„Kein Zufall“: Ein Insider verrät, wie Kiel den HSV überflügeln konnte

„Kein Zufall“: Ein Insider verrät, wie Kiel den HSV überflügeln konnte

Die Vorzeichen haben sich verändert. Wenn der HSV am Samstagabend Holstein Kiel empfängt, bekommen die Fans im Volkspark zwar den aktuellen Spitzenreiter und Top-Favoriten auf den Bundesliga-Aufstieg zu sehen. Dass dieser fünf Spieltage vor dem Saisonende allerdings das Kieler Wappen auf der Brust tragen würde, hätte vor dieser Saison wohl niemand für möglich gehalten. Nicht nur in Hamburg fragt man sich: Wie konnte das geschehen? Die MOPO erklärt, wie es zu der verkehrten Welt im Norden kommen konnte.

Holstein rockt die Liga und überrascht alle. Auch sich selbst. Im vergangenen Sommer holten die Kieler zum großen Kahlschlag aus, insgesamt 16 Spieler verließen den Verein, darunter Leistungsträger wie Hauke Wahl (Richtung St. Pauli) und Fabian Reese (Hertha BSC). Fast genau so viele kamen neu hinzu und machten Holstein zur großen Wundertüte der Liga.

450 Spielminuten vor dem Saisonende spricht nun alles dafür, dass der sensationelle Weg des einstigen Underdogs in der Bundesliga endet und erstmals ein Verein aus Schleswig-Holstein den Sprung ins Oberhaus schafft – während der HSV zum sechsten Mal in Folge den Aufstieg verpassen könnte.

Ralf Becker arbeitete für Holstein Kiel und den HSV

Eine Situation, die auch Ralf Becker aufmerksam verfolgt. Der 53-Jährige, der bis Anfang März Geschäftsführer Sport bei Drittligist Dynamo Dresden war, kennt den HSV und Holstein bestens. Von 2016 bis 2018 war er in Kiel tätig, anschließend ein Jahr lang Sportvorstand des HSV.


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„Dass Holstein in dieser Saison vor dem HSV landen und aufsteigen könnte, käme sicherlich überraschend“, sagt er der MOPO. „Aber unterm Strich muss man feststellen, dass in Kiel über viele Jahre hinweg gute Entscheidungen getroffen wurden. Der Erfolg ist sicherlich kein Zufall.“

Ralf Becker war von 2016 bis 2018 Geschäftsführer bei Holstein Kiel, bevor er für ein Jahr als Sportvorstand zum HSV wechselte.
IMAGO/Hentschel

Ralf Becker war von 2016 bis 2018 Geschäftsführer bei Holstein Kiel, bevor er für ein Jahr als Sportvorstand zum HSV wechselte.

Becker war dabei, als Kiel wuchs, er schob kräftig mit an. In seine Amtszeit fällt der Aufstieg von der Dritten in die Zweite Liga. Zudem scheiterte Holstein 2018 erst in den Relegationsspielen um den Bundesliga-Aufstieg an Wolfsburg, ehe Becker dem Lockruf des HSV folgte. Was ihm in Kiel stets auffiel: „Sie haben jeden Schritt wirtschaftlich total vernünftig begleitet. Es gibt Dinge, die andere Vereine machen, die sie in Kiel einfach nicht mitmachen. Der Verein hat es geschafft, kontinuierlich zu wachsen, ohne sich zu übernehmen.“

Das führt dazu, dass das eigentlich kleine Kiel dem großen HSV in manchen Bereichen längst den Rang abgelaufen hat. Vom KSV-Trainingsgelände, so heißt es, könnten sie sich im Volkspark durchaus eine Scheibe abschneiden.

Die „Wucht“ des HSV bleibt dennoch unverändert

Und dennoch: Dass der HSV im Vergleich mit Kiel die wesentlich größere Nummer ist, steht außer Frage. „Jeder in Kiel weiß das auch“, stellt Becker fest. „Die Wucht und das Interesse rund um die Klubs sind gar nicht vergleichbar. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Es ist fantastisch, wenn du deine Heimspiele vor fast 60.000 Fans im Volkspark austragen kannst. Aber das erhöht auch den Druck und macht das Arbeiten manchmal nicht leichter.“ Schmunzelnd stellt Becker fest: „Holstein lief auch in dieser Saison meistens etwas unter dem Radar. Im Schatten des HSV arbeiten zu können, ist ein großer Vorteil und wird den Kielern gefallen haben.“

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In wenigen Wochen aber könnte die verkehrte Welt im Norden vollends auf den Kopf gestellt werden. Und dann? Was, wenn Kiel wirklich aus der Bundesliga grüßt und den HSV in Sachen Ligazugehörigkeit abhängen würde? „Wer in der Bundesliga spielt, ist in den Top 18 des Landes, wer in Liga zwei spielt zwischen Platz 19 und 36“, weiß Becker. „Das klingt hart, aber so sind die Fakten.“

An der Relevanz des HSV aber werde sich erst mal nichts ändern: „Er wird, allein schon gemessen an den Zuschauern und Mitgliederzahlen, noch sehr lange als Top-Verein wahrgenommen werden. Ob nun in der Ersten oder Zweiten Liga.“

Den Kielern wird es egal sein. Sie machen eh am liebsten ihr eigenes Ding. Im Windschatten des großen Rivalen, aber kurz vor dem sportlichen Überholvorgang.

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