Hinterfragt: Gender-Mainstreaming oder: Kann die Gleichstellung der Geschlechter in allen Sprachen verwirklicht werden?

Im Dickicht, besser: im Wust der vorgeschriebenen oder bloß empfohlenen Schreibungen zur Einhaltung der „politisch-geschlechtlichen Korrektheit“ – mit dem sogenannten Genderstern (*), dem Schrägstrich oder Slash (/), dem Unter-, Tief-, Grundstrich oder Underscore ( _ ), dem als Großbuchstaben gesetzten Binnen-I, dem schon länger aus dem Usus geratenen Doppelpunkt (:), weil doch danach überhaupt keine Aufzählung folgt, oder gar den jetzt schon als diskriminierend angesehenen Klammern (), zumal diese per definitionem das, was sie umschließen, als eine weniger wichtige Entität bezeichnen (in diesem Fall den Femininbezug, was doch unzulässig wäre!) – ist mir etwas Interessantes aufgefallen: Unlängst habe ich nämlich eine Mail von einer deutschen Institution erhalten – allerdings auf Englisch verfasst, wie es heutzutage gang und gäbe ist, und nicht auf Deutsch! Meine ungemeine Verwunderung (und Empörung!), warum dem so ist und wieso Englisch nun überall seine Vorherrschaft gewonnen hat, ebbte jedoch im Nu ab, als ich die Anrede genauer las:

„Mx Lazarescu“

Und binnen Kurzem fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Nein, um einen Druckfehler handelt es sich dabei gewiss nicht. Das „x“ steht sowohl für das „r“ in Mr., als auch für das „s“ in Ms. Also ein etwas Unbekanntes bezeichnendes „X“, genauso wie in der Mathematik! Wenn die Person unbekannt und somit auch deren Geschlecht nicht bekannt ist, kann man ruhigen Gewissens das algebraische x verwenden, um einem bedauerlichen Fauxpas und peinlichen Tritt ins Fettnäpfchen vorzubeugen.

Diesen Trick finde ich SEHR GELUNGEN. Dabei ist er in manch anderen Sprachen nicht umsetzbar. Beispielsweise funktioniert er nicht bei den deutschen Anredeformen „Herr“ und „Frau“, haben diese doch keinen gemeinsamen Laut oder Buchstaben wie das beim angelsächsischen „M“ der Fall ist. Und auch nur schwerlich wäre diese Schreibweise im Rumänischen bei „domn“ und „doamn²“ möglich. Wie etwa? „Dmn“?

Auch das oft angepriesene „Splitting“ wirft im Rumänischen bei genauer Untersuchung unerwartet große Fragen auf, vor allem wegen der attributiven Kongruenz bei den rumänischen Adjektiven im Unterschied zu den deutschen, wo einheitliche pluralische Formen für die drei Geschlechter gelten. Das Splitting wäre im Rumänischen wegen der multiplen Lautveränderungen unmöglich.

Man vergleiche das Deutsche mit dem Rumänischen: „fleißige Schülerinnen und Schüler“ – „fleißige SchülerInnen“. Wie aber bei „eleve silitoare {i elevi silitori“ vorzugehen? Das grafische Kompaktgebilde „eleve/i silito/are/ri“ ist kaum zu entziffern. Zwar ist eine Schreibung wie „sitzengebliebene Schüler*innen“ unschwer zu entziffern, aber die Kompaktform „eleve/i repetente/]i“ ist nur von tief in sprachwissenschaftliche Einzelheiten Eingeweihten zu verstehen.

Dies ist wohl der Grund, warum das im deutschen Sprachraum in allen Medien verwendete, sogenannte „Gendern“ oder „Gendering“ weder in der rumänischen Linguistik noch im öffentlichen Leben ein ernst zu nehmendes Thema zu sein scheint, geschweige denn im Alltag. Denn kein einziger rumänischer Muttersprachler bzw. keine einzige rumänische Muttersprachlerin verwendet das Splitting, durchweg wird das generische Maskulinum gebraucht. Im politischen Diskurs wiegen immer noch die Formulierungen „to]i cet²]enii“ (alle Bürger), „to]i aleg²torii“ (alle Wähler), „stima]i concet²]eni“ (werte Mitbürger) u.ä. vor. In Sportberichten heißt es durchweg „medalia]ii no{tri“ (unsere Medaillengewinner), „olimpicii români“ (die rumänischen Olympiasieger), während im akademischen Diskurs durchgängig Formulierungen wie „candida]ii admi{i“ (die Kandidaten, die die Aufnahmeprüfung bestanden haben), „o comisie format² din 5 profesori“ (eine aus 5 Professoren gebildete Kommission, auch dann, wenn darin nur Frauen sitzen!) begegnen.

Also Vor- und Nachteile der sprachlichen Unterschiede – ein gefundenes Fressen, pardon: ein Amuse-Gueule für alternde, aber immer noch leidenschaftliche Linguisten!

 

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