Von Engeln und gefallenen Engeln

Von Engeln und gefallenen Engeln

Am Montag, dem 25. März, haben Christen weltweit, inklusive in der griechisch-katholischen Kathedrale in Großwardein/Oradea die Verkündigung des Herrn gefeiert. Weil dieses Hochfest als christlicher Weltfrauentag gilt, wurden alle anwesenden Mädchen und Frauen mit Blumen beschenkt. Gläubigen wie Kunstliebhabern bereitete das Fest doppelte Freude, denn das örtliche Griechisch-Katholische Bistum setzte seine Tradition der Ausstellung thematischer Statuen auf dem Gelände der griechisch-katholischen Kathedrale zum Heiligen Nikolaus während der Fastenzeit fort und eröffnete die diesjährige Ausstellung in feierlichem Rahmen. 

Letztes Jahr wurden die Skulpturen „Der Preisträger“ und „Der Engel“ von Mircea Roman ausgestellt, heuer stehen die Werke „Engel“ und „Gefallener Engel“ von Adrian Ilfoveanu im Rampenlicht. Diese können in den nächsten Monaten draußen, hinter dem Altarraum der Kathedrale bewundert werden.  

Die Vernissage fand mit dem Segen und im Beisein Seiner Exzellenz des Bischofs Virgil Bercea, des Autors der Skulpturen und der Kunstkritikerin Ramona Novicov statt. Die Kulturberaterin des Griechisch-Katholischen Bistums, Rodica Indig, leistete die Moderation des Ereignisses. Für die musikalische Untermalung verantwortete Victor Sandu, Cellist der Staatsphilharmonie Großwardein. 

Der aus Pite{ti gebürtige Bildhauer Adrian Ilfoveanu stammt aus einer bekannten Künstlerfamilie. Er hat die Kunstuniversität in Bukarest beendet und wirkt nun als Dozent an seiner Alma Mater. Laut seinem Freund, dem Theologen, Essayisten und Gegenwartslyriker Cristian B˛dili]˛, der bei der Vernissage nicht anwesend sein konnte und stattdessen eine Botschaft übermittelte, habe sich Adrian im Vergleich zu seinem Vater, dem Maler und Grafiker Sorin Ilfoveanu, für die Bildhauerei entschieden, ohne aber die Grafik zu vernachlässigen, die den Ausgangspunkt der meisten seiner Werke bilde. „Von seinem Vater und seiner Künstlergeneration hat Adrian die Leidenschaft für das Lesen sowie das Interesse für Religionsgeschichte, Literatur, Film und Philosophie geerbt. Neben dem durch Disziplin und Fleiß, zusammen mit anderen wichtigen Namen der Bukarester Kunstschule erworbenen Fachwissen, verfügt er über eine bei Gegenwartskünstlern selten anzutreffende metaphysische Feinfühligkeit“.

Adrian Ilfoveanu ist für seine aus Holz, Marmor, Bronze oder Kunstharz geschaffenen, stilisierten tierischen und menschlichen Skulpturen bekannt. Er ist auch der Autor der Gopo-Trophäe, die bei der wichtigsten jährlichen rumänischen Filmgala verliehen wird. Seine Themenwelt umfasst den Flug, dargestellt in seiner Vögel- und Engel-Reihe, die Geburt, die Reinheit (Werke: „Kindheit“ und „Die unbefleckte Empfängnis“), den Fall und die Erlösung (in „Gefallener Engel“) und diese sind auf seinem Glauben, der Bibellektüre und der von den Heiligen Schriften erweckten Inspiration zurückzuführen.  

Sein in Großwardein ausgestelltes biblisches Diptychon schildert einen allgemeinen metaphysischen Initiierungsweg von der Erblindung zum Erwachen, vom egoistischen Aufstand zur Versöhnung, vom Verrat zur Treue und von der Verdammnis zur Erlösung, erklärte der Bildhauer.

Kunstkritikerin Ramona Novicov hob hervor, der an einem Ständer gehängte helle bronzene Engel fange das Licht ein, trage es in sich und strahle es zugleich aus. Er sei Teil eines Reiches, zu dem die Menschheit nur heraufschauen oder wonach sie streben kann. „Allenfalls, manchmal in gnadenreichen Augenblicken erreichen wir es sogar. Vielleicht liegt uns der untere Zustand (des gefallenen Engels) eher nahe, obwohl wir alle Gottes Geschöpf sind. Gottes Funke steckt in uns allen. Die Hoffnung, dass wir zum Himmel empor schauen dürfen, tröstet uns“, pointierte die Kunstkritikerin schlussfolgernd. 

Außerdem weist die goldglänzende Bronzefarbe des vogelähnlichen Engels darauf hin, dass er seine Existenz im Licht der göttlichen Wahrheit führt, darin beheimatet und damit umhüllt ist, da Gold als christliches Symbol der Wahrheit gilt. Dieser ist mit Kopf und Blick stets nach der Höhe des Himmels gerichtet, was als seine unmittelbare Verbundenheit mit Gott und Treue ihm gegenüber zu verstehen ist.

Die untere Figur, „Der gefallene Engel“, dargestellt als Schlange mit menschlichem Kopf, kriechend, mit geschlossenen Augen und einem atrophischen Flügel, der ihm als Erinnerung seiner himmlischen Herkunft bleibt, spielt auf die biblische Verfluchung der Schlange aus dem Himmelsgarten (Genesis 3,15) oder des Teufels, des Oberhaupts der gefallenen Engel, in Schlangengestalt an. Der gefallene Engel richtet den Kopf geradeaus und sucht keine Versöhnung mit Gott. Aus Hochmut zeigt er sich völlig zufrieden mit seinem Zustand und scheint auf Gottes Aufruf und Bemühungen zur Erlösung der Menschheit sowohl taub als auch blind zu sein. Der negativen Gestalt hat der Bildhauer auch eine passende Farbe gegeben, den dunklen Ton der oxydierten Bronze mit grünen Akzenten des oxydierten Kupfers, das diese Metalllegierung enthält. Eine Art Dynamik kennzeichnet diese Figur, die den Eindruck erweckt, rastlos herum zu kriechen, um sein Böses überall anzurichten, zumal seine Zeit auf der Welt befristet ist, während die Engel-Skulptur, in ihrer regungslosen Stille, auf den Frieden und die Ewigkeit des Reiches Gottes verweist. 

S.E. Bischof Virgil Bercea rät den Passanten, wenn sie durch den Innenhof der Kathedrale spazieren, selbst wenn sie nicht hineingehen, beim Anblick der Engel-Skulpturen über alles Materielle hinaus auch über das Geistige nachzudenken.
 
Zum Schluss bedankte sich der Bischof bei allen Anwesenden und sprach ein Gebet für den vor ein paar Tagen verstorbenen Meister der rumänischen Gegenwartskunst und Professor, Ioan Aurel Mure{an.

   
 

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