„Jenen, die sich entscheiden, das Land zu verlassen, kann ich sagen: Seid mutig und folgt eurem Herzen!“

„Jenen, die sich entscheiden, das Land zu verlassen, kann ich sagen: Seid mutig und folgt eurem Herzen!“

Ana-Maria Trăsnea, 1994 geboren in Piatra Neamț an der Bistritz, war von Mai 2023 bis Februar 2024 Bundestagsabgeordnete der SPD. Zuvor war sie von 2016 bis 2021 Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, bis sie zur Staatssekretärin für Engagement, Demokratieförderung und Internationales sowie zur Bevollmächtigten des Landes Berlin beim Bund berufen wurde. 

Durch die geringe Wahlbeteiligung zur Wiederholung der Bundestagswahl im Februar 2024 in Berlin musste sie ihr Mandat nun abgeben, ist aber entschlossen, zur Bundestagswahl 2025 erneut zu kandidieren. ADZ-Redakteur Dirk Hornschuch sprach kurz vor der Schlüsselübergabe des Bundestagsbüros mit ihr über die ersten Jahre in Deutschland, die rumänische Community in der BRD und deren Sichtbarkeit.

Frau Trăsnea, Sie sind seit einigen Tagen nicht mehr Bundestagsabgeordnete. Wie sahen die letzten Tage für Sie aus?

Erstmal gab es viele bürokratische Sachen zu klären. Am vergangenen Montag wurde ich vom Ältestenrat des Bundestags offiziell über das Ausscheiden informiert, aber ich wusste natürlich schon seit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses, dass ich mein Bundestagsmandat abgeben muss. Ich habe in den letzten Wochen viel Zeit damit verbracht, alles abzuwickeln und das Büro auszuräumen, Technik abzubauen, Abschieds-Mails zu schreiben. Am Dienstag hat mich dabei auch ein Journalistenteam begleitet. 

Durch die Wiederholungswahl in Berlin, die ein Novum in der Geschichte der BRD darstellt, gab es auch für diesen Vorgang erstmal keinen konkreten Fahrplan. Es war viel Hin und Her in den letzten Tagen, aber jetzt habe ich alle Schlüssel hier auf dem Tisch vor mir liegen und gebe die heute Abend nach dem Interview auch ab. Und dann verlasse ich den Bundestag erstmal zusammen mit der letzten Umzugskiste.

Wie sieht Ihre politische Zukunft aus?

Ich bewerbe mich zusammen mit Marie Scharfenberg für den Vorsitz der „SPD Frauen“ in Berlin, das ist eine Arbeitsgemeinschaft innerhalb der Partei. Wir repräsentieren fast 7000 Frauen in der Partei und der Schwerpunkt ist hierbei Gleichstellung. Das heißt konkret, dass wir zum Beispiel Parität in den Parlamenten herstellen oder den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen erleichtern wollen. Hier in Berlin ist der Internationale Frauentag ein gesetzlicher Feiertag und das beruht auch auf einer Initiative unserer Arbeitsgemeinschaft. 

Außerdem möchte ich erneut für den neuen Bundestag 2025 kandidieren und werde da auch von meinem Verband in Treptow-Köpenick sehr unterstützt.
(Anmerkung der Redaktion: Am 22. März 2024 ist Tr²snea zur Co-Vorsitzenden der „SPD Frauen“ Berlin gewählt worden.)

Das heißt, die Zeit jetzt wird erstmal nicht weniger stressig, sondern Sie machen weiter und es ist gar kein Urlaub geplant?

(Lacht.) Ich gehe tatsächlich morgen in den Urlaub für einige Tage nach den neun Monaten im Bundestag! Ich fliege nach Rumänien und bin dann erstmal im Urlaub für zehn Tage, besuche Familie und Freunde in Bukarest, Piatra Neamț, aber auch in Brașov.

Als Nachrückerin auf der Berliner Liste der SPD sind Sie im letzten Jahr in den Bundestag gekommen und müssen das Parlament nun doch schon wieder verlassen. Was konnten Sie in der kurzen Zeit von neun Monaten im Parlament erreichen?

Ich habe die Zeit sehr aktiv genutzt, wir haben während der Haushaltsverhandlungen sehr aktiv gekämpft und uns viel vernetzt, zum Beispiel mit den Jugendverbänden. Ich habe sehr viel im Bereich Demokratieförderung, Sinti und Roma und Migration gearbeitet.

Eine Errungenschaft war auf jeden Fall, dass wir die Haushaltskürzung um 170 Millionen Euro im Bereich Familien, Senioren, Frauen und Jugend verhindert haben. Das hätte dazu geführt, dass jede vierte Freiwilligenstelle im FSJ und bestimmte Demokratieprojekte oder Familienberatungen weggekürzt worden wären.

Ihre Eltern haben in Frankreich und Deutschland gearbeitet, während Sie als Kind mit ihrer Schwester in Rumänien bei Verwandten geblieben und dort zur Schule gegangen sind. Sie sind dann 2007 im Alter von 13 Jahren nach Deutschland gekommen und haben sehr schnell angefangen, sich zu engagieren. Wann stand der Entschluss fest, dass Sie nach Deutschland gehen?

Im Frühjahr 2007 haben sich meine Eltern geeinigt, dass meine Mutter, die damals schon in Deutschland war, meine Schwester und mich nach Berlin holt. Tatsächlich sind wir im August 2007 in Deutschland zur Schule gekommen und hatten just davor den Umzug nach Deutschland. Unsere Mama hatte für uns vier Monate Deutschunterricht in Rumänien organisiert, wo wir im Grunde dreimal die Woche am Nachmittag die Sprache gelernt haben. 

Ich sag es mal so: Da wurde uns die grammatikalische Grundbasis gelegt und unsere Lehrerin war sehr darauf bedacht, uns zu erklären, dass sehr viele Eindrücke auf uns einprasseln werden, wenn wir in diesem fremden Land ankommen.

Es war wirklich ein Sprung ins kalte Wasser, da wir die einzigen ausländischen Kinder in unserer jeweiligen Klasse waren. Ich kam in die siebte Klasse, meine Schwester in die dritte. Mein kleines Wörterbuch hatte ich immer dabei, damit ich Sachen nachschlagen oder meinen Klassenkameraden sagen konnte: „Zeig mir das Wort, das du gerade gesagt hast.“

Das erste Jahr war ein echter Marathon, es war sehr hart!

Gab es auch rassistische, diskriminierende Vorfälle oder Situationen, wo Lehrende einschreiten mussten?

Das ist nicht das erste Mal, dass ich diese Frage beantworte, aber ich tue das gern nochmal für Sie. Erstmal muss ich sagen, dass es eine prinzipielle Offenheit gab, aber auch eine neue Situation für die Lehrkräfte, die mit einem Kind umgehen mussten, das nicht alles verstanden hat. Es gab relativ schnell eine Solidarität und Verständnis gegenüber meiner Situation. Mir wurden etwa nochmal bestimmte Wörter genau erklärt, weil ich sonst sehr viel Zeit damit verbracht hätte, überhaupt erstmal die Fragen zu verstehen.

Auf der anderen Seite gab es auch krasse Vorurteile, viele Mobbingfälle. Manchmal wurde ich auch enttäuscht von vermeintlichen Freunden oder Freundinnen, die sich nicht getraut hatten, den Mund aufzumachen, wenn ich beleidigt oder mir Unrecht angetan wurde. 

Einmal wurde mir meine Jacke kaputt gemacht oder Sachen von mir geklaut. Es gab auch schon konfrontative Situationen, wo ich auf dem Schulhof mit kleinen Steinchen beworfen wurde, um zu schauen, wie ich darauf reagiere. Typische Mobbingsituationen also, wo man versucht hat, mich in eine unterwürfige Rolle zu bringen. Oder beim Tanzunterricht in der achten Klasse wurde ich von sechs jungen Männern bedroht. Das gab es halt alles. 

Wie sind Sie damit umgegangen?

Unsere Schule hat in der Zeit, in der ich angekommen bin, die Plakette „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage” bekommen und das war für mich ein Ankerpunkt. Wenn ich mit Vorurteilen konfrontiert wurde, habe ich immer danach gefragt: Was bedeutet diese Plakette genau? Es gibt hier noch Diskriminierung und Rassismus, also müssen wir in unserer Schule aktiv daran arbeiten, dass sich das ändert!

Das hat also einen gewissen Widerstand in mir ausgelöst. Ich war nicht bereit, mich als Mobbingopfer zu sehen oder bei jeder Beleidigung klein beizugeben, sondern ich habe mich umso mehr engagiert. Über dieses Netzwerk und die Gesamtschülervertretung habe ich dann sehr viel Solidarität erfahren.

Gleichzeitig habe ich aber auch diese Strukturen des Ehrenamts genutzt und auch oft konfrontiert: Ich habe manchmal im Unterricht angefangen, zu diskutieren und die Leute zur Rede gestellt: Warum denkst du, dass du das mit mir machen kannst? Warum glaubst du, dass ich minderwertiger bin als du? 

Meine Mitschüler haben manchmal gar nicht damit gerechnet, dass ich mich so zur Wehr setze. Und irgendwann hat das Mobbing auch nachgelassen. Nach einiger Zeit gab es auch Wertschätzung für mein Engagement und ich wurde sogar zur Vertrauensperson in der Schule gewählt. 

In der zehnten Klasse oder später zum Abiball sind dann ein paar Mitschüler zu mir gekommen und haben sich tatsächlich für ihr Verhalten entschuldigt. Einige Schüler und Lehrkräfte haben mir im Nachhinein sogar für mein Engagement gedankt.

Also, ich würde jetzt nicht alles schwarz-weiß betrachten und sagen, dass ich auf einer rassistischen Schule war, aber es ist schwer für Migranten, da rein zu kommen. Gleichzeitig gab es stabile Strukturen der Beteiligung und Demokratieförderung, die mich unterstützt haben.

Würden Sie sagen, dass es mittlerweile für migrantisierte Kinder und Jugendliche mehr Unterstützung gibt?

Das Lehrerkollegium war damals schon vorbildhaft und hat mir gesagt, dass ich nicht allein bin und hat mich sehr unterstützt. 

Aber klar hat sich etwas verbessert, weil wir jetzt Schulsozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen haben, die nochmal besser moderieren können. Mittlerweile gibt es Willkommensklassen, in der man sich in der eigenen Muttersprache erstmal stabilisiert, dann aber auch die deutsche Sprache in einem anderen Tempo lernen kann. – Das sind Strukturen, die ich mir damals schon gewünscht hätte. 

Wie sah Ihr weiteres Engagement aus? Wie sind Sie dann in die Politik gekommen?

Nach einem Jahr habe ich mich in der Event AG eingebracht, die Sommer- und Weihnachtsfeste mitorganisiert, wurde Klassensprecherin und sogar stellvertretende Schülersprecherin. Das hat mir sehr viel Kraft gegeben. 

Außerdem habe ich beim größten Jugendaustausch in Treptow-Köpenick, den „United Games of Nations“, viel mitgestaltet. Wir haben dort 18.000 Euro aus öffentlichen Mitteln selbst verwalten können. Und jährlich habe ich dann als Sprecherin unserem Bezirksbürgermeister einen Bericht geschrieben, um zu erklären, wie das Projekt gelaufen ist und was mit den Mitteln passiert ist. Nach drei Jahren dachte ich mir: Warum muss ich das immer noch schreiben? Ist er davon nicht überzeugt? 

Nach sechs Jahren Engagement in Deutschland wollte ich auf der anderen Seite des Tisches stehen und über Mittel für Jugendliche entscheiden. Wohin gehen die Gelder für Jugendliche in diesem Bezirk? Das war einer der Gründe, warum ich schließlich in die Politik gegangen und der SPD beigetreten bin und mich dann als Bürgerdeputierte im Jugendhilfeausschuss engagiert habe.

Bevor Sie sich für den Bundestag 2021 beworben haben, waren Sie von 2016 bis 2021 Bezirksverordnete in Treptow-Köpenick. Was war für Sie der prägendste Moment oder der größte Erfolg in Ihrer Zeit dort? 

Mein politisches Baby in der Zeit war die Gründung des ersten Frauenzentrums in Treptow-Köpenick, welches es seit 2020 gibt. Die Infrastruktur in dem Bezirk war in diesem Bereich noch relativ schwach ausgeprägt. Wir haben gut drei Jahre für die Eröffnung gekämpft. 

Als Mitglied in der Bezirksverordnetenversammlung und Abgeordnete im Deutschen Bundestag braucht man die deutsche Staatsangehörigkeit. Wie sah Ihre eigene Einbürgerung aus?

Ich konnte meine Staatsangehörigkeit nach sechs Jahren, also zum damals frühestmöglichen Zeitpunkt, beantragen, weil ich unter den Paragrafen „Besondere Integrationsleistung“ gefallen bin und durch meine deutschen Schulabschlüsse auch nicht nochmal einen Integrationskurs machen musste. Das sah zum Beispiel für meine Mutter anders aus.

Ihr war es sehr wichtig, die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen, damit wir nicht mehr so stark von Vorurteilen und Diskriminierung betroffen sind. Und gleichzeitig war bei mir der Wunsch sehr groß, politisch mitgestalten zu können, und wenn du – das klingt sehr komisch – vollwertiger Bürger sein willst mit allen Rechten und Pflichten, brauchst du eben die Staatsbürgerschaft.

Für mich war das damals auch ein Bekenntnis zu Deutschland und dadurch, dass ich meinen rumänischen Pass nicht abgeben musste, konnte ich zwei Heimaten haben, eine in Rumänien, eine in Deutschland.

Die deutsche Regierung, der auch die Sozialdemokraten angehören, plant eine Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts, welches eine Einbürgerung nach fünf Jahren vorsieht und es generell erlaubt, eine doppelte Staatsbürgerschaft zu besitzen. Welche Vorteile sehen Sie darin?

Es ist wirklich ein enormer Meilenstein geschaffen worden, dass wir eines der modernsten Einwanderungsrechte weltweit haben werden. Ich bin tief davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist. Wir haben in Deutschland so viele Menschen, die seit 20, 30 Jahren hier leben und diesen Schritt nicht wagen, weil sie befürchten, dass sie ihren alten Pass abgeben müssen. Diese Modernisierung ist einfach folgerichtig. 

Gleichzeitig ist die doppelte Staatsbürgerschaft für viele Menschen sehr wichtig. Ich selbst habe türkische Bekannte, die mir sagen, sie könnten in der Türkei ohne türkischen Pass zum Beispiel nicht für die Gräber ihrer Eltern verantwortlich sein. Solche sehr emotionalen Gründe halten einige Menschen dann also von der Erlangung der deutschen Staatsbürgerschaft ab. 

Wir müssen an dieser Stelle zeigen: Wir wollen euch hier und ihr könnt euch bewusst entscheiden. Und ich finde die Einbürgerung nach fünf Jahren auch vollkommen legitim. 

Nehmen Sie noch das rumänische Politikgeschehen wahr? 

Ich bin nicht tagesaktuell mit den Geschehnissen in Rumänien verbunden, eher so Eckdaten, große Proteste, Wahlen. 

Als Parlamentarierin hatte ich in den vergangenen Monaten auch diplomatische Beziehungen gepflegt und Premierminister Marcel Ciolacu persönlich getroffen und immer wieder Delegationen aus Rumänien begrüßt.

Was erzählen Sie Ihren rumänischen Bekannten über Deutschland? 

Deutschland ist eine verfestigte Demokratie und es ist ein Land der Chancen. Ihr könnt hier Dinge verwirklichen, die vielleicht in Rumänien noch schwieriger sind. Unsere Familie ist auch gegangen, weil wir gesehen haben, dass wir viele Chancen im Leben brauchen. Und so haben das halt auch über drei Millionen Menschen gesehen, die mittlerweile in der Diaspora sind, einfach auch aus Mangel an beruflichen Perspektiven. 

Das ist ein krasser Brain-Drain für das Land. 

Und jenen, die sich entscheiden, diesen Weg zu gehen, kann ich sagen: Seid mutig und folgt eurem Herzen. Ihr könnt hier in Deutschland auch solche Positionen erreichen wie ich. Gleichzeitig glaube ich aber auch, dass sich in den 16 Jahren, in denen ich nicht mehr in Rumänien lebe, vieles geändert hat. 
In Berlin und insbesondere als Staatssekretärin für Internationales habe ich die rumänische Community als sehr still, zurückhaltend erlebt. Wir sind, glaube ich, um die 26.000 Rumäninnen und Rumänen in Berlin und gehören damit zu den Top 5 innerhalb der Stadt, aber eine richtige Sichtbarkeit gibt es meiner Meinung nach nicht. 

In den deutschen Medien liest man oft über die negativen Sachen, irgendwas zu Clan-Kriminalität, irgendwelche diskriminierende Berichterstattung zu Roma oder solche Sachen. Aber nie gibt es Geschichten über positive Vorbilder aus der rumänischen Community. Deshalb ist es mir ein großes Anliegen, für mehr Sichtbarkeit für uns zu kämpfen und uns mehr gegenseitig zu unterstützen. Was ich damit meine: Bei Besuchen in verschiedenen Unternehmen in Berlin, im Technologiepark Adlershof beispielsweise, bin ich rumänischen Ingenieuren begegnet, die mir sagten: „Es ist toll, dass Sie Abgeordnete sind, wir erzählen unseren Kindern von Ihnen.“

Auf der Straße treffe immer wieder Rumäninnen und Rumänen, die überrascht sind, dass sie ein Wahlrecht haben und sich nach Gesprächen mit mir politisch organisieren wollen. Ich glaube, da gibt es noch viel, viel auszubauen. 

Ich spreche ja auch vom German Dream (Deutscher Traum), wir brauchen aber auch ein stärkeres Bewusstsein für unsere eigene Identität. Engagement lohnt sich in jedem Fall, gerade für uns als rumänische Community.

Es gibt wenige bekannte rumänische Politiker in Deutschland, die ehemalige Berliner Senatorin Ramona Pop fällt mir spontan ein. Gibt es vielleicht eine Art rumänisch-deutsches Netzwerk innerhalb der Politik, abgesehen von den sächsischen oder schwäbischen Formaten?

Leider eben nicht! Es gibt natürlich das Deutsch-Rumänische Forum und die Botschaft oder die Deutsch-Rumänische Gesellschaft, die zum Beispiel sehr interessante Publikationen herausgibt. Aber das sind alles eigentlich überwiegend deutsche Bürger, die daran Interesse haben. 

Ich habe wirklich viele Gespräche in den letzten Monaten geführt auf europäischer und nationaler Ebene und gemerkt, dass es da zwischen den rumänischen Abgeordneten ein großes Interesse gibt, stärker zusammenzuarbeiten.

Was ich aber definitiv ausschließen kann, ist, mit den Nationalisten von AUR zusammenzuarbeiten.

Was könnten Deutsche aus dem rumänischen Erfahrungsschatz mitnehmen, was sich abschauen?

Mehr Optimismus (lacht). Das deutsche Gemüt ist oft ein sehr pessimistisches. Wir sind die stärkste Industrienation in Europa und trotzdem sind wir von der Zufriedenheit auf dem zweitletzten Platz innerhalb der EU-Staaten. Mehr Lebensfreude!

Außerdem hat Rumänien so viele Frauen in der IT, in naturwissenschaftlichen Berufen, als Ingenieurinnen. Da gibt es in Deutschland immer noch einen meilenweiten Unterschied zwischen Mann und Frau, auch von der Bezahlung her. Da finde ich, haben viele rumänische Frauen ein ganz anderes Selbstverständnis.

 

Was vermissen Sie von Rumänien?

(Überlegt, lachend). Ich glaube, es gibt zwei Sachen: Bei deutschen Hochzeiten fehlen mir hier die Tänze, die Volkstänze. Ich weiß nicht, ob das vielleicht in Bayern anders ist, aber generell gibt es hier nicht so eine Kultur von: Wir kommen zusammen, wir tanzen zusammen und alle kennen die Tänze. Das ist ja immer etwas sehr Verbindendes auf rumänischen Hochzeiten. 

Und ansonsten würde ich mich öfters über Sarmale freuen. Ich bin immer sehr froh, wenn meine Oma mir das zubereitet, wenn ich zu Besuch bin. 

Wie blicken Sie auf die Zukunft in der BRD, insbesondere im Hinblick auf den Rechtsruck, die Offenlegung der Correctiv-Recherchen?

Wir müssen auf jeden Fall an einer wehrhaften Demokratie arbeiten. Ich sehe, dass sich bestimmte Aspekte der Weimarer Republik wiederholen, zum Beispiel diese starke Polarisierung in der Gesellschaft, die Verbreitung von Verschwörungstheorien und dieses fast allgemeine Misstrauen gegenüber Politik, Demokratie und den Medien. Ich biete sehr regelmäßig Bürgersprechstunden an und merke, wie sich diese Tendenzen immer mehr radikalisieren. 

Außerdem bereiten mir die knappen Kassen Bauchschmerzen im Hinblick auf die nächsten Jahre: Soziale Gerechtigkeit muss eine größere Rolle spielen. 

Frau Trăsnea, ich danke Ihnen für das Gespräch!

 

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