Drogenbaron aus dem Plattenbau: Der Aufstieg von Hamburgs meistgesuchtem Gangster

Drogenbaron aus dem Plattenbau: Der Aufstieg von Hamburgs meistgesuchtem Gangster

Er soll einen hochlukrativen Drogenhandel aufgebaut, sich brutal gegen Konkurrenten durchgesetzt und mehrere Mordanschläge in Auftrag gegeben haben: Nach Mansour Ismail wird weltweit gefahndet, bei Europol steht er ganz oben auf der „Europe’s most wanted“-Liste, vor den RAF-Terroristen Garweg und Staub. Seinen Aufstieg verdankt er ausgerechnet einem Ermittlungserfolg der Polizei. Doch wo kommt der gerade mal 29-Jährige her? Als sich die MOPO auf Spurensuche zu Ismails Vergangenheit im Osdorfer Born begibt, trifft sie auf Menschen, die sich vor lauter Angst nicht trauen, öffentlich über ihn zu sprechen.

Mansour Ismail wurde am 12. November 1994 im ägyptischen El Mokataa geboren. Seine Familie wanderte nach Deutschland aus, und er wuchs in einer tristen Hochhaus-Siedlung in Osdorf auf.

„Will ich auch sterben?“

Er sei einst ein Nachbar von Ismail gewesen, sagt ein älterer Herr vor einem Plattenbau. Er beschreibt ihn als „total frech“ und ohne Manieren, schon als Kind. Ein junger Mann in Ismails Alter winkt ab, als er auf den Gesuchten angesprochen wird, so wie die meisten anderen auch. Er sagt nur: „Will ich auch sterben? Der Typ hat bewiesen, wie skrupellos er ist.“


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Schon früh geriet „Manni“, wie ihn viele nennen, auf die schiefe Bahn: Er klaute und war in Schlägereien verwickelt. Mit zunehmendem Alter wurden die ihm vorgeworfenen Straftaten immer schwerwiegender. Der Polizei war er schon als Teenie bekannt.

Zuletzt war Ismail an der Straße Kroonhorst in Osdorf gemeldet, lebte dort – wie schon in seiner Kindheit – in der Anonymität einer Hochhaus-Siedlung.

Zuletzt war Ismail in Osdorf gemeldet, lebte dort – wie schon in seiner Kindheit – in der Anonymität einer Hochhaus-Siedlung.
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Zuletzt war Ismail in Osdorf gemeldet, lebte in der Anonymität einer Hochhaus-Siedlung.

Der erste Schlüsselmoment seiner kriminellen Karriere war, als er die Brüder Masoud und Asiz R. kennenlernte. Quasi jedem Gauner der Stadt ist das Duo ein Begriff. Über Jahre hinweg sollen die Brüder im Drogenhandel aktiv gewesen sein und dabei viel Geld verdient haben – bis „EncroChat“ gehackt wurde.

„EncroChat“? Über den Messengerdienst, der als „WhatsApp für Verbrecher“ bekannt wurde, wickelten Kriminelle aller Art ihre Geschäfte ab. Ganz offen und ohne Hemmungen, weil sie glaubten, ihre Nachrichten seien verschlüsselt.

Hamburg: Mit Drogentaxis ein Imperium aufgebaut

Als französische Polizisten die Serverräume infiltrierten, alle Daten speicherten und an die jeweiligen Länderpolizeien weiterleiteten, gerieten Tausende von Gangstern in Schwierigkeiten, darunter auch die Brüder R. aus Hamburg. „Manni“ war damals Handlanger der Familie, er sah das offenbar als Chance. Und übernahm deren Geschäfte und ihre Kontakte. Der zweite Schlüsselmoment.

Die „Most Wanted“-Liste von Europol: Neben Mansour Ismail wird u.a. nach den RAF-Terroristen Garweg und Staub gesucht.
Europol

Die „Most Wanted“-Liste von Europol: Neben Mansour Ismail wird u.a. nach den RAF-Terroristen Garweg und Staub gesucht.

Statt alten Mustern zu folgen, baute er sich sein eigenes Imperium auf, vor allem mit sogenannten Drogentaxis: Dort können Gras und Kokain ganz bequem per Textnachricht bestellt werden, die Lieferung erfolgt nach Hause. Auf diese Weise soll Ismail Millionen verdient haben.

Das Geld ließ er von Ashraf A. einsammeln, in der Szene nur als „der Onkel“ bekannt; ein väterlicher Freund Ismails, der nach dem Feierabend bei seinem bürgerlichen Job im Hafen durch Hamburg fuhr. Bei den Übergaben wurden Codewörter wie Madrid, Paris und Stockholm verwendet, um die Transaktionen zu tarnen.

Im Laufe der Zeit baute Mansour Ismail ein loses Netzwerk an treuen Handlangern um sich herum auf. Und mutmaßlich auch an weniger treuen: Mehrere Männer, die für ihn arbeiteten, sollen ihn betrogen und bestohlen haben – es ging um Schulden und verschwundenes Kokain. Unter den Verrätern soll auch Terry S. gewesen sein, der im Juli 2022 in einer Shisha-Bar in Hohenfelde kaltblütig ermordet wurde.

Auch für die Schüsse auf Kaisar R. und Taylan T. im Januar 2023 in Tonndorf und auf Hulisi B. auf der Veddel im Februar 2023 wird Ismail verantwortlich gemacht. Auf den Audi Q8, in dem Kaisar R. und Taylan T. saßen, wurden mehr als 20 Kugeln abgefeuert. Hulisi erlitt einen Kopfschuss von hinten und überlebte nur knapp. Die Ermittler glauben, dass die angegriffenen Männer für Mansour Ismail gearbeitet haben und es sich bei den Anschlägen um Racheaktionen handelte.

Terry S. (r.) wurde hingerichtet, Kaisar R. (o.) von Kugeln getroffen. Sie sollen von Mansour Ismail gearbeitet haben.
dpa/Marius Röer/Instagram/MOPO-Collage

Terry S. (r.) wurde hingerichtet, Kaisar R. (o.) von Kugeln getroffen. Sie sollen für Mansour Ismail gearbeitet haben.

Haben sich die mutmaßlichen Diebe sicher gefühlt, weil Ismail gar nicht mehr in der Stadt war? Denn bevor er wegen einer Schlägerei verhaftet werden konnte, setzte er sich 2019 ins Ausland ab: Er war im Jahr zuvor auf der Reeperbahn in Streit mit einem Mann geraten, der ihn ohrfeigte. Daraufhin soll Ismail ihn zu Boden gebracht und auf ihn eingetreten haben. Auch soll er mit einem Freund noch einen Helfer angegriffen haben. Die Opfer erlitten Hämatome, Schwellungen und Platzwunden.

Anfang 2020 wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten ohne Bewährung verurteilt. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich jedoch bereits nicht mehr in Hamburg.

Dieses Foto stammt aus dem Jahr 2017. Ismail soll schon früh mit dem Gesetz in Konflikt geraten sein.
Polizei Hamburg/Bearbeitung: MOPO

Dieses Foto stammt aus dem Jahr 2017. Ismail soll schon früh mit dem Gesetz in Konflikt geraten sein.

Ismail führte sein Geschäft zunächst von Spanien aus weiter, vermutlich später von der Türkei aus. Sein aktueller Aufenthaltsort ist unbekannt. Vor einer Woche veröffentlichte die Polizei verschiedene Fotos des Mannes, der 1,76 Meter groß und kräftig sein soll. Er wird weltweit gesucht und steht auf der Europol-Liste der meistgesuchten Verbrecher. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat eine Belohnung von 5000 Euro ausgelobt (Hinweise: Tel. 040/428 65 6789). Inzwischen seien Hinweise eingegangen, so eine Sprecherin. Eine „heiße Spur“ gebe es bislang aber noch nicht.

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Die Ermittler sind derweil weiter damit beschäftigt, Ismails Imperium zu zerschlagen: Ebenfalls vergangene Woche durchsuchten sie 19 Wohnungen in Hamburg und Niedersachsen, verhafteten sechs Männer im Alter zwischen 23 und 49 Jahren, die alle zur Gruppe um Mansour Ismail gehören sollen.

Unter ihnen befand sich auch der als „der Onkel“ bekannte Ashraf A. (49). In seiner Wohnung an der Julius-Vosseler-Straße (Lokstedt) sollen 250.000 Euro sichergestellt worden sein. Der Mann war zuvor nie wegen Straftaten aufgefallen. Eine Nachbarin zur MOPO: „Ich kann es nicht fassen. Der war immer so nett und höflich. Die Menschen tragen echt Masken.“ Ein anderer: „Man kann niemandem trauen. Is‘ einfach so.“

Die Luft scheint nicht nur von behördlicher Seite dünner für Ismail zu werden: Am Ostermontag wurde ein Mann am Steindamm (St. Georg) angeschossen und lebensgefährlich verletzt. Es soll sich um einen engen Vertrauten von Mansour Ismail gehandelt haben. Möglicherweise rächt sich das Umfeld der Drogendiebe nun für Ismails Vergeltungsschläge.

Drogenbaron aus dem Plattenbau: Der Aufstieg von Hamburgs meistgesuchtem Gangster wurde gefunden bei mopo.de

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