„Dafür ist oft kein Platz“: Was Almuth Schult nach ihrem HSV-Comeback kritisiert

„Dafür ist oft kein Platz“: Was Almuth Schult nach ihrem HSV-Comeback kritisiert

Alle Nachrichten, sagt Almuth Schult (33), habe sie noch nicht beantworten können. Es waren schlicht zu viele. Die Keeperin war 2007 erstmals zu den HSV-Frauen gekommen – als 16-Jährige. Und nun ist sie zurück – als Olympiasiegerin, Europameisterin, sechsmalige Deutsche Meisterin und dreifache Mutter. Schult hat ihren acht Monate alten Sohn auf dem Schoß, als sie mit der MOPO verabredet ist und vom Muttersein im Lei­stungsfußball berichtet. Zudem spricht sie über ihre Zukunft, ein mögliches DFB-Comeback – und strahlende Gesichter in der HSV-Kabine.

MOPO: Frau Schult, Sie sind zurück bei dem Verein, der auch Ihre erste Station im Frauenfußball war. Fühlt es sich an, wie nach Hause zu kommen?

Almuth Schult: Der HSV ist ein Teil meiner fußballerischen Heimat. Mein Vater ist gebürtiger Hamburger, mein Mann und ich haben hier gewohnt, wir haben hier viele Freunde. Und ein Teil meiner Familie ist HSV-Fan – die haben sich sehr gefreut.

Sie wohnen im Wendland, Ihr HSV-Vertrag läuft zunächst bis Saisonende. Werden Sie mit der Familie nach Hamburg ziehen?

Ich pendele erst einmal. Das ist aktuell für mich und die Familie die beste Lösung. Und es ist eben auch nicht so, dass man in der Zweiten Liga der Frauen Unmengen an Geld verdient.

Almuth Schult wurde mit 16 Jahren zur HSV-Torhüterin

2007 wurden Sie beim HSV zur Bundesliga-Torhüterin. Im Alter von nur 16 Jahren.

Es war ein Schritt in die große, weite Welt. In die erste richtige Selbstständigkeit: weg von zu Hause, ich baue mir jetzt mein eigenes Leben auf. Ich hatte in Hamburg eine Ein-Zimmer-Wohnung und musste meinen Alltag selbst bewerkstelligen. Es war eine sehr prägende Zeit.

Dom-Besuch im Sommer 2007: Almuth Schult war im Alter von 16 Jahren erstmals zum HSV gewechselt.
IMAGO / HochZwei/Angerer

Dom-Besuch im Sommer 2007: Almuth Schult war im Alter von 16 Jahren erstmals zum HSV gewechselt.

Nun sind Sie 33 Jahre alt, haben 180-mal in der Bundesliga, 53-mal in der Champions League und 66-mal in der Nationalelf gespielt. Warum noch mal der HSV?

Weil ich das Gefühl hatte: Ich möchte noch mal spielen. Und weil der HSV mir die Möglichkeit gegeben hat. Ich bin sehr dankbar für diese Chance, denn dass Mütter wieder gesucht werden, ist sehr selten im europäischen Leistungsfußball.

Ihr letztes Pflichtspiel bestritten Sie im Oktober 2022 in den USA, seit Sommer 2023 sind Sie dreifache Mutter. Kam Ihnen schon mal der Gedanke ans Karriereende?

Ich bin nicht abschließend – sondern lebe im Moment. Ich habe schon während meiner ersten Schwangerschaft im Jahr 2020 gesagt: Ich bin super zufrieden mit meiner Karriere und dankbar dafür, was ich erlebt habe. Es war kein Muss, ich habe mir aber immer gewünscht, noch mal Fußball zu spielen.

Schult hatte nicht mit einer Rückkehr zum HSV gerechnet

Der HSV hat Ihnen diesen Wunsch erfüllt.

Dass es noch mal klappt mit mir und dem HSV, hätte ich früher nicht gedacht. Ich hatte zu mehreren Vereinen Kontakt, der HSV war in den letzten Jahren aber nicht zu übersehen. Die Menschen gucken darauf, was hier passiert. Und ich merke, wie groß die Ambitionen des Vereins sind. Das freut mich ungemein, weil ich auch andere Zeiten erlebt habe.

Nach der Saison 2011/2012 wurden die HSV-Frauen aus der Bundesliga zurückgezogen.

Das war das dunkelste Kapitel der Frauen-Abteilung des HSV. Umso mehr habe ich mich letztes Jahr über den Aufstieg in die Zweite Liga gefreut. Die Mädels hier haben es mehr als verdient. Und jetzt freue ich mich, sie jeden Tag ein bisschen besser kennenzulernen.

Dank einer FIFA-Regelung für Spielerinnen, die in Mutterschutz waren, konnten Sie außerhalb der Transferperioden wechseln. Diese Regel erleichtert den Wiedereinstieg in den Leistungssport. Wieso sind Sie trotzdem eine der wenigen Mütter im deutschen Leistungsfußball?

Wir Frauen verdienen im Leistungsfußball nicht annähernd so viel wie Männer. Mit nur dem Fußball-Job müssten wir uns beispielsweise mehr Sorgen um die Betreuung von Kindern machen. Viele Spielerinnen haben zwei Jobs: einen, um Geld zu verdienen, und den anderen im Leistungssport. Da ist oft kein Platz mehr. Und wenn man einen Zeitvertrag hat, könnte es sein, dass dieser während der Schwangerschaft ausläuft. Dann gibt es keine Garantie dafür, dass man es zurückschafft. Sondern man kann den Status, den man hatte, eher verlieren.

Almuth Schult wollte als Mutter unbedingt wieder spielen

Muss man erst einen Status wie Ihren haben, um selbst von der Rückkehr ins Geschäft überzeugt zu sein?

Ich glaube, dass der Status bei mir sehr hilfreich war, um Dinge einzufordern und neue Wege gehen zu können. Vereine wollten nicht kompromisslos auf mich verzichten. Wenn ich fünf Jahre früher schwanger gewesen wäre, wäre mein Status eventuell schneller weg gewesen und ich hätte keine Forderungen stellen können. Die Schwangerschaft hatte aber auch in meinem Fall sportliche Folgen.

Sie waren die deutsche Nummer eins, haben Ihren Stammplatz im DFB-Tor nach Ihrer ersten Schwangerschaft aber nicht zurückgewinnen können.

Wer weiß, was passiert wäre, wenn ich nicht wegen meiner Kinder raus gewesen wäre.

18 Monate nach ihrem letzten Pflichtspiel ist Almuth Schult nun wieder beim HSV am Ball.
WITTERS

18 Monate nach ihrem letzten Pflichtspiel ist Almuth Schult nun wieder beim HSV am Ball.

War Ihr Wunsch, eine Familie zu gründen, Kinder zu bekommen, immer größer als die Sorge, nach der Schwangerschaft keine Chance mehr im Leistungssport zu haben?

Ich hatte keine Sorgen, ob ich es zurückschaffe oder nicht. Sondern ich war schon sehr dankbar für das, was ich alles erreicht habe. Und ich wusste, dass ich viel Unterstützung brauche. Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden. Da ist es normal, dass Kinder während der Arbeitszeit da sind, mitlaufen, mithelfen. Deshalb hat meine Familie auch gesagt: Warum sollte es nicht funktionieren? Mein Mann und ich sind voll berufstätig, bisher hat es sehr gut funktioniert. Und Männer fragt man ja auch nicht: Wo lässt du die Kinder während des Trainings?

HSV-Keeperin Schult will auf Mutterrolle aufmerksam machen

Nerven Sie solche geschlechterspezifischen Fragen?

Nerven ist das falsche Wort. Ich finde die Fragen wichtig, um Aufmerksamkeit und Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Muttersein im Leistungssport noch keine Normalität ist. Aber es wäre auch schön, wenn man in gewisser Zukunft nicht mehr darüber nachdenken würde. Wir sind auf einem guten Weg, im Fußball aber noch lange nicht bei Gleichberechtigung.

Würden Sie anderen Sportlerinnen gerne ihre Ängste nehmen?

Selbstverständlich möchte ich ein Vorbild sein und die Menschen ermutigen, ihren Weg zu gehen, sich nicht von äußeren Begebenheiten beeinflussen zu lassen, sondern sich selbst ein Bild zu machen. Natürlich ist es eine Herausforderung, aber genauso ist es auch sehr schön, das alles mit seinen Kindern teilen zu können. Meine Zwillinge fragen mich sehr oft: „Mama, wir wollen dir zugucken, wann spielst du wieder Fußball?“ Und beim ersten Mal, als mein jüngster Sohn hier beim HSV in die Kabine kam, gab es nur strahlende Gesichter.

Wann dürfen wir Sie erstmals im HSV-Trikot auf dem Rasen sehen?

Ich hoffe, bald. Leider sind ein paar muskuläre Beschwerden aufgetaucht, daher am Sonntag wahrscheinlich noch nicht.

Comeback von Schult beim HSV noch nicht am Sonntag

Dann treffen die HSV-Frauen auf die zweite Mannschaft des VfL Wolfsburg, wo Sie nach ihrer Schwangerschaft zuletzt mittrainiert haben. Der Wunsch nach dem erneuten Comeback soll aber auch in einem privaten Kraftraum entstanden sein.

Das stimmt (lacht). Den habe mir von der 2016er-Olympiaprämie in unserem Haus eingerichtet – und er war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Der Kraftraum war schon nach meiner ersten Schwangerschaft die Grundlage für mein Comeback.


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Wie lange möchten Sie noch Fußball spielen?

Es kommt nicht nur auf mich an, sondern auch auf die Familie, ob es allen gutgeht, ob es organisierbar ist. Und es kommt darauf an, ob es einen Verein gibt, der in mir noch einen Mehrwert sieht. Es ist eine Gemeinschaftsentscheidung. Ich muss mir hoffentlich keine Sorgen machen, dass ich nach der Karriere im Nichts lande. Während der Schwangerschaft hatte ich schon einen Job, der mir sehr viel Spaß macht.

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Sie Sind seit Dezember fest im „Sportschau“-Team der ARD. Ist die Rolle als TV-Expertin auch etwas für die Zeit nach der Karriere? Wie sehen Ihre Pläne aus?

Ich habe gelernt, dass man sich nicht auf irgendetwas festlegen sollte. Ich habe einen Trainerinnenschein, habe Sport studiert. Es wird sicherlich etwas mit Sport und hoffentlich Fußball zu tun haben, weil es einfach meine Leidenschaft ist.

Ihr letztes Länderspiel bestritten Sie vor eineinhalb Jahren. Ist ein DFB-Comeback realistisch?

Wenn man Leistungssportlerin ist, ist es gut, Träume zu haben. Aber aktuell ist es vollkommen unrealistisch und ich lege darauf keinen Fokus. Erfahrung ist nicht alles. Ich muss erst mal wieder meine Leistung bringen, auf den Platz kommen, wieder gut spielen. Und man muss sehen, dass ich beim HSV jetzt in der Zweiten Liga spiele – nicht in der Cham­pions League.

„Dafür ist oft kein Platz“: Was Almuth Schult nach ihrem HSV-Comeback kritisiert wurde gefunden bei mopo.de

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