir Kapitän Rößler. „In Schulungen, Seminaren oder am Simulator lernt man so etwas nicht.“

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