Dramatische Lage an der Front: Russland nimmt weitere Ortschaften ein

Dramatische Lage an der Front: Russland nimmt weitere Ortschaften ein

Die Situation an der Front in der Region Donezk wird für die Ukraine immer dramatischer. Eine große Offensive Russlands könnte bevorstehen. Er hatte unglaubliches Glück. Ein ukrainischer Soldat war im Dorf Berdytschi in der Region Donezk offenbar in einen russischen Angriffshagel geraten. Auf einem von Bombenkratern zerfurchten Gelände irrte er umher. Dann sieht er eine Drohne, die von einem Soldaten der 47. Mechanisierten Brigade der ukrainischen Armee navigiert wurde. Mithilfe der Drohne läuft der versprengte Soldat im Zickzack über das Gefechtsfeld und erreicht schließlich die eigenen Linien. So zeigen es Bilder, die von der ukrainischen Armee veröffentlicht wurden. Manche seiner Kollegen hatten weniger Glück. Sie ließen wohl bei dem Versuch ihr Leben, die Dörfer Berdytschi und Semeniwka zu verteidigen. Russland konnte die beiden Ortschaften am Wochenende einnehmen und damit seinen Vorstoß an der Front in der Region Donezk in der Ostukraine ausweiten. Seitdem es der Armee des russischen Diktators Wladimir Putin in der vergangenen Woche gelungen war, die Ortschaft Oretschyne in der Nähe der russisch besetzten Stadt Awdijiwka einzunehmen und einen Keil tief in ukrainisches Gebiet zu treiben, versuchen die Streitkräfte des Kreml, diesen taktischen Vorteil an der Front auszubauen. Bis zu vier zusätzliche Brigaden sollen Putins Generäle in die Region geschickt haben, so berichtet es die US-Denkfabrik ISW. Die Ukrainer, denen Munitions- und Personalmangel erheblich zusetzen, stehen immer mehr unter Druck. Das musste nun auch der ukrainische Armeechef Oleksandr Syrsky einräumen. “Die Situation an der Front hat sich verschlechtert”, erklärte er am Sonntag bei Facebook. Die ukrainischen Soldaten hätten sich in einigen Gebieten auf neue Verteidigungslinien weiter westlich “zurückgezogen”. Die Militärexperten des ISW prognostizieren, dass sich die ukrainische Armee in den kommenden Wochen noch aus weiteren Ortschaften in der Region zurückziehen könnten, um nicht zu hohe Verluste zu erleiden. Auch Syrsky deutete eine solche Entwicklung an. Insgesamt seien die ukrainischen Streitkräfte an mehreren Abschnitten der Front in der Defensive, da Russland über “einen bedeutenden Vorteil an Kräften und Mitteln” verfüge. Auch wenn sich der ukrainische General bemühte, nicht alles schlecht aussehen zu lassen. So gebe es zwar “taktische Erfolge in einigen Sektoren” für den Feind, in einigen Gegenden “gelang es unseren Truppen, die taktische Lage zu verbessern”. Einnahme eines weiteren Dorfes verkündet Es klingt wie Durchhalteparolen. Und das ist es vermutlich auch, denn wie dramatisch es zum Teil um die Kräfteverhältnisse an der Front bestellt ist, beschreibt das ISW in seinem jüngsten Lagebericht: Demnach stehen einem ukrainischen Soldaten mindestens drei russische gegenüber. Das Verhältnis bei der Artilleriemunition liege in manchen Frontabschnitten sogar bei eins zu neun. Wenn westliche Politiker also nach wie vor behaupten, es werde alles getan, “was nötig ist”, um der Ukraine in ihrem Überlebenskampf beizustehen, kommen bei immer mehr Experten Zweifel auf, ob die Anstrengungen der Verbündeten genügen. Immerhin haben die USA und Großbritannien , aber auch weitere westliche Staaten wie Spanien und Australien neue Hilfspakete angekündigt. Bis diese allerdings eintreffen werden, könnte sich die Lage an der Front für das völkerrechtswidrig angegriffene Land noch weiter verschlechtern. Am Sonntag meldete das russische Verteidigungsministerium dann auch noch die Einnahme des Dorfes Nowobachmutiwka in der Nähe von Awdijiwka. Bislang blieb diese Angabe unbestätigt. Das Momentum hat sich in den vergangenen Monaten klar zugunsten von Putins Truppen entwickelt und es besteht durchaus die Chance, dass der Kremlherrscher bis zum prestigeträchtigen Datum 9. Mai noch weitere militärische Erfolge feiern kann. Dann jährt sich der Tag der Kapitulation Hitler-Deutschlands zum 79. Mal. Und Putin liebt solche historischen Daten. Selenskyj fordert weitere Luftabwehrsysteme Zudem plant er offenbar eine Großoffensive. Diese könnte laut ukrainischen Geheimdienstlern Ende Mai oder Anfang Juni starten, wie die “Financial Times” berichtet. Ein Hauptziel der Attacke soll die Millionenstadt Charkiw sein. Angeblich sei Putin bereit, bis zu 40.000 Soldaten an der zweitgrößten Stadt der Ukraine zusammenzuziehen, um diese zu erobern. Das berichtet die “Bild”-Zeitung unter Berufung auf einen ukrainischen Armeelieferanten. “Dann müssen wir uns entscheiden, ob wir den Norden oder den Osten verteidigen wollen. Beides geht nicht”, wird der Mann zitiert. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bekräftigte seine Forderung an die westlichen Verbündeten, Kiew zusätzliche Luftabwehrsysteme zur Verfügung zu stellen. Die Partner der Ukraine hätten “alle Möglichkeiten, (uns) dabei zu helfen, jede Rakete und jede Drohne” aus Russland abzuschießen, erklärte er am vergangenen Samstag. Sein Land müsse so schnell wie möglich weitere Patriot-Luftabwehrsysteme erhalten. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg drang auf weitere Waffenlieferungen an die Ukraine. “Keine Option ist ohne Risiko, wenn man einen Nachbarn wie Russland hat”, sagte der Nato-Chef im “Bericht aus Berlin” der ARD . Die Ukraine habe aber das Recht, sich zu verteidigen – und die westlichen Verbündeten dürften und sollten das attackierte Land dabei unterstützen. Deutschland gehe hierbei “mit gutem Beispiel voran”, lobte Stoltenberg.

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