Studien über die Deutschen im Banat 

Studien über die Deutschen im Banat 

Der schwedisch-finnische Ethnologe Prof.Dr.em. Bo Hjalmar Lönnqvist, ein in Finnland geborener und lebender Schwede, also jemand, bei dem die Voraussetzungen des Verständnisses für Minderheitler und Minderheiten gegeben sind, neben (s)einer soliden Fachausbildung als Ethnologe…. Er hat zusammen mit dem ungarischen Ethnologen Gábor Barna (Universität Szegedin) sowie weiteren Wissenschaftlern und Studenten im Zeitraum 1997 bis 2000 (letzte klärende Besuche bzw. Feldforschungen zum Thema: 2007) die Erinnerungs- und Erzählkultur sowie speziell die Erzählstrukturen der Deutschen im Banat untersucht. Institutionell war die Feldforschung eine Zusammenarbeit zwischen dem Ethnologischen Institut der Universität Jyväskylä, Finnland, und dem Lehrstuhl für Volkskunde, Néprajzi Tanszék, an der Jószef-Attila-Universität in Szeged, Ungarn.

Die treffendste Zusammenfassung dieser umfangreichen Studie macht ihr Autor selbst (Zitiert nach dem Klappentext): „Die Studie steht theoretisch in einem kulturanthropologisch-ethnologisch-folkloristischen Kontext. Der Schwerpunkt der Thematik heißt Narratologie: die Erinnerungs- und Erzählkultur, das Redensmuster und die Struktur des Erzählens. Zentrale Fragestellungen (der 46 aufgezeichneten Gespräche – ab) beziehen sich auf Heimat und Sprache, Selbst- und Fremdbild, sowie Reflexionen über den Lebenslauf und Veränderungen in Zeit und Raum.“

Die 36 Gewährsleute kamen aus 13 Ortschaften im Umkreis der Städte Lippa, Arad und Temeswar, grundsätzlich südlich des Maroschlaufs, zwischen Marosch und Temeswar (u.a. Radna, Neuarad, Blumen-thal, Königshof, Guttenbrunn, Schöndorf, Neudorf, Engelsbrunn, Bruckenau, Glogowatz, Neupanat). Die Fragen bezogen sich auf die „Heimat“, die Sprache, die Beziehungen zu anderen Nationen und Kulturen sowie die geänderten sozialpolitischen Rahmenbedingungen. 

Der federführende Forscher, Bo H. Lönnqvist, schreibt in seinem Vorwort: „Die Feldforschung zu diesem Buch wurde in den Jahren 1997 bis 2000 durchgeführt; ihr Ausgangspunkt war das katholische Zentrum Caritas in der Casa Hildegardis in Lippa (Lipova). Für wertvolle Informationen und die Vermittlung von Kontakten sei vor allem Pfarrer László Wonnerth und Dr. theol. Imogen Tietze gedankt. Der finnischen Gruppe gehörten neben dem Verfasser der Historiker Anssi Halmesvirta, der Philologe Petteri Laihonen sowie die Ethnologen Pasi Hannonen und Pirkko Järvelä an. In der ungarischen Gruppe waren unter Prof. Gábor Barnas Leitung Dr. Bertalan Pusztai und etwa zehn Studenten tätig. Im Laufe der Arbeit wurden bereichernde Diskussionen geführt, sowohl über theoretische Fragen, als auch über die teilnehmende Beobachtung bei der Feldforschung. Ich danke allen Beteiligten für Ideen, Inspiration, Unterstützung und Geduld.“ (S.7)

Diese Studie wurde 2023 von der „Finnish Society of Sciences and Letters“ in Helsinki veröffentlicht und hat nichts von ihrer Aktualität verloren, obwohl mehr als 25 Jahre seit der Feldforschung im nördlichen Banat vergangen sind. Im Gegenteil: viele der damals ausgesprochenen Vermutungen der Gewährsleute bezüglich ihres Lebens und ihres Statusses als Deutsche und Minderheitler im Banat haben sich zwi-schendurch bewahrheitet. Die Gesprächspartner waren oft vielsprachig und verwendeten nicht selten rumänische oder ungarische Ausdrücke, so dass nicht von einer Situation gesprochen werden kann, die mit einer isolierten, keinen fremden Einflüssen ausgesetzten „Sprachinsel“ vergleichbar wäre – wie sie von Ethnologen und Sprachforschern jahrzehntelang als gegeben angenommen wurde.

Bis in die 1970er Jahre konnten Volkskundler, wenn sie die Lebensweisen und Traditionen ethnischer Minderheiten untersuchten, eine Kontinuität des betreffenden Sprach- und Kulturgutes feststellen. Das habe zu einer Überbewertung dieser Faktoren geführt, erklärt Lönnqvist, während die Lebensbedingungen und -voraussetzungen nicht berücksichtigt wurden. 

Den vorliegenden Studien ist zu entnehmen, dass die Gewährsleute bereits älter waren und sich entschieden hatten, ihre Heimat nicht zu verlassen bzw. ihre traditionellen Lebensformen weiter zu führen. Die demografische Entwicklung wurde von den Gewährsleuten als Faktor bewertet, der sich auf die Kontinuität der deutschen Kultur im Banat negativ auswirkt. 

Um Familientraditionen und -werte zu verstehen, dürfen Erinnerungen und Erfahrungen früherer Generationen nicht in Vergessenheit geraten. Die Tochter meines Freundes hat ihren Großvater bereits in den 1990er Jahren gebeten, seine Lebenserinnerungen aufzuschreiben: „Ota, mer wisse gar nix iwer unsri Familije un wann tu net alles ufschreipscht, was tu tich noch erinnerscht, tann were mer nie mehr mehr wisse triwer.“ 
Somit schätzen wir nicht nur den dokumentarischen Wert der veröffentlichten Studien, sondern sollten es als unsere jetzige und künftige gemeinsame Aufgabe ansehen, die Welt der Deutschen im Banat auch weiterhin zu erforschen – unabhängig davon, ob wir im Banat leben oder nicht.

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