Drogenabhängige vom Hauptbahnhof verdrängt – doch jetzt gibt es ein neues Problem

Drogenabhängige vom Hauptbahnhof verdrängt – doch jetzt gibt es ein neues Problem

„Keine Obdachlosen, keine Trinker und weniger bettelnde Drogenabhängige – eine so ruhige Situation hat es am Hauptbahnhof in den vergangenen 35 Jahren nicht gegeben.“ Zu diesem Fazit kommt Sozialpädagoge Lothar Knode. Und er muss es wissen, denn er hat jahrzehntelang im Umfeld gearbeitet. „Durch die Quattro-Streifen der Polizei wurden viele verdrängt“, sagt der Grünen-Abgeordnete aus dem Bezirk Mitte. Das Problem: Sozialarbeiter beobachten, dass die Szene sich nun über die ganze Stadt verteilt.

Seit es am Hauptbahnhof die Alkohol- und Waffenverbote gibt, darf etwa die Polizei jeden Passanten verdachtsunabhängig kontrollieren. In der Folge werden auch Drogenabhängige kontrolliert, die zum benachbarten „Drob Inn“ wollten, um dort im Drogenkonsumraum ihr Rauschgift zu sich zu nehmen. Sie haben also ihren illegalen Stoff dabei, geraten in eine Kontrolle und müssen damit rechnen, dass ihnen die Drogen abgenommen werden. „Deshalb trauen sich viele Menschen nicht mehr hierher“, so ein Sozialarbeiter, der anonym bleiben möchte.

Zudem gibt es mehr und mehr Aufenthaltsverbote für Menschen, die mit Alkohol am Hauptbahnhof und am ZOB erwischt wurden. Sie gelangen dann gar nicht mehr zum „Drob Inn“. Mitte April hatte ein 32-jähriger Algerier ein Aufenthaltsverbot der Polizei ignoriert und war im Bereich des „Drob Inn“ trotzdem angetroffen worden. Er wurde in Gewahrsam genommen und in eine Sammelzelle des PK 11 am Steindamm gebracht. Dort starb er.

Polizei erteilt mehr Aufenthaltsverbote am Hauptbahnhof

Derzeit wird in der Gerichtsmedizin untersucht, ob es ein Fremdverschulden gab. Danach sieht es bisher laut Staatsanwaltschaft nicht aus, aber die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen. Vielleicht wäre der Drogenabhängige auch gestorben, wenn er die Nacht nicht in der Zelle verbracht hätte – vielleicht aber auch nicht.

Christine Tügel, Geschäftsführerin des Drob Inn, sieht die Arbeit erschwert.
Miguel Ferraz Araújo

Christine Tügel, Geschäftsführerin des Drob Inn, sieht die Arbeit erschwert.

„Die ganze Verdrängung am Hauptbahnhof bringt sehr viel Unruhe für die abhängigkeitserkrankten Menschen hier, das hilft uns in der Arbeit nicht“, sagt Christine Tügel, Geschäftsführerin von Jugendhilfe e.V., dem Betreiber des „Drob Inn“. So dass die Szene, die sich seit mehr als 25 Jahren an diesem Standort aufhält, nun teilweise verdrängt und zersprengt wird. Neue Orte sind etwa beim S-Bahnhof Holstenstraße oder Berliner Tor. Aber eben auch die Wohnstraßen im Stadtteil St. Georg.

„Drob Inn“ kümmert sich um Crack-Abhängige

Das „Drob Inn“ am Besenbinderhof kümmert sich seit vielen Jahren um Menschen mit exzessivem Crack-Konsum, die meist auch „polyvalent“ konsumieren. Das heißt, sie nehmen ganz verschiedene illegale Drogen, plus Alkohol. Damit regulieren sie sich dann runter, wenn das Geld etwa für Crack alle ist. Laut Tügel ist das Konsummuster der Klientel seit Jahren stabil. Der Konsum habe nicht zugenommen. „Aber die Verelendung nimmt zu“, sagt sie.

Das zeigt sich etwa daran, dass mehr Abhängige, die zum „Drob Inn“ kommen, obdachlos sind. „Nur noch 25 Prozent unserer Klientel haben eine Unterkunft“, so Tügel. Daher halten sie sich mehr und länger rund ums „Drob Inn“ auf und sind teils in desolater körperlicher Verfassung. Sie haben etwa große Verbände und amputierte Gliedmaßen, weil sie nicht kontinuierlich versorgt wurden. Manche sind auf Gehhilfen und Rollstühle angewiesen.

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Weil sich viele Drogenkonsumierende vor dem „Drob Inn“ aufhalten und die Crack-Problematik dieser Szene in den vergangenen Wochen viel thematisiert wurde, sind die Menschen dort deutlich stärker einem Voyeurismus durch Passanten ausgesetzt. Das ist ein zentraler Grund, warum es dort nun einen Sichtschutz gibt.

„Er polarisiert und wird auch bei uns diskutiert“, so Tügel. Er solle vor Blicken schützen. Aber er helfe auch Menschen, die den Blick auf das Elend dort nur schwer aushalten könnten. Tügel: „Dieser Sichtschutz soll die Problematik aber nicht unsichtbar machen und durch die künstlerische Gestaltung ist er eher ein Hingucker.“

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