„Let’s Dance“-Juror Gorge González über sein unglaubliches Leben: „Ich habe gekämpft“

„Let’s Dance“-Juror Gorge González über sein unglaubliches Leben: „Ich habe gekämpft“

Jorge González – das ist der bunte Kubaner mit dem starken Akzent, der in der Jury von „Let’s Dance“ sitzt. Doch dieser González wird oft unterschätzt. Nach einer schweren Kindheit kam er in den 1980er-Jahren alleine nach Europa, um hier Nuklear-Ökologie zu studieren – eine Befreiung, wie Jorge sagt. Seit 30 Jahren wohnt der Entertainer mittlerweile in Hamburg. Ein Gespräch über Homophobie, das Niveau seines Jobs – und über blonde Männer in Garmisch-Partenkirchen.

MOPO: Herr González, Sie waren Klassenbester, der Beste im Sportverein. Sie haben Nuklear-Ökologie studiert, Ihr Diplom mit Bestnote bestanden. Jetzt sind Sie Juror bei „Let‘s Dance“. Ist Ihr Job nicht unter Ihrem Niveau?

Jorge González: Nein, überhaupt nicht. Wenn du deinen Job liebst und ihn mit Würde machst, dann hat er Niveau. Dann ist es egal, ob du Wissenschaftler, Superstar oder Putzfrau bist.

Sie sind in Kuba aufgewachsen. Als Sie Kind waren, war Homosexualität dort verboten. Was war das für ein Gefühl, in seiner eigenen Heimat unerwünscht zu sein?

Ich wünsche das keinem Kind. Ich war vier Jahre alt, als ich gemerkt habe, dass ich homosexuell bin. Ich habe nicht verstanden, was los war. Alle um michherum haben gesagt, dass Homosexualität eine Krankheit, ein Virus ist.

„Bei mir war das anders: Ich habe gekämpft“

Haben Sie damals mit Ihrer Familie darüber gesprochen?

Nein. Wenn du homosexuell warst und die Regierung das von dir wusste, dann haben sie dich nicht nur ins Gefängnis gesteckt, sondern auch deine Angehörigen. Als Vierjähriger habe ich deshalb geschwiegen, um meine Familie zu schützen. Andere Kinder in meiner Situation haben sich total zurückgezogen, Depressionen bekommen. Manche haben sich sogar umgebracht. Bei mir war das anders: Ich habe gekämpft.

Wie hat dieser vierjährige Jorge das geschafft?

Ich weiß bis heute nicht, woher ich diese Kraft genommen habe. Ich habe mir zu Herzen genommen, was meine Großmutter immer sagte: „Du bist gut so, wie du bist.“ Besonders in der Schule habe ich mich angestrengt und auch hart im Sportverein trainiert. Ich wollte den anderen umso mehr beweisen, wie gut ich war.

Jorge González fällt bei der RTL-Show „Let’s Dance“ immer wieder mit seinen bunten Outfits auf.
picture alliance/dpa/Thomas Banneyer

Jorge González fällt bei der RTL-Show „Let’s Dance“ immer wieder mit seinen bunten Outfits auf.

Mit 17 Jahren sind Sie dann ganz alleine in die Tschechoslowakei gekommen, um dort zu studieren. Wie war das?

Das war eine Befreiung. Das war mein Ziel, mein Traum. Endlich hatte ich nicht mehr das Gefühl, eine Persönlichkeit spielen zu müssen. Das war sehr, sehr wichtig für mich.

Wie haben Sie sich dann ausgelebt?

Ich bin in schwule Clubs gegangen. Als ich das erste Mal dort war, habe ich einen Hut und eine Brille getragen, weil ich Angst hatte, gefilmt zu werden. Aber ich habe dann schnell Leute kennengelernt, die mir gesagt haben: „Hier musst du keine Angst haben!“ Und dann bin ich jeden Mittwoch tanzen gegangen. Ich war so glücklich.

1990 wollte dann Fidel Castro alle kubanischen Studenten in Europa zurück nach Kuba holen. Sie sind deswegen untergetaucht.

Ja, ich wollte unbedingt mein Studium beenden – mir haben nur noch wenige Monate gefehlt. Ich habe mich bei Freunden versteckt. Das war eine harte Zeit. Ich konnte nicht richtig schlafen. Eines Abends hätten sie mich fast gekriegt, da musste ich aus dem Fenster springen, um zu einer anderen Freundin zu fliehen.

„Der Typ sah gut aus, also habe ich mich in den Zug gesetzt und bin nach Garmisch-Partenkirchen gefahren“

Wie sind Sie dann nach Deutschland gekommen?

In einem Magazin habe ich einen blonden Typen mit Lederhose gesehen. Im Hintergrund waren Berge. Ich habe gefragt, wo das ist – es war in Deutschland. In Garmisch-Partenkirchen. Der Typ sah gut aus, also habe ich mich in den Zug gesetzt und bin nach Garmisch-Partenkirchen gefahren. (lacht) Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, aber auf jeden Fall bin ich fast eine Woche geblieben und habe den blonden Mann mit der Lederhose gesucht.

Und, haben Sie ihn gefunden?

Nein, aber ich habe viele Lederhosen gekauft. (lacht)

Mittlerweile leben Sie seit 30 Jahren in Hamburg. Wie hat sich die Stadt in Ihren Augen verändert?

Hamburg ist bunter, kosmopolitischer geworden – das finde ich toll. Ich erinnere mich an einen Nachmittag im Sommer in den 90er-Jahren. Da bin ich in einem pinken Netz-Anzug von Versace durch Eppendorf gelaufen. Da haben die Leute fast einen Anfall gekriegt! Die waren alle sprachlos! Ich habe gar nicht verstanden, was die alle hatten: So war eben die Sommermode von Versace. (lacht)

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Wie reagieren die Menschen heute, wenn Sie Jorge im Rewe sehen?

Die fragen „Was machst du hier?“ Und ich antworte: „Einkaufen?“ (lacht) Die Leute denken immer, dass ich so aussehe wie bei „Let’s Dance“ und dass vier Bodyguards um mich herumstehen. Das ist Quatsch. Ich bin ein ganz normaler Mensch, der wie jeder andere auch einkaufen und Kaffee trinken geht.

Jorge González’ Kindheit im homophoben Kuba war schwer. Dieses Bild aus dem Jahr 2021 zeigt ihn mit seinem Vater Gudelio (†99).
picture alliance /ABB

Jorge González’ Kindheit im homophoben Kuba war schwer. Dieses Bild aus dem Jahr 2021 zeigt ihn mit seinem Vater Gudelio (†99).

Bei „Let’s Dance“ haben Sie diese Rolle des fröhlichen Kubaners, des Paradiesvogels. Immer wieder werden Witze über Ihren Akzent gemacht. Nervt Sie manchmal diese Rolle?

Das ist keine Rolle, das bin ich. Die Witze, die meine Kollegen machen, stören mich nicht. Ich habe einen Akzent – und wenn ich damit die Leute zum Lachen bringen kann, dann ist das gut so! Lasst die Leute doch lachen! Aber natürlich hat alles ein Limit. Wenn ich merke, dass das auf eine persönliche, beleidigende Ebene wechselt, dann bin ich groß genug, um das zu stoppen.

Möchten Sie in Hamburg bleiben?

Hamburg ist meine Heimat. Aber wenn ich alt werde – ich weiß nicht, wann das sein wird (lacht) – dann möchte ich gern nochmal woanders leben.

Warum?

Hier in Deutschland vermischen sich die Generationen nicht – das finde ich sehr traurig. Das sieht man zum Beispiel an diesen Ü30-Partys. Sowas kenne ich aus Kuba gar nicht. Wenn Salsa läuft, dann tanzen die Kinder mit den Omas und Opas.

Und wo wollen Sie dann hinziehen?

In den Süden! Irgendwo, wo es warm ist. Sonne, Strand – ich will da sein, wo es unkompliziert ist. Vielleicht gehe ich zurück nach Kuba. Nur mit T-Shirt und Flipflops. Wenn ich dort dann meine Bananen esse, bin ich glücklich.

„Let’s Dance“-Juror Gorge González über sein unglaubliches Leben: „Ich habe gekämpft“ wurde gefunden bei mopo.de

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