Nach Attacken: Hamburger Politiker über „aggressives Klima“ im Wahlkampf

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Die Prügelattacke auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden sorgte bundesweit und parteiübergreifend für Entsetzen – und doch ist es bei weitem nicht der einzige Angriff auf Kommunalpolitiker. Am Dienstag wurde die Berliner Wirtschaftssenatorin, Franziska Giffey (SPD), attackiert und verletzt. Auch in Hamburg erleben Bezirkspolitiker ein zunehmend raueres und aggressiveres Klima im Wahlkampf. Wie fühlt sich das an, und vor allem: Wie können die Ehrenamtlichen vor derartigen Attacken geschützt werden? Innensenator Andy Grote (SPD) findet deutliche Worte.

In einem Monat wird gewählt: Nicht nur für Europa, sondern auch für die Abgeordneten in ihren Bezirken können die Hamburger am 9. Juni ihre Stimme abgeben. Alle Parteien befinden sich daher aktuell in der Hochphase ihres Wahlkampfes. Überall gibt es Infostände mit den Kandidaten, Podiumsdiskussionen und jede Menge Plakate.

Altona: Wahlplakate von SPD und anderen Parteien zerstört

Dennis Mielke kandidiert für die SPD in Altona, sitzt bereits seit mehreren Jahren dort in der Bezirksversammlung. „Ich habe den Eindruck, dass das Klima aggressiver geworden ist“, erzählt er im Gespräch mit der MOPO. Ende April hatten er und andere Parteikollegen abends Plakate in der Großen Bergstraße aufgehängt. Plötzlich bemerkten sie mehrere Personen, die laut Mielkes Aussage um die 20 Wahlplakate herunterrissen, darauf herumtrampelten und sie zerstörten.

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Davon seien an diesem Abend nicht nur die Aushänge der SPD betroffen gewesen, sondern auch die von CDU und Linken. „Wir haben sofort die Polizei verständigt, die auch sehr schnell vor Ort war“, berichtet der Politiker. „Leider waren die Personen schon über alle Berge.“ Er erstattete noch am gleichen Abend Anzeige gegen Unbekannt. Inzwischen hat das LKA die Ermittlungen übernommen. Laut Polizeisprecher Patrick Schlüse gab es in diesem Jahr bereits 24 angezeigte Fälle, bei denen Wahlplakate zerstört wurden. Alle Taten bewertet die Polizei als politisch motiviert.

Mielke: Diskussionen müssen respektvoll bleiben

„Man sieht, dass die Aggressivität bestimmter Gruppen gegen die politische Arbeit und allgemein gegen die Demokratie zunimmt“, so Mielke. Er wisse von den Hamburger Grünen, dass sie ihre Plakate ebenfalls immer wieder neu aufhängen müssten, weil sie zerstört wurden. An Wahlständen gebe es zwar viele gute Gespräche, aber auch hier sei teils mehr Aggressivität spürbar. „Diskussionen, gerne im raueren Ton, sind wichtig und erwünscht – aber es muss bei einem respektvollen Umgang bleiben.“

Er selbst fühle sich durch die Vorfälle nicht persönlich bedroht. „Was mich ärgert, – und das gilt auch für die anderen Parteien – dass es eine ehrenamtliche Arbeit ist und wir uns alle die Nächte um die Ohren schlagen, nur damit es dann mit Füßen getreten wird“, sagt er. „Trotzdem ist das, was in anderen Teilen des Landes stattgefunden hat, natürlich noch einmal deutlich massiver als in Hamburg.“

SPD-Politiker in Dresden von Männergruppe verprügelt

Am vergangenen Freitag war der SPD-Politiker Matthias Ecke aus Dresden von vier Männern zusammengeschlagen worden, als er Wahlplakate für seine Partei anbringen wollte. Er erlitt einen Bruch des Jochbeins und der Augenhöhle sowie Blutergüsse im Gesicht und musste im Krankenhaus operiert werden. Kurz vor dem Angriff auf Ecke hatte laut Polizei mutmaßlich dieselbe Gruppe in der Nähe einen Wahlkampfhelfer der Grünen ebenfalls verletzt.

Am Sonntag stellte sich ein 17-Jähriger bei der Polizei und gestand, an dem Angriff beteiligt gewesen zu sein, einen Tag später identifizierte das LKA Sachsen drei weitere Verdächtige. Alle sind zwischen 17 und 18 Jahre alt. Mindestens einer von ihnen ist der Staatsanwaltschaft zufolge der rechtsextremen Szene zuzuordnen.

Auch die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) war am Dienstagnachmittag in einer Bibliothek im Stadtteil Rudow im Berliner Süden angegriffen worden. Sie habe mit der Leiterin der Bibliothek gesprochen, teilte Giffey auf Instagram mit. „Auf dieses Gespräch konzentriert habe ich plötzlich von hinten einen harten Schlag an Kopf und Nacken gespürt. Ein Mann hatte mich mit einem Beutel, gefüllt mit hartem Inhalt, attackiert.“ Inzwischen wurde ein 74-jähriger Tatverdächtiger festgenommen. Gegen ihn lägen bereits „polizeiliche Erkenntnisse aus dem Bereich des Staatsschutzes und der Hasskriminalität“ vor, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft gemeinsam mit. Außerdem gebe es Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung.

Wie können Wahlkämpfer besser geschützt werden?

Zeitgleich rückt die Diskussion in den Vordergrund, welche Konsequenzen aus solchen Gewalteskalationen folgen. Am Dienstagabend berieten sich Bund und Länder in einer Videokonferenz zu dem Thema und beschlossen, das Strafrecht diesbezüglich zu überprüfen. Unter anderem solle eine Gesetzesinitiative, die Angriffe gegen Ehrenamtliche unter härtere Strafen stellt, rasch umgesetzt werden. Diese Initiative wurde bereits im Dezember im Bundesrat beschlossen und müsse jetzt noch durch den Bundestag.

„Wir stellen eine gestiegene gesellschaftliche Aggressivität fest“, sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD). „Das fängt bereits bei der Beschädigung von Wahlplakaten an – diesbezüglich gibt es eine große Dunkelziffer. Ich rate, jeden Vorfall zur Anzeige zu bringen.“ Nur so könnten die Sicherheitsbehörden konsequent vorgehen. „Diejenigen, die sich ehrenamtlich engagieren, halten unsere Demokratie am Laufen. Sie müssen sich dem Schutz der Gesellschaft und der Sicherheitsbehörden sicher sein können.“

Nach Attacken: Hamburger Politiker über „aggressives Klima“ im Wahlkampf wurde gefunden bei mopo.de

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